CoronaImpfung: Hausärzte teils schon am Limit
Viele Patienten hoffen auf die Spritze beim Hausarzt. Doch zahlreiche Praxen stoßen bei den Anfragen bereits an ihre Kapazitätsgrenzen. Für Menschen ab 60 Jahren plant der Landkreis am Sonntag eine Sonderimpfaktion
AichachFriedberg Seit drei Wochen impfen im Landkreis AichachFriedberg nicht mehr ausschließlich die Impfzentren und die mobilen Teams gegen Corona, sondern auch die Hausärzte. Doch schon jetzt stoßen viele Praxen an ihre Kapazitätsgrenze. Warum das so ist und was das für Patienten bedeutet, darum ging es am Mittwoch bei der wöchentlichen Corona-Pressekonferenz – ebenso wie um eine Sonderimpfaktion für Landkreisbewohner ab 60 Jahren am nächsten Sonntag.
Dr. Andreas Ullmann schilderte, vor welche Herausforderungen die Corona-Impfungen viele Arztpraxen stellten. Ullmann ist Geschäftsführer des Zentrums für Allgemeinmedizin in Aichach und als ärztlicher Koordinator eine Art Bindeglied zwischen Landkreis und niedergelassenen Ärzten. Er berichtete von einer Umfrage unter 35 hausärztlich tätigen Praxen im Landkreis. Drei Viertel hätten auf die Umfrage geantwortet: Alle von ihnen bieten Corona-Impfungen an – ebenso wie einige Facharztpraxen.
„Mehr als ein Drittel der Hausarztpraxen sind jetzt schon an der Kapazitätsgrenze“, so Ullmann. Das
Personal sei am Anschlag, die Praxen voll – nicht nur mit Covid-Patienten, sondern vor allem mit Patienten mit anderen Erkrankungen. Zudem hätten die Praxen immer wieder Personalausfälle zu verkraften, weil Mitarbeiter vorsorglich in Quarantäne geschickt werden müssten.
Was die Arbeit der Hausärzte gewaltig erschwere, seien die nicht planbaren Impfstofflieferungen, so Ullmann. Bis Dienstagmittag müssten niedergelassene Ärzte den Impfstoff bestellen. Maximal 36 Impfdosen Biontech und 50 Impfdosen AstraZeneca dürften sie jeweils ordern. Oft erhielten sie deutlich weniger. Lediglich 18 Impfdosen Biontech und zehn Dosen AstraZeneca seien ihnen sicher. Wie viel sie bekommen, erfahren sie donnerstags. Dann verständigen die Praxen die Patienten auf ihren Wartelisten. „Für 100 Termine telefonieren Sie 300 Leute ab“, so Ullmann. Teils seien die Menschen nicht kurzfristig erreichbar, teils könne sie auf die Schnelle niemand zur Praxis fahren.
Die Impfung selbst sei kein Problem, so Ullmann. Doch die Dokumentation sei immens aufwendig: „Sie müssen ewig viele Formulare ausfüllen.“Hinzu komme die zeitintensive Aufklärung, besonders bei
AstraZeneca. Hier sei die Akzeptanz bei den Patienten „enorm gesunken“. Da die Patienten nach der Impfung noch bis zu einer halben Stunde überwacht werden müssen und demzufolge nur gestaffelt einbestellt werden können, fahren einige Praxen Extraschichten oder sperren halbe Tage zu, um die Impfungen zu bewältigen. Ullmann machte deutlich: Viel Luft nach oben ist in vielen Praxen jetzt schon nicht mehr, obwohl sie zum Teil gar nicht die maximale Bestellmenge ausreizen. Lediglich sechs oder sieben, zumeist größere, Praxen könnten sehr viel mehr impfen als jetzt. „Dort hakt’s daran, dass sie nicht mehr Impfstoff kriegen“, so der ärztliche Koordinator. Dass weniger überlastete Praxen anteilig mehr Impfstoff bestellen, sei nicht zulässig.
Landrat Klaus Metzger hat sich in einem Schreiben an das bayerische Gesundheitsministerium gewandt. Ziel sei, den Hausärzten die Arbeit zu vereinfachen. Der Landkreis arbeite daran, ihnen die Terminvereinbarung zu erleichtern und möglicherweise ans Landratsamt auszulagern. Metzger und Ullmann ließen durchblicken, dass die Impfzentren im Landkreis wohl noch länger gebraucht werden. Bislang ist eine
Laufzeit bis Ende Juni vorgesehen. Wie weiter verfahren werden soll, steht bayernweit noch nicht fest. Metzger sagte, er halte nichts davon, die Impfzentren zuzusperren. Angesichts einer eventuell nötigen dritten Corona-Impfung „weiß ich nicht, wie das ohne zentrale Einrichtung, die in der Menge impfen kann, funktionieren soll“.
Auch Ullmann unterstrich: „Beide Stränge sind absolut notwendig.“Die Impfzentren und die Hausärzte erreichten eine unterschiedliche Klientel. Viele immobile Patienten hätten sich gar nicht in den Impfzentren angemeldet, sondern auf die Hausärzte gewartet. Aber die Hausärzte müssten weiter die Behandlung kranker Patienten stemmen. Inzwischen erreichen die Praxen dem Mediziner zufolge immer mehr Anfragen von Menschen, die im Sommer in den Urlaub fahren wollen und deshalb baldmöglichst geimpft werden möchten. Ullmann: „Das ist nicht zu leisten.“
Für Menschen ab 60 Jahren organisieren der Landkreis und die Betreiberfirma Vitolus am Sonntag, 2. Mai, von 10 bis 18 Uhr eine gesonderte Impfaktion im Impfzentrum in der Kissinger Paartalhalle. Eine Anmeldung ist unbedingt nötig und nur im Internet möglich. Ab diesem Donnerstag um 9 Uhr wird das Online-Anmeldeportal unter www.vitolus.de/aichach freigeschalten. Bei der Aktion wird Impfstoff von AstraZeneca verimpft, der für Zweitimpfungen von unter 60-Jährigen geliefert worden war. Da die Ständige Impfkommission dieser Personengruppe zu einer Zweitimpfung mit einem mRNA-Impfstoff – wie von Biontech oder Moderna– rate, sei in den Impfzentren mehr AstraZeneca vorhanden, als für Zweitimpfungen von Menschen über 60 benötigt werde, so Metzger.
Daher erhalten am Sonntag 470 Menschen ab 60 Jahren eine Erstimpfung mit AstraZeneca. Gebuchte Termine für die Sonderimpfaktion können nicht auf andere Tage verschoben werden. Personalausweis und, falls vorhanden, Impfpass sind mitzubringen.
Insgesamt erreichen den Landkreis diese Woche rund 2900 Impfdosen. Davon werden 1600 Dosen als Erstimpfungen verabreicht. Das teilte Sebastian Koch, organisatorischer Leiter der Impfzentren, mit. Nächste Woche erwartet der Landkreis 3500 Impfdosen. Der Großteil davon soll für anstehende Zweitimpfungen verwendet werden.
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