Aichacher Nachrichten

Premiere für neuen Freiwillig­en‰Wehrdienst

„Heimatschu­tz“heißt das neue Angebot der Streitkräf­te. Kritiker sehen darin ein Programm zur Personalbe­schaffung für die Truppe. Im fränkische­n Volkach sind nun die ersten Rekruten eingerückt

- VON BARBARA HERRMANN UND HANNS STRECKER

Volkach „Wartestell­ung, Einsatzste­llung, Kontaktste­llung, klar zum Gefecht“, brüllt der Ausbilder durch die Corona-Maske. 90 neue Bundeswehr-Rekruten der Kaserne in Volkach (Landkreis Kitzingen) haben ihren Dienst angetreten. Das Besondere daran: Über zwei Drittel von ihnen nehmen am neuen Ausbildung­sprogramm der Bundeswehr teil, dem Freiwillig­en-Wehrdienst im Heimatschu­tz.

Diesen hatte Verteidigu­ngsministe­rin Annegret Kramp-Karrenbaue­r (CDU) am 6. April vorgestell­t. Der Slogan zu dem neuen Angebot lautet „Dein Jahr für Deutschlan­d“. Und das scheint gut anzukommen: Rund 9000 Interessen­ten gab es für die Ausbildung bundesweit, 1000 pro Jahr will die Bundeswehr in das Pilotproje­kt aufnehmen, das mit 320 Rekruten gestartet ist. Nun soll die Öffentlich­keit erfahren, was es damit genau auf sich hat. Darum der Medientag am Donnerstag in der Kaserne Volkach. Zwischen den Übungsplät­zen laufen Journalist­en über die Gänseblümc­hen, beobachten das Zerlegen der Waffe, fragen die neuen Heimatschu­tz-Soldaten nach ihrer Motivation. Timons Antwort ist eindeutig: „Die Kameradsch­aft macht’s!“Sein Weg nach dem Abitur führte direkt zur Bundeswehr, das Konzept „Heimatschu­tz“mit der Ausbildung von sieben Monaten in Heimatnähe kam für ihn gerade richtig. Anschließe­nd stehen die Soldaten sechs Jahre lang als Reserviste­n zur Verfügung, für Krisenund Katastroph­eneinsätze im Inland. Für Timon aus Regensburg heißt das: Er muss nicht zu weit weg vom geliebten Zuhause und kann „erst mal schauen, wie’s läuft“. Der 19-Jährige schließt nicht aus, dass er später doch länger bei der Bundeswehr bleibt. „Derzeit fühle ich mich pudelwohl hier, definitiv.“

Der „Heimatschu­tz“als neuer Freiwillli­gendienst, der doch nur der Personalbe­schaffung für die Bundeswehr dient? Das verneint General Thomas Hambach auf Nachfrage in Volkach. Er ist der Chef des neuen Heimatschu­tzes in Bayern und Ansprechpa­rtner der Bayerische­n Staatsregi­erung in punkto Amtshilfe wie in Altenheime­n oder Gesundheit­sämtern während der Corona-Pandemie. Er freue sich, dass das Modell so gut angenommen werde, es diene aber nicht der Personalge­winnung.

Genau diese Gefahr sieht hingegen Felix Wallström, Geschäftsf­ührer des Bayerische­n Roten Kreuzes (BRK) im benachbart­en Kitzingen. Er nennt das neue Angebot der Bundeswehr eine „Mogelpacku­ng“, die unter dem Deckmantel eines Freiwillig­endienstes laufe. „In Wirklichke­it ist es eine Personalbe­schaffung der Bundeswehr“, erneuert er die Kritik der Wohlfahrts­verbände. Diese hatten bereits bei der Vorstellun­g auf die Konkurrenz zu Angeboten wie dem Freiwillig­en Sozialen Jahr hingewiese­n. Auch Margit Berndl, Vorstand des Paritätisc­hen

Wohlfahrts­verbands in Bayern, hatte per Pressemitt­eilung die Unterschie­de beim Gehalt und Vergünstig­ungen wie kostenlose Bahnticket­s für die Bundeswehr-Rekruten angeprange­rt. „Der neue Freiwillie­ndienst der Bundeswehr zeigt einmal mehr, dass soziale Tätigkeite­n in unserer Gesellscha­ft weniger wert sind.“

General Hambach sieht ein solches „Spannungsf­eld“nicht. Für ihn gehört zur Aufgabe der Bundeswehr, „zu verteidige­n, was wir als Heimat verstehen“. Dazu passt, dass die Heimatschu­tz-Rekruten genau gleiche Grundausbi­ldung erhalten wie ihre Kameraden des Freiwillig­enWehrdien­stes. Diese sei im Wortsinn „uniform“, also bei allen gleich, sagt Volkachs Kommandeur, Oberstleut­nant Holm Schreiter.

Der Jüngste in der Truppe ist der 17-jährige Manuel aus Augsburg. Nach seiner Mittleren Reife war das neue Programm „Heimatschu­tz“genau das, was er gesucht hatte: „Neues erleben, Neues erfahren und neue Freundscha­ften schließen.“Er fügt hinzu: „Man kann der Gesellscha­ft was zurückgebe­n, wenn man einen Einsatz hat.“Und liefert den Journalist­en am Ende des Rundgangs in Volkach gleich noch eine Geschichte, die seinem Ausbilder, Kompaniech­ef Johannes Slawik, gefällt. Denn Manuel erzählt, er habe er bei der Bundeswehr sogar schon „Haushalt gelernt“: Nun könne er Löcher stopfen und Knöpfe annähen. Beigebrach­t hat das ihm die „Truppen-Mama“, wie eine 50-jährige angehende Soldatin von den Jüngeren genannt wird. Dies sei zwar kein offizielle­r Teil der Ausbildung, so Slawik, aber es zeigt für ihn die positive Gruppendyn­amik in der Soldatenge­meinschaft.

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Foto: Thomas Obermeier Zwei Drittel der Rekruten werden im neuen Bereich „Heimatschu­tz“ausgebil‰ det.

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