Wie die Stadt mit bunten Etiketten warb
Geschichte Millionen bunter Bildchen „made in Augsburg“waren einst in Umlauf. Firmen, die Kommune und Sportvereine machten mit farbigen Aufklebern auf sich aufmerksam. Diese gingen teils um die ganze Welt
Im Supermarkt tragen Bananen ein Mini-Etikett. Solche Aufkleber sind keine Erfindung unserer Zeit, sie haben Geschichte. Schon vor über 100 Jahren kam eine Flut von kleinen Aufklebern in den Umlauf. In Augsburg sind sie mit der „Etiketten& Plakatfabrik Augsburg F. Burger“verbunden. Diese Druckerei produzierte ab 1894 am Unteren Graben Etiketten, Vignetten und Werbeaufkleber.
Die Großaufträge kamen von der Industrie. Viele Unternehmen versahen ihre Produkte mit Aufklebern. Hölzerne Garn- und Fadenspulen der Gögginger NähfadenFabrik verließen mit bunten Aufklebern das Werk in Göggingen. Ihre Anzahl ist nicht überliefert. Die „Actiengesellschaft Union, vereinigte Zündholzund Wichse-Fabriken“hinterließ konkrete Zahlen. Ihr Hauptwerk befand sich in Augsburg, und zwar in der Jakobervorstadt. Auf dem Areal stehen heute Wohnblöcke.
Im Jahr 1892 verließen 96 Millionen Zündholzschachteln die Werke von Union. Jedes Schächtelchen trug einen Aufkleber. Die Produktion nahm enorm zu: 1905 wurden 360 Millionen Etiketten benötigt. Union setzte auf die Werbewirksamkeit bunter Sammelbildchen und ließ umfangreiche Serien herstellen. Sie warben für Sicherheitszündhölzer, Bodenwachse und die Schuhcreme „Kavalier“. Viele der 3,6 mal 5,8 Zentimeter großen gezähnten Märkchen sind in Sammlungen erhalten. Union kam mit dieser Art der Werbung in Augsburg eine Vorreiterrolle zu.
Auch der 1891 gegründete Verein zur Hebung des Fremden-Verkehrs (Vorläufer der Regio Augsburg) bediente sich der briefmarkengroßen bunten Aufkleber. Sie wurden als Briefverschluss-Vignetten verbreitet. Die Aufforderung „Besuchet Augsburgs althistorische Sehenswürdigkeiten und hoch entwickelte Industrie“ging auf der Geschäftspost Augsburger Unternehmen in die ganze Welt.
Um 1900 begann die Epoche der Firmen nutzten sie als kleine Blickfänge in auffälligen Farben. Manche Siegel sind von namhaften Grafikern gestaltet. Künstlerisch besonders herausragend ist eine Vignetten-Serie des Augsburger Kaufhauses Landauer. Die Vignetten erschienen zwischen 1910 und 1913.
Zu dieser Zeit ließ die Augsburger Lampenfabrik für ihre neue „Just Wolfram-Lampe“ein fantasievolles Werbemärkchen herstellen. Die Lech-Elektrizitätswerke beauftragten 1913 einen renommierten Münchner Grafiker mit einem Werbeplakat. Das Motiv kam in Miniatur als 5,5 mal 6,5 ZentimeSiegelmarken. ter großer Aufkleber in den massenhaften Umlauf.
Siegelmarken der Schuhfabrik Wessels, der Augsburger Kammgarn-Spinnerei, der Landmaschinenfabrik Epple & Buxbaum und des Eisenwerks Forster sind druckfrisch erhalten. Es gab offenbar bei ihrem Erscheinen bereits Sammler. Zu den Raritäten zählen WerbeMärkchen Augsburger Vereine. Sie wurden in kleinen Auflagen hergestellt und nur kurzzeitig verwendet. Mini-Werbeträger ließ der 1889 gegründete Männer Turn-Verein Augsburg (MTVA) um 1910 von der Etikettenfabrik Augsburg herstellen. Für den 31. Bundestag des Deutschen Radfahrerbundes 1914 in Augsburg warben Aufkleber. Marken zur „Flugspende“1910 und zum „Anemonentag Augsburg Juni 1913“wurden gedruckt.
Eine kleine blaue Siegelmarke der „Markt-Gemeinde Goeggingen i. Bayern“mit einem geprägten Wappen dürfte aus der Zeit um 1910 stammen, ein größerer Aufkleber „Göggingen, Freistaat Bayern Kreis Schwaben“mit buntem Wappen erschien um 1925. Vornehm wirkt eine geprägte weiße Siegelmarke „Betriebsamt Stadt Augsburg“von 1932.
Das Betriebsamt war der Vorläufer der Stadtwerke. Die Stadtwerke ließen Aufkleber mit dem Signet „STAWA“herstellen. Während des Zweiten Weltkriegs verbreiteten die Nationalsozialisten zahlreiche Sammelmarken. „Kohlenklau geht um! Verderbt dem Kohlenklau den Spaß und spart mit Kohle, Strom und Gas!“heißt es auf einer Marke.
In den 1950er- und 1960er-Jahren erschien alljährlich zur Augsburger Frühjahrsausstellung ein Werbeaufkleber. Vom Geschäft mit Marken profitierten ab den 1930erJahren etliche Druckereien. So erfolgreich und produktiv wie die Etikettenund Plakatfabrik Augsburg F. Burger war jedoch keine andere. 1882 hatte sie Ferdinand Burger an der Jesuitengasse gegründet. Die Maschinen wurden dort mit Muskelkraft bewegt. Als 1894 am Stadtbach beim Hauptkrankenhaus Gebäude mit Wasserkraft zum Verkauf standen, übersiedelte Ferdinand Burger an den Unteren Graben. 1930 waren dort rund 150 Frauen und Männer beschäftigt.