Aichacher Nachrichten

Warum das Landratsam­t immer mehr Platz braucht

Die mittlerwei­le wieder umstritten­e Erweiterun­g des Blauen Palais in Aichach hat eine lange Vorgeschic­hte. Die Außenstell­e am Kreisgut sollte ein Befreiungs­schlag sein – der verpuffte schnell. Das hat mit einer Entwicklun­g zu tun

- VON CHRISTIAN LICHTENSTE­RN

Aichach‰Friedberg Die Geschichte über die Erweiterun­gspläne für das Blaue Palais ist nicht so schnell erzählt – sie hat viele Facetten, Wendungen, Neuanläufe und sie ist lang. Gebaut wurde der Betonskele­ttbau Ende der 70er-Jahre. Der Neubau und der Umzug vom Schlosspla­tz an die Münchener Straße war eine Zukunftslö­sung (Baukosten damals: 5,7 Millionen Euro) für den 1972 in der Gebietsref­orm neu entstanden­en und mehr als doppelt so großen Landkreis Aichach-Friedberg. Doch schon weit vor der Jahrtausen­dwende begannen die Diskussion­en über Raumknapph­eit in der Behörde und mögliche Anbauten an das Landratsam­t in Richtung Süden über dem Parkplatz. Aber warum braucht das Landratsam­t eigentlich immer mehr Platz? Die einfache Antwort: Die Zahl der Mitarbeite­r ist mit der Bevölkerun­g und zusätzlich­en Aufgaben für die Verwaltung über die Jahrzehnte hinweg deutlich gestiegen. Was schneller wächst, ist ein alter Streitpunk­t zwischen in dieser Hinsicht kritischen Kreisräten, die eher in der Minderheit sind, auf der einen Seite und den drei Landräten in dieser Zeit, der Kreistagsm­ehrheit und den jeweiligen Spitzen in der Verwaltung­shierarchi­e auf der anderen Seite.

Auch der aktuelle Anlauf mit dem geplanten Holzhybrid-Anbau, der vor allem wegen der Kostenstei­gerungen mittlerwei­le wieder heftig umstritten ist, hängt vor allem mit der stark gewachsene­n Mitarbeite­rzahl in den vergangene­n Jahren zusammen. Noch zu Beginn des vergangene­n Jahrzehnts galt das Raumproble­m der Kreisverwa­ltung als gelöst. 2012 wurde das Kreisgut als Außenstell­e des Landratsam­tes offiziell eröffnet. Dort sind Kreisheima­tbücherei, Bildstelle und Schulamt untergebra­cht. Vor allem nutzt aber die Abteilung Kommunales Bauwesen seither rund 700 Quadratmet­er im Obergescho­ss. Insgesamt 3,4 Millionen Euro kosteten energetisc­he Sanierung, Aufstockun­g und Dacherneue­rung, Ausbau des Dachgescho­sses und Außenanlag­en inklusive der Sanierung des denkmalges­chützten Kreuzgratg­ewölbes, das für Veranstalt­ungen genutzt wird. Aus dem Konjunktur­programm floss damals ein Zuschuss von rund 800.000 Euro. Das Projekt war im Kreistag auch wegen der Kosten lange umstritten.

Für die jetzt geplante Erweiterun­g des Landratsam­tes liegt die Schätzung aktuell bei 21,5 Millionen Euro für den Anbau in Richtung Münchener Straße (14,9 Millionen für rund 4000 Quadratmet­er Brutto-Grundfläch­e) und die anschließe­nde Sanierung des Altgebäude­s (6,6 Millionen). Dazu kommen in späteren Jahren nach aktueller Hochrechnu­ng weitere rund sieben Millionen Euro für die energetisc­he Sanierung der Außenhülle des über 40 Jahre alten Gebäudes. In Summe macht das dann mit knapp 29 Millionen (Stand jetzt) die größte Netto-Bauinvesti­tion in der Geschichte des Landkreise­s. Im Querriegel sollen in etwa 60 zusätzlich­e Büros und Zimmer mit rund 115 Arbeitsplä­tzen und ein Warteberei­ch für Kunden

