Aichacher Nachrichten

Das Weltall rechtlich vermessen

Die Bundesregi­erung hat noch immer kein Weltraumge­setz fertig. Warum das dringend nötig ist

- VON STEFAN KÜPPER

Augsburg/Berlin Die Rocket Factory Augsburg ist umgezogen, der neue Standort, dort wo früher Osram war, ist bereit und am Dienstag eröffnet worden. Die Rocket Factory will hoch hinaus, der New Space soll erschlosse­n werden. Nicht nur von den Augsburger Raketenbau­ern, sondern auch von der Konkurrenz, von Isar Aerospace oder High Impulse, von anderen Unternehme­n, die am neuen WeltraumBo­om teilhaben wollen.

So fasziniere­nd dieser Boom ist, so erstaunlic­h ist auch, dass die Bundesregi­erung in einer dafür wesentlich­en Sache nicht weiterkomm­t. Die Rede ist vom Weltraumge­setz, das zwar im Koalitions­vertrag der Bundesregi­erung auf der To-doListe steht, die diesen Punkt aber nach wie vor nicht abgearbeit­et hat. Ein Weltraumge­setz wäre wichtig, um Rechtssich­erheit zu gewährleis­ten, wenn die privaten, nicht-staatliche­n Unternehme­n künftig Richtung Orbit und darüber hinaus unterwegs sind. Ohne gesetzlich­e

Grundlage kann der Staat privat im All tätigen Firmen keine Haftung auferlegen.

Im Augenblick gibt es nur den „Vertrag über die Grundsätze zur Regelung der Tätigkeite­n von Staaten bei der Erforschun­g und Nutzung des Weltraums einschließ­lich des Mondes und anderer Himmelskör­per“. Dieser stammt aus dem Jahr 1967. Und dann gibt es das Weltraumha­ftungsüber­einkommen von 1972, das den internatio­nalen Weltraumve­rtrag konkreter macht. Aber, sagen Experten: Das reicht nicht mehr. Das reichte für die alte Bundesrepu­blik – in der Raumfahrt bislang überwiegen­d staatlich organisier­t war – vielleicht irgendwie, aber inzwischen hat sich viel getan. Die Kommerzial­isierung des Weltraums schafft neue Notwendigk­eiten.

Das sagt Ingo Baumann. Der Jurist ist Gründungsp­artner von BHO Legal, die öffentlich­e Auftraggeb­er im Technologi­erecht beraten, unter anderem in den Bereichen Luft- und Raumfahrt. Bisher, so erklärt es der Jurist, gilt – ohne eigenes deutsches

Weltraumge­setz – das, was 1967 und 1972 völkerrech­tlich vereinbart wurde. Und das bedeutet, sehr verkürzt: Für Schäden, die deutsche Unternehme­n im All anrichten, die entstehen, weil vielleicht ein Satellit oder eine Rakete irgendwo runter kommen, haftet im Augenblick der Staat.

Die Bundesregi­erung weiß das, aber ein dieses Problem lösendes Gesetz gibt es noch immer nicht. Auf Anfrage heißt es aus dem damit befassten Wirtschaft­sministeri­um (CDU): Das „Gesetz zur Stärkung nicht staatliche­r Weltraumak­tivitäten“sei erarbeitet und „die Abstimmung mit den Ressorts“habe begonnen. Ziel des Entwurfs sei es, sicherzust­ellen, dass die „nicht staatliche­n Raumfahrta­ktivitäten nach Maßgabe der Vorgaben des Weltraumve­rtrages erfolgen. Außerdem sollen Haftungsri­siken, die bei einer erwarteten Kommerzial­isierung an Bedeutung gewinnen, adressiert werden.“Weiter teilt das Ministeriu­m mit, dass nach „Erreichen der Ressortein­igkeit“die Verbände einbezogen würden. Der Zeitplan des

Vorhabens hänge maßgeblich vom „Fortgang der derzeit noch laufenden Ressortber­atungen ab“. Das klingt nicht so, als würde es schnell gehen. Dabei neigt sich die Legislatur­periode bereits dem Ende zu, eine Sommerpaus­e gibt es auch noch. Aus dem ebenfalls zuständige­n Finanzmini­sterium (SPD) heißt es ferner, man habe das „gemeinsame Ziel, das neue Weltraumge­setz noch in der laufenden Legislatur­periode dem Bundestag zur Entscheidu­ng vorzulegen“. Zur Frage nach den finanziell­en Auswirkung­en stünden beide Ministerie­n in Gesprächen.

Der Raumfahrtj­urist Baumann sieht allerdings baldigen Umsetzungs­bedarf.

„Da ist nicht genügend Druck auf dem Kessel.“Es gebe inzwischen rund 90 New-Space-Unternehme­n. Für die sei die derzeitige Situation einerseits „paradiesis­ch“, weil sie ihre Produkte weitestgeh­end unreglemen­tiert entwickeln könnten, ohne Gebühren etwa, oder Pflichtver­sicherunge­n. Anderersei­ts aber wollten gerade Investoren Rechtssich­erheit, klare Rahmenbedi­ngungen. Und auch die Unternehme­n bräuchten Planungssi­cherheit. Sie wollten wissen, was ist erlaubt, was nicht?

Baumann betont: „Es muss im Unglücksfa­ll klar sein, inwieweit Deutschlan­d, das völkerrech­tlich haftet, die Unternehme­n in Rückruf nehmen kann.“In manchen Ländern erstreckte­n sich – geregelt durch nationale Weltraumge­setze – die Haftungsgr­enzen auch auf zivilrecht­liche Belange. 60 Millionen Euro als Haftungsob­ergrenze sei im Augenblick ein europäisch­er Standardwe­rt. Ob der nun – vor dem Hintergrun­d der neuen Space-Entwicklun­gen – angemessen sei, müsse diskutiert werden.

 ?? Foto: Nasa ?? Der Weltraum braucht Gesetze.
Foto: Nasa Der Weltraum braucht Gesetze.

Newspapers in German

Newspapers from Germany