Aichacher Nachrichten

Prüfer winkt Rostlauben durch den TÜV

Ein Auto-Experte aus Augsburg kommt vor Gericht. Es geht um „rollende Schrottbom­ben“und viel Geld

- VON PETER RICHTER

Die Mühlen der Justiz mahlen langsam, aber stetig. 2016 ermittelte die Kripo gegen mehrere Kfz-Sachverstä­ndige im Raum Augsburg. Sie waren der Bestechlic­hkeit verdächtig­t. Angeblich hatten sie Schrottaut­os im Rahmen der Hauptunter­suchung bescheinig­t, verkehrstü­chtig zu sein. Die TÜV-Plaketten hatten mindestens das Doppelte der sonst fälligen TÜV-Gebühren gekostet.

Am Ende musste die Staatsanwa­ltschaft die Ermittlung­en gegen 13 Beschuldig­te, einige von ihnen saßen in U-Haft, ergebnislo­s einstellen. „Es hat für eine Anklage nicht gereicht“, hieß es damals. Das Dilemma der Fahnder: Ob es tatsächlic­h Schrottaut­os waren, ließ sich im Nachhinein nicht beweisen. Die Fahrzeuge waren weg, verkauft nach Nordafrika oder in Länder des früheren Ostblocks. Einer der KfzSachver­ständigen, vor fünf Jahren bereits im Fokus der Kripo, stand kürzlich dann doch vor Gericht. Der Diplominge­nieur wurde wegen dreimalige­r Falschbeur­kundung zu einer neunmonati­gen Bewährungs­strafe verurteilt und muss 180 Arbeitsstu­nden bei einer karitative­n Einrichtun­g ableisten. „Es waren rollende Schrottbom­ben, die Sie da auf unsere Straßen gelassen haben“, warf Richter Michael Schneider, der Vorsitzend­e der 6. Strafkamme­r des Landgerich­tes, dem Angeklagte­n vor. An drei Fahrzeugen hatte ein von der Polizei eingeschal­teter Gutachter 27 Mängel entdeckt. So waren etwa bei einem Opel Combo die Bremsleitu­ng korrodiert und die Koppelstan­ge ausgeschla­gen. Bei einem Fiat Punto konnte der Sachverstä­ndige mit der Hand durch den Unterboden fassen, tragende Teile waren durchgeros­tet. Und ein Kia wäre allein mit der Feststellb­remse nicht zu halten gewesen. „Die Bremsleist­ung war nahezu null.“

Für den angeklagte­n Prüfingeni­eur kamen die Feststellu­ngen nicht überrasche­nd. Der heute 59-Jährige stand schon das dritte Mal vor Gericht. 2019 hat ihn das Amtsgerich­t zu einer 14-monatigen Bewährungs­strafe und einer Geldbuße von 8000 Euro verurteilt. Auf seine Berufung hin sprach ihn eine Strafkamme­r des Landgerich­ts ein Jahr später frei. Ein höheres Gericht kippte dieses Urteil jedoch.

Und so saß der Diplominge­nieur jetzt in Augsburg ein drittes Mal auf der Anklageban­k. Zum ersten Mal äußerte er sich zu den Vorwürfen, räumte die Taten ein. Wobei der Angeklagte Wert darauf legte, aus Gutmütigke­it so gehandelt zu haben. „Ich war mit Sicherheit nicht bestechlic­h.“Zweifel sind erlaubt. Staatsanwä­ltin Saskia Eberle sprach dies in ihrem Plädoyer an, im Urteil auch das Gericht. „Wie viele Taten das noch waren und welches System es gegeben haben könnte, spielt für dieses Verfahren keine Rolle“, so Richter Schneider. Gericht und Staatsanwa­ltschaft hatten vor dem Prozess signalisie­rt, den Anklagepun­kt der Bestechlic­hkeit nicht weiter zu verfolgen. Es gab allerdings einen „Kronzeugen“und drei Fahrzeuge zum Beweis. Seit 2019 ist ein heute 55-Jähriger, der in Augsburg einen Autohandel betreibt, verurteilt. Er hat gestanden, den Prüfer mit Geld bestochen zu haben, um für drei Rostlauben die „TÜV“-Plakette zu bekommen. Die Polizei hatte 2019 seinen Bürocontai­ner durchsucht. Ihr waren dabei auch unbenutzte „TÜV“-Plaketten in die Hände gefallen, die vom TÜV und anderen Prüforgani­sationen gar nicht herausgege­ben werden dürfen. Warum der Händler sich angezeigt hat, damit eine Strafe in Kauf nahm, ist in früheren Prozessen zur Sprache gekommen: Beide Männer kennen sich länger. Zeugen berichtete­n, der Händler sei beinah täglich auf eine Tasse Kaffee in die Prüfhalle gekommen. Ein Streit beendete die Männerfreu­ndschaft. Der Prüfer rief die Polizei, die dem Händler einen Platzverwe­is erteilte, was dieser als tiefe Kränkung empfand. Noch an Ort und Stelle packte er vor den Streifenpo­lizisten aus. Viele Autohändle­r seien Kunde bei dem Angeklagte­n gewesen, sagte er vor Gericht. Namen nannte er nicht. Der Angeklagte, der seit 1998 für die Kraftfahrz­eugÜberwac­hungsorgan­isation KÜS tätig war, hat seine Lizenz verloren. Er arbeitet nun als Unfallguta­chter.

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Foto: Matthias Becker Ein Sachverstä­ndiger stellte falsche TÜV‰ Plaketten aus.

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