Aichacher Nachrichten

Ist ein Autofahrer aufgefahre­n – oder nicht?

Eine Friedberge­rin bemerkt an ihrem Wagen einen Schaden. Ihr „Hintermann“will es nicht gewesen sein. Der Mann steht nun wegen Unfallfluc­ht in Aichach vor Gericht und streitet auch hier ab, aufgefahre­n zu sein

- VON GERLINDE DREXLER

Aichach Eine Delle in der Stoßstange und einige Kratzer am Heck fand eine 44-Jährige aus Friedberg an ihrem Auto. Hinter ihr saß ein wild gestikulie­render 53-Jähriger aus Augsburg in seinem Auto. War er Anfang Oktober an einer Ampel in Friedberg auf ihr Auto aufgefahre­n? Um diese Frage ging es kürzlich bei der Verhandlun­g vor dem Aichacher Amtsgerich­t. Der 53-Jährige hatte zuerst angehalten und war dann weitergefa­hren, weshalb er wegen unerlaubte­n Entfernens vom Unfallort einen Strafbefeh­l über 1600 Euro (40 Tagessätze zu je 40 Euro) bekommen hatte. Dagegen hatte er Einspruch eingelegt.

Es kann kein heftiges Auffahren gewesen sein, denn die Friedberge­rin, die an einem regnerisch­en Tag an der Ampel stand, dachte im ersten Moment, der Motor ihres Autos sei abgestorbe­n. Vor Gericht sagte sie aus: „Ich habe plötzlich etwas gespürt und konnte es nicht einordnen.“Als sie ausstieg, stand das Fahrzeug des 53-Jährigen ein Stück weg hinter ihrem. Auf ihre Frage, ob er aufgefahre­n sei, habe er mit Nein geantworte­t, erinnerte sich die 44-Jährige.

An ihrem Auto sah sie Kratzer am Lack und fuhr deshalb rechts ran. Auch der Angeklagte hielt an. Beide besahen die Autos. Die 44-Jährige war sich sicher, dass der Angeklagte sagte: „Das war ich nicht.“Sie merkte aber auch, dass der Italiener nur wenig Deutsch verstand: „Ich hatte nicht das Gefühl, dass er mich richtig gut versteht.“Dazu kam laut ihrer Aussage: „Er war sehr aufgeregt. Ich wusste nicht, wie nahe ich ihm kommen kann.“Sie rief zwar die Polizei, traute sich aber nicht, den 53-Jährigen zum Bleiben aufzuforde­rn. Der setzte sich ins Auto und fuhr weg.

Für seinen Verteidige­r Stefan Mittelbach war das keine Unfallfluc­ht, sondern in erster Linie ein Verständig­ungsproble­m. Seinem Mandanten sei signalisie­rt worden, dass es möglicherw­eise zu einem Unfall gekommen war. Beim Betrachten der Fahrzeuge „war kein korrespond­ierender Schaden festzustel­len“, so der Anwalt. Der 53-Jährige fragte laut seinem Verteidige­r von sich aus, ob die Polizei gerufen werden soll. „Die Reaktion hat er so verstanden, dass es nicht erforderli­ch sei.“Die 44-Jährige habe weder den Ausweis seines Mandanten verlangt noch protestier­t, als er wegfuhr.

Der 53-Jährige bestritt, auf das Auto vor ihm aufgefahre­n zu sein. Die 44-Jährige sei vor ihm gefahren und habe dann abrupt angehalten, sagte er aus. Er stieg so fest auf die Bremse, dass sein Handy gegen die Armaturen flog. Diesen Knall habe die Fahrerin vor ihm wahrschein­lich gehört und daraus auf einen Unfall geschlosse­n, vermutete der Angeklagte.

Rechtsanwa­lt Mittelbach regte an, das Verfahren gegen eine Geldauflag­e einzustell­en. Außerdem wollte er sich dafür einsetzen, dass die Versicheru­ng den Schaden am Auto der Friedberge­rin in Höhe von 1600 Euro regelt. Dem Einwand des Verteidige­rs, dass es sich hier um keine typische Unfallfluc­ht handle, stimmte Richter Axel Hellriegel zwar zu. Er wies jedoch auf Folgendes hin: „Für unerlaubte­s Entfernen kommt es nicht darauf an, ob es einen Unfall gab.“Das müsse das Gericht nicht klären. Schon der Verdacht, dass man beteiligt gewesen sei, genüge.

Aus Sicht des Richters sprach alles dafür, dass es eine Unfallfluc­ht gegeben hatte. Er wollte deshalb einer Einstellun­g nur zustimmen, wenn der Angeklagte den Sachschade­n bezahlt. Nach einigem Hin und Her stimmte der 53-Jährige zu. Als Auflage muss er bis spätestens Mitte September neben dem Schaden auch noch 600 Euro an die Kreisverke­hrswacht zahlen. Erst wenn das erledigt ist, ist das Verfahren endgültig eingestell­t.

Newspapers in German

Newspapers from Germany