Aichacher Nachrichten

Wie die Stadt mit bunten Etiketten warb

Geschichte Millionen bunter Bildchen „made in Augsburg“waren einst in Umlauf. Firmen, die Kommune und Sportverei­ne machten mit farbigen Aufklebern auf sich aufmerksam. Diese gingen teils um die ganze Welt

- VON FRANZ HÄUSSLER

Im Supermarkt tragen Bananen ein Mini-Etikett. Solche Aufkleber sind keine Erfindung unserer Zeit, sie haben Geschichte. Schon vor über 100 Jahren kam eine Flut von kleinen Aufklebern in den Umlauf. In Augsburg sind sie mit der „Etiketten& Plakatfabr­ik Augsburg F. Burger“verbunden. Diese Druckerei produziert­e ab 1894 am Unteren Graben Etiketten, Vignetten und Werbeaufkl­eber.

Die Großaufträ­ge kamen von der Industrie. Viele Unternehme­n versahen ihre Produkte mit Aufklebern. Hölzerne Garn- und Fadenspule­n der Gögginger NähfadenFa­brik verließen mit bunten Aufklebern das Werk in Göggingen. Ihre Anzahl ist nicht überliefer­t. Die „Actiengese­llschaft Union, vereinigte Zündholzun­d Wichse-Fabriken“hinterließ konkrete Zahlen. Ihr Hauptwerk befand sich in Augsburg, und zwar in der Jakobervor­stadt. Auf dem Areal stehen heute Wohnblöcke.

Im Jahr 1892 verließen 96 Millionen Zündholzsc­hachteln die Werke von Union. Jedes Schächtelc­hen trug einen Aufkleber. Die Produktion nahm enorm zu: 1905 wurden 360 Millionen Etiketten benötigt. Union setzte auf die Werbewirks­amkeit bunter Sammelbild­chen und ließ umfangreic­he Serien herstellen. Sie warben für Sicherheit­szündhölze­r, Bodenwachs­e und die Schuhcreme „Kavalier“. Viele der 3,6 mal 5,8 Zentimeter großen gezähnten Märkchen sind in Sammlungen erhalten. Union kam mit dieser Art der Werbung in Augsburg eine Vorreiterr­olle zu.

Auch der 1891 gegründete Verein zur Hebung des Fremden-Verkehrs (Vorläufer der Regio Augsburg) bediente sich der briefmarke­ngroßen bunten Aufkleber. Sie wurden als Briefversc­hluss-Vignetten verbreitet. Die Aufforderu­ng „Besuchet Augsburgs althistori­sche Sehenswürd­igkeiten und hoch entwickelt­e Industrie“ging auf der Geschäftsp­ost Augsburger Unternehme­n in die ganze Welt.

Um 1900 begann die Epoche der Firmen nutzten sie als kleine Blickfänge in auffällige­n Farben. Manche Siegel sind von namhaften Grafikern gestaltet. Künstleris­ch besonders herausrage­nd ist eine Vignetten-Serie des Augsburger Kaufhauses Landauer. Die Vignetten erschienen zwischen 1910 und 1913.

Zu dieser Zeit ließ die Augsburger Lampenfabr­ik für ihre neue „Just Wolfram-Lampe“ein fantasievo­lles Werbemärkc­hen herstellen. Die Lech-Elektrizit­ätswerke beauftragt­en 1913 einen renommiert­en Münchner Grafiker mit einem Werbeplaka­t. Das Motiv kam in Miniatur als 5,5 mal 6,5 ZentimeSie­gelmarken. ter großer Aufkleber in den massenhaft­en Umlauf.

Siegelmark­en der Schuhfabri­k Wessels, der Augsburger Kammgarn-Spinnerei, der Landmaschi­nenfabrik Epple & Buxbaum und des Eisenwerks Forster sind druckfrisc­h erhalten. Es gab offenbar bei ihrem Erscheinen bereits Sammler. Zu den Raritäten zählen WerbeMärkc­hen Augsburger Vereine. Sie wurden in kleinen Auflagen hergestell­t und nur kurzzeitig verwendet. Mini-Werbeträge­r ließ der 1889 gegründete Männer Turn-Verein Augsburg (MTVA) um 1910 von der Etikettenf­abrik Augsburg herstellen. Für den 31. Bundestag des Deutschen Radfahrerb­undes 1914 in Augsburg warben Aufkleber. Marken zur „Flugspende“1910 und zum „Anemonenta­g Augsburg Juni 1913“wurden gedruckt.

Eine kleine blaue Siegelmark­e der „Markt-Gemeinde Goeggingen i. Bayern“mit einem geprägten Wappen dürfte aus der Zeit um 1910 stammen, ein größerer Aufkleber „Göggingen, Freistaat Bayern Kreis Schwaben“mit buntem Wappen erschien um 1925. Vornehm wirkt eine geprägte weiße Siegelmark­e „Betriebsam­t Stadt Augsburg“von 1932.

Das Betriebsam­t war der Vorläufer der Stadtwerke. Die Stadtwerke ließen Aufkleber mit dem Signet „STAWA“herstellen. Während des Zweiten Weltkriegs verbreitet­en die Nationalso­zialisten zahlreiche Sammelmark­en. „Kohlenklau geht um! Verderbt dem Kohlenklau den Spaß und spart mit Kohle, Strom und Gas!“heißt es auf einer Marke.

In den 1950er- und 1960er-Jahren erschien alljährlic­h zur Augsburger Frühjahrsa­usstellung ein Werbeaufkl­eber. Vom Geschäft mit Marken profitiert­en ab den 1930erJahr­en etliche Druckereie­n. So erfolgreic­h und produktiv wie die Etikettenu­nd Plakatfabr­ik Augsburg F. Burger war jedoch keine andere. 1882 hatte sie Ferdinand Burger an der Jesuitenga­sse gegründet. Die Maschinen wurden dort mit Muskelkraf­t bewegt. Als 1894 am Stadtbach beim Hauptkrank­enhaus Gebäude mit Wasserkraf­t zum Verkauf standen, übersiedel­te Ferdinand Burger an den Unteren Graben. 1930 waren dort rund 150 Frauen und Männer beschäftig­t.

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Fotos: Sammlung Häußler „Union Augsburg“hinterließ eine Vielzahl fantasievo­ller Werbemarke­n.
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Vignette des Männer‰Turnverein­s Augs‰ burg (MTVA) um 1910.
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Werbung für die Tagung des Radfahrer‰ bundes im Jahr 1914.
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Werbe‰Aufkleber für Augsburg gingen auf Geschäftsp­ost in alle Welt.

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