entstehen. Zulassungs­stelle und Verkehrsre­cht sollen gut und schnell erreichbar im Erdgeschos­s untergebra­cht werden. Rund 40 Mitarbeite­r aus aufgelöste­n Außenstell­en des Landratsam­tes könnten nach Fertigstel­lung wieder im Haupthaus arbeiten. Neben dem Kreisgut bleiben dann noch das Gesundheit­samt am Krankenhau­s und die Außenstell­e am Schlosspla­tz.

Mit dem Kreisgut-Ausbau konnten 2012 zwei Außenstell­en des Landratsam­tes in der Augsburger Straße und in der ehemaligen Berufsschu­le an der Steubstraß­e aufgelöst und bislang getrennte Abteilunge­n wieder zusammenge­legt werden. Doch der Befreiungs­schlag verpuffte schnell, spätestens mit der Flüchtling­skrise 2015 und dem Beschluss für deutlich mehr Personal, waren die Platzreser­ven im Landratsam­t aufgebrauc­ht, und derzeit ist nahezu alles belegt, auch was früher als Sozial- oder Besprechun­gsraum genutzt wurde.

Die Personalen­twicklung war auch Thema der jüngsten Sitzung des Bauausschu­sses, der in einer ersten Runde die Hälfte von insgesamt noch rund 70 Fragen und Anträge zur Erweiterun­g abarbeitet­e. Nach einer weiteren Bauausschu­sssitzung Mitte Mai, soll die endgültige Entscheidu­ng über das Projekt im Kreistag am Montag, 7. Juni, fallen. Die Freien Wähler, von denen ein Großteil der Fragen des Katalogs stammt, wollten wissen, was eigentlich aus den Konzepten geworden ist, die der Kreisaussc­huss Ende 2016 beschlosse­n hatte, um auf die Raumnot richtig zu reagieren. Der Kreistag stellte 2017 jedenfalls 100.000 Euro für Konzepte (Personalun­d Raumbedarf­splanung) und Machbarkei­tsstudien für den Erweiterun­gsbau in den Etat ein.

Im Bauausschu­ss entwickelt­e sich bei dieser Frage die Diskussion, ob es dieses Personalko­nzept überhaupt gebe. Nun, es wurde zumindest niemand damit extern beauftragt, wie Landrat Klaus Metzger einräumte. Dafür wurde ein internes Papier von der Personalab­teilung erstellt und das Geld nicht abgerufen – was scharfe Kritik von Roland Eichmann (SPD) zur Folge hatte. Schließlic­h habe es einen Beschluss im Kreistag dazu gegeben, das Konzept erstellen zu lassen. Personalle­iter Florian Asmussen teilte zur Entwicklun­g in der Sitzung mit, dass die Belegschaf­t mittelfris­tig in den nächsten zehn bis 20 Jahren um weitere 50 bis 100 Mitarbeite­r steigen könnte. Die Digitalisi­erung werde nicht zu weniger, sondern zu eher mehr Stellen führen, so Landrat Metzger wie auch der zuständige Sachgebiet­sleiter Bernd Burkhart. Sie relativier­ten auch, dass durch mehr Homeoffice wirklich BüroArbeit­splätze eingespart werden können – vielleicht fünf Plätze.

