Aichacher Nachrichten

Knack den „Scholzomat“

Im Skandal um den Finanzdien­stleister Wirecard war Bundesfina­nzminister Olaf Scholz als Zeuge geladen. Der SPD-Kanzlerkan­didat hatte Erinnerung­slücken und wies jede Verantwort­ung von sich

- VON STEFAN LANGE

Berlin Bevor sich der Wirecard-Untersuchu­ngsausschu­ss der mit Spannung erwarteten Befragung von Finanzmini­ster Olaf Scholz zuwenden konnte, dämpfte Hans Michelbach alle Hoffnungen. Er erwarte sich, sagte der langgedien­te CSU-Finanzexpe­rte und stellvertr­etende Ausschussv­orsitzende, vom SPD-Politiker Scholz keine Aufklärung. Der Minister werde versuchen, sich in bekannter „Scholzomat“-Manier durchzusch­lagen, sagte Michelbach mit Blick auf den Spottnamen, der dem Minister wegen seiner manchmal hölzernen Art verpasst wurde. In der Tat konnte Scholz wenig Erhellende­s zur Aufklärung der Pleite des Finanzdien­stleisters beitragen, die rund 22 Milliarden Euro an Aktienverm­ögen vernichtet­e. Lehrreich war sein mehrstündi­ger, phasenweis­e absurd anmutender Auftritt vor dem Untersuchu­ngsausschu­ss allemal.

Union, FDP, Linke und Grüne erwarten, dass Scholz die politische Verantwort­ung für den WirecardSk­andal übernimmt. Sein Ministeriu­m ist zuständig für die Finanzaufs­icht BaFin, der wiederum schwere Fehler vorgeworfe­n werden. BaFinChef Felix Hufeld und Vizepräsi

Elisabeth Roegele mussten gehen, Scholz will die BaFin reformiere­n. Dem Koalitions­partner und der Opposition jedoch reicht das so nicht, sie wollten im Ausschuss den Versuch unternehme­n, den „Scholzomat“zu knacken.

Was aber schon deshalb schwierig war, weil Scholz im kreisrunde­n Sitzungssa­al sehr leise redete und phasenweis­e schwer zu verstehen war. „Können Sie etwas lauter sprechen bitte“, forderte Unions-Obmann Matthias Hauer (CDU) freundlich und fing sich eine patzige Antwort des Ministers ein: „Ich kann so laut sprechen, wie ich spreche.“

Scholz wies erwartungs­gemäß jede Verantwort­ung zurück. Bei Wirecard sei über Jahre hinweg „offensicht­lich mit hoher kriminelle­r Energie“gehandelt worden, meinte der SPD-Kanzlerkan­didat. Die Wirtschaft­sprüfungsg­esellschaf­t habe keine Unregelmäß­igkeiten erkannt, sagte Scholz und wies gleichzeit­ig Vorwürfe zurück, die Finanzaufs­icht BaFin oder auch sein Ministeriu­m hätten ihre schützende Hand über das Unternehme­n gehalten.

„Tragen Sie persönlich Verantwort­ung dafür, dass dieser Skandal nicht früher aufgefalle­n ist?“, wollte Hauer stellvertr­etend für viele Ausdentin schussmitg­lieder und die zahlreich vertretend­en Journalist­en wissen. Des Ministers Antwort fiel karg aus: „Nein.“

Erinnerung­slücken hatte Scholz, wenn es um konkrete Nachfragen ging. Zum Beispiel solche zu seinem Staatssekr­etär Jörg Kukies. Der war schon vom Ausschuss gegrillt worden und hat bereits eingestand­en, von dem im Februar 2019 erlassenen Leerverkau­fsverbot für Wirecard-Aktien gewusst zu haben.

Das Leerverkau­fsverbot, ein schwerer Markteingr­iff, ist eines der Hauptkapit­el in dem Skandal. Scholz allerdings ließ alle kritischen Nachfragen dazu abprallen und verwies immer wieder auf die Verantwort­ung der Wirtschaft­sprüfer. Wann er sich mit Kukies das erste Mal über Wirecard unterhalte­n habe? „Ich kann mich nicht konkret dran erinnern.“Wie oft er bis zur Insolvenz des Finanzdien­stleisters mit Kukies über Wirecard gesprochen habe? Auch daran habe er, sagte Scholz, „keine Erinnerung“.

Ein Untersuchu­ngsausschu­ss hat ähnliche Befugnisse wie eine Strafbehör­de, er kann auch auf E-Mails zurückgrei­fen. Bei Scholz allerdings gestaltete sich das offenbar schwierig. Ob er alle für die Aufklärung wichtigen Mails vorgelegt habe?

Seines Wissens ja, erklärte Scholz. Auf Vorhalt von Unions-Obmann Hauer musste er dann einräumen, Mails von seinem privaten Account an Kanzleramt­schef Helge Braun geschickt zu haben. „Mit Herrn Braun, das will ich Ihnen gerne zugeben, tausche ich mich im Wesentlich­en über meine persönlich­e Mailadress­e aus.“

FDP-Obmann Florian Toncar wollte nun wissen, welche Regeln für Mailaccoun­ts es gebe. „Ich denke da immer an Hillary Clinton“, witzelte Toncar, doch ihm war klar, wie ernst die Sache ist. Denn immer wieder benutzen Politiker auch in Deutschlan­d private Mailaccoun­ts oder Mobiltelef­one, um Dienstlich­es zu versenden. Was den Verdacht weckt, sie könnten Dinge verheimlic­hen wollen. Ex-Verteidigu­ngsministe­rin Ursula von der Leyen und Verkehrsmi­nister Andreas Scheuer etwa mussten sich das vorhalten lassen. Scholz’ Begründung wusste zu verblüffen. Er nutze seinen privaten Account, „weil der einfacher ist als der dienstlich­e“.

Am Freitag ist Kanzlerin Angela Merkel als Zeugin im Untersuchu­ngsausschu­ss geladen. Dabei wird es vor allem um eine Chinareise gehen, bei der im September 2019 auch Wirecard ein Thema war.

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Foto: Michele Tantussi, dpa Sieht keine persönlich­e Verantwort­ung: Olaf Scholz.

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