Wie die Menschen der Natur schaden
Spaziergang statt Kinobesuch, Radtour statt Konzert. Für viele ist die Bewegung an der frischen Luft eine der wenigen Freizeitbeschäftigungen, die trotz Corona möglich ist. Allerdings hat das Folgen für die Natur im Landkreis
Wegen Corona zieht es die Menschen immer mehr ins Freie. Doch darunter leidet mitunter die Umwelt.
Aichach/Rehling/Hollenbach In der Corona-Pandemie hat sich einiges verändert. Viele Menschen müssen momentan nicht nur von zuhause aus arbeiten, auch in der Freizeit hat manch einer ein neues Hobby für sich entdeckt: Spazierengehen. Im Wittelsbacher Land sind seit Beginn der Krise und der Kontaktbeschränkungen immer mehr Menschen in der Natur unterwegs. Das sorgt in einigen Gebieten mittlerweile für enorme Probleme.
Erich Hoffmann, Vorsitzender der Grubetfreunde Aichach, fasst die Situation im Landschaftsschutzgebiet am Silberbrünnl am Telefon so zusammen: „Man sieht den Wald vor lauter Menschen nicht mehr.“Es seien momentan oft zwischen 300 und 500 Menschen in dem Waldgebiet zwischen Aichach und Hollenbach unterwegs. Die Besucher würden dabei nicht nur aus dem Landkreis Aichach-Friedberg kommen, sondern auch aus Günzburg oder Landsberg am Lech. „Das ist an den Autokennzeichen auf den Parkplätzen zu erkennen“, sagt er. Das belas
vor allem die Pflanzen im Bereich des Silberbrünnls.
Dort wachsen seltene Arten wie geflecktes Knabenkraut und Türkenbund. Unachtsame Spaziergänger, die nicht auf den Fußwegen unterwegs seien, würden diese zertreten. Ein weiteres Problem: Pflanzenräuber. „Manche Leute graben die Pflanzen aus und nehmen sie mit nach Hause“, berichtet Hoffmann. Allerdings würde kaum eine von ihnen den Umzug in den heimischen Garten überleben. „Normalerweise wachsen sie im Moor. Da ist der Boden ganz anders“, erklärt Hoffmann. Auch Pedelec-Fahrer und Mountainbiker sorgen bei ihm für Unmut. Viele würden nicht auf den Wegen bleiben, sondern durch den Wald fahren. Das kann durchaus schwerwiegende Folgen für die Natur haben, weiß Beratungsförster Ralf Lojewski. „Wenn Radler nicht auf den Wegen unterwegs sind, beschädigen sie den Boden“, sagt er am Telefon. Auf lange Sicht werde so ein wichtiger Lebensraum für Pflanzen zerstört. Lojewski wünsche sich, dass die Menschen mehr Rücksicht nähmen. Grundsätzlich findet er es aber nicht schlecht, dass sich momentan mehr Menschen in der Natur aufhalten. „Ich bin auch ein Stück weit stolz, dass die Leute ihre Heimat wiederentdecken und in der Natur unterwegs sind“, sagt er. Besonders