Todesraser muss ins Gefängnis
Ein 24-Jähriger hat auf der A9 bei Ingolstadt mit Tempo 230 einen tödlichen Unfall verursacht. Warum seine Verteidiger vor Gericht einen Freispruch forderten
Ingolstadt Erlaubt waren 100. Er fuhr 230 – und verursachte einen Unfall. Er selbst blieb unverletzt, doch der 22-Jährige, in dessen Auto er an diesem Tag im Oktober 2019 auf der A9 bei Ingolstadt krachte, starb. Am Dienstag ist der 24 Jahre alte Raser, der seinen BMW illegal auf 575 PS und ein Maximaltempo von 350 Stundenkilometern aufgemotzt hatte, am Ingolstädter Landgericht zu einer dreieinhalbjährigen Freiheitsstrafe verurteilt worden. Wegen eines verbotenen Kraftfahrzeugrennens mit Todesfolge und vorsätzlicher Straßenverkehrsgefährdung. Aus Sicht des Gerichts ist der Angeklagte ein Auto-Narr, der die Autobahn als „Spielwiese“missbraucht habe.
Vom Vorwurf des Totschlags hat die 1. Strafkammer den Angeklagten freigesprochen. Anders als die Staatsanwaltschaft gingen die Richter nicht von einem Tötungsvorsatz aus. Der Unfall unterscheide sich erheblich von denen, die den RaserUrteilen der letzten Zeit zugrunde lagen: Er hat sich nicht im Stadtbereich mit Kreuzungsverkehr ereignet, sondern auf einer dreispurigen Autobahn. Der Angeklagte habe darauf vertraut, dass es nicht zu einem tödlichen Ausgang kommen werde.
Die Verteidiger hatten Freispruch für ihren Mandanten gefordert. Der Getötete, so ihre Argumentation, hätte den Unfall verhindern können, wenn er nur richtig in den Spiegel geschaut und geblinkt hätte, als er von der mittleren auf die linke Spur wechselte. Im Übrigen schütze die Geschwindigkeitsbeschränkung auf 100 vor nächtlicher Lärmbelästigung und nicht vor Überholmanövern. Dem erteilte das Gericht eine klare Absage: Derjenige, der sich regelgerecht verhält, dürfe darauf vertrauen, dass auch andere dies tun. Damit, dass ein Fahrzeug mehr als doppelt so schnell wie erlaubt angeschossen kommt, habe der Getötete nicht rechnen müssen. Zudem hätten Zeugen ausgesagt, dass das Unfallopfer ordnungsgemäß geblinkt habe. Nach Überzeugung des Gerichts wollte der Angeklagte mit seinem getunten BMW, mit dem er auf öffentlichen Straßen gar nicht hätte fahren dürfen, grob verkehrswidrig und rücksichtslos eine höchstmögliche Geschwindigkeit erreichen, was für ein illegales Kraftfahrzeugrennen bereits ausreicht: Rennen im Sinne von Paragraf 315d des Strafgesetzbuches kann man nämlich auch alleine fahren. Er habe zwar nicht mit Tötungsvorsatz gehandelt, aber mit Gefährdungsvorsatz, indem er „höchstgefährliche Situationen“in Kauf nahm. Der Tod eines anderen Verkehrsteilnehmers sei für den Angeklagten vorhersehbar und bereits dann vermeidbar gewesen, wenn er mit „nur“197 Stundenkilometern gefahren wäre.