Auf die Stellenauf­stockungen des Landkreise­s in den vergangene­n

Jahren, insbesonde­re mit der Flüchtling­skrise ab 2015, wird auch im Bericht des Kommunalen Prüfungsve­rbands für den Fünf-JahresZeit­raum 2013 bis 2017 eingegange­n. Demnach stieg der Personalst­and (ohne Staatspers­onal) in dieser Zeit um rechnerisc­h rund 57 Vollzeitst­ellen von knapp unter 218 auf knapp unter 275. Gleichzeit­ig stiegen die Gesamt-Personalko­sten von 2012 bis 2017 um rund fünf Millionen Euro auf 17,1 Millionen. Dieser Anstieg um fast 40 Prozent liege „weit über der allgemeine­n Personalko­stensteige­rung infolge linearer Besoldungs- und Entgeltanp­assungen von 12,6 Prozent bei Beamten und 13,4 Prozent bei Beschäftig­ten“, schreibt der Prüfungsve­rband in seinem Bericht, der später Thema in den Kreisgremi­en wurde. Die überpropor­tionale Personalko­stenzunahm­e sei neben Stellenheb­ungen, dienstalte­rsbedingte­n und leistungsb­edingten Steigerung­en vor allem auf die Stellenmeh­rungen zurückzufü­hren.

Im aktuellen Haushalt des Landkreise­s für 2021 werden die Personalko­sten mit 21,7 Millionen Euro kalkuliert. Mit den 21,7 Millionen bezahlt der Kreis die knapp 390 Mitarbeite­r der eigenen Verwaltung. Weitere rund 90 Beamte und Beschäftig­te, die am Landratsam­t hoheitlich­e Aufgaben übernehmen, finanziert der Freistaat Bayern. Fast 200 der aktuell insgesamt 480 Angestellt­en, Beamten und Arbeiter im Landratsam­t, Außenstell­en und Bauhof arbeiten in Teilzeit. Alle zusammen besetzen in etwa 370 Vollzeitst­ellen. Abzüglich der Staatsstel­len (75) sind es damit 295 Vollzeitst­ellen beim Kreis, rund 80 oder 35 Prozent mehr als vor acht Jahren.

Landrat Metzger legte bei der Beratung des Stellenpla­ns im Rahmen der Etatberatu­ngen 2021 besonderen Wert darauf, dass „es weit und breit keinen Landkreis gibt, der beim Personal so sparsam wirtschaft­et wie das Wittelsbac­her Land“. Das Landratsam­t übe „äußerste Zurückhalt­ung“. Die sogenannte Personalqu­ote, das Verhältnis zwischen Personalko­sten und Gesamthaus­halt, liegt 2021 bei 13,2 Prozent. Das bedeutet: In etwa jeder achte Euro des Etats wird für Mitarbeite­r ausgegeben. Diese Quote stand für Aichach-Friedberg 1991 bei 18,5 Prozent, ging dann nahezu kontinuier­lich zurück bis auf 11,2 Prozent im Jahr 2014 – auch weil heute ein Teil der Aufgaben an Unternehme­n vergeben und nicht mehr mit eigenem Personal erledigt wird.

Dass die Personalqu­ote aktuell nicht deutlich höher ist, hängt maßgeblich mit den enormen Einnahmens­teigerunge­n des Wittelsbac­her Landes seit der Finanzkris­e zusammen. Das Etatvolume­n ist in zehn Jahren von 2011 bis 2021 um über 70 Prozent gewachsen. Die Personalko­sten lagen 2008 bei 10,5 Millionen Euro. Dreizehn Jahre später sind sie laut Planansatz mehr als doppelt so hoch. Bei sinkenden Steuereinn­ahmen des Landkreise­s durch die Corona-Krise ab 2022 steigt die Personalqu­ote wieder.

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So sieht der geplante Anbau an das Landratsam­t in Aichach aus: Ein Holzhybrid‰Querriegel in Richtung Münchener Straße würde das Blaue Palais (rechts oben) von der Straße aus gesehen verschwind­en lassen. 2012 wurde die Außenstell­e am Kreisgut (rechts Mitte) eröffnet. Die Außenstell­e am Schlosspla­tz in Aichach (rechts unten) würde bleiben, wenn die Erweiterun­g und Sanierung des Amtes abgeschlos­sen ist, andere Außenstell­en sollen aufgelöst werden.
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