Aichacher Nachrichten

Im Wettlauf mit der vierten Welle

In den USA steigen plötzlich die Infektions­zahlen wieder stark an. Experten fürchten „drohendes Unheil“. Präsident Biden macht noch mehr Tempo bei der rasanten Impfkampag­ne – und kann weitere Erfolge vorweisen

- VON KARL DOEMENS

Washington Der Präsident hatte das Rednerpult schon verlassen, als ihm ein Reporter noch eine letzte Frage hinterherr­ief: „Meinen Sie, dass die Bundesstaa­ten bei der Öffnung pausieren sollen?“, wollte der Journalist wissen. Joe Biden blieb kurz stehen, unterbrach das Aufsetzen seines Mund-Nasen-Schutzes und drehte sich um. „Ja“, antwortete er so kurz wie entschiede­n. Zuvor schon hatte er eindringli­ch an die Gouverneur­e appelliert, die teils aufgehoben­e Maskenpfli­cht wieder einzuführe­n.

Eigentlich machen die USA seit Bidens Amtsantrit­t in der CoronaPand­emie positive Schlagzeil­en: Nach der Chaos-Politik seines Vorgängers Donald Trump wurde in Rekordgesc­hwindigkei­t eine rasante Impfkampag­ne hochgefahr­en. Tag für Tag erhalten rund drei Millionen Amerikaner eine Spritze. Jeder Dritte hat inzwischen mindestens eine Dosis bekommen, jeder Sechste ist voll geschützt. Doch seit Neuestem

bereiten den Experten andere Zahlen große Sorgen: Die Infektione­n legen plötzlich wieder zu.

„Ich verlasse jetzt mein Manuskript“, erklärte Rochelle Walensky, die Chefin der Gesundheit­sbehörde CDC am Montag und warnte eindringli­ch vor einem „drohenden Unheil“. Das Land habe „so viel, auf das es sich freuen kann“und „so viel Grund für Hoffnung“, sagte die renommiert­e Wissenscha­ftlerin: „Aber im Moment habe ich Angst.“Kurz darauf nahm Biden diesen Gedanken auf: „Der Krieg ist noch lange nicht vorbei“, mahnte der Präsident in martialisc­her Sprache: „Jetzt ist nicht die Zeit nachzulass­en. Jetzt ist nicht die Zeit zum Feiern!“

Nachdem die Covid-Neuinfekti­onen in den USA seit dem Jahresbegi­nn drastisch gesunken waren, hat die Kurve vor zwei Wochen die Richtung gewechselt. Am Montag infizierte­n sich nach Daten der Johns-Hopkins Universitä­t 68000 Menschen – gut 30 Prozent mehr als eine Woche zuvor. Vor allem im

Nordosten breitet sich das Coronaviru­s aus. In New York City liegt die Sieben-Tage-Inzidenz inzwischen bei 450, in New Jersey bei 346 und in Michigan bei 326. Landesweit steht der Wert momentan bei 130.

Vor allem jüngere, noch nicht geimpfte Menschen werden in die Krankenhäu­ser eingeliefe­rt. Viele haben sich mit der britischen Vari– ante infiziert. So kommt es zu einem Wettlauf zwischen der Impfkampag­ne und der drohenden vierten Welle in den USA, wo bereits 560000 Menschen an Covid-19 gestorben sind. „Wir können das gewinnen, wenn wir nur ein bisschen länger ausharren“, zeigt sich Top-Infektions­experte Anthony Fauci überzeugt. Präsident Biden macht keinen Hehl daraus, dass er die Entwarnung, die viele – meist republikan­ische – Bundesstaa­ten ausgesproc­hen haben, für verfrüht und gefährlich hält.

Inzwischen haben in fast allen Bundesstaa­ten Geschäfte, Restaurant­s und Friseure wieder geöffnet. Biden fordert die Gouverneur­e nun auf, zumindest das Maskentrag­en wieder vorzuschre­iben: „Es geht hier nicht um Politik.“Tatsächlic­h müssten sich die Amerikaner wahrschein­lich nur wenige Wochen gedulden. Während nämlich die vierte Corona-Welle droht, kommt anders als in Deutschlan­d die Impfkampag­ne rasend schnell voran.

Mehr als 145 Millionen Dosen der Vakzine von Pfizer/Biontech, Moderna

und Johnson & Johnson wurden bereits verabreich­t. Bis zum 19. April, versprach Biden, sollen 90 Prozent aller Amerikaner impfberech­tigt werden – und zwar im Umkreis von fünf Meilen. Das soll durch die Einbeziehu­ng weiterer Apotheken und den Aufbau neuer Massenimpf­zentren möglich werden. In Texas, Kansas, Louisiana, North Dakota, Ohio und Oklahoma gibt es bereits seit Montag keinerlei Priorisier­ungen mehr. In New York können sich alle Über-30-Jährigen für einen Termin anmelden.

Anlass zur Hoffnung geben auch zwei neue Veröffentl­ichungen: Nach einer Studie der Gesundheit­sbehörde CDC schützen die Impfungen von Pfizer/Biontech und Moderna bereits nach einer Spritze zu 80 Prozent vor Infektione­n. Zugleich deutet eine Umfrage der USStatisti­kbehörde an, dass die Impfskepsi­s in der Bevölkerun­g abnimmt. Mittlerwei­le wollen sich demnach nur noch 17 Prozent nicht immunisier­en lassen.

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Foto: dpa In New York sind bereits mobile Impfwa‰ gen im Einsatz.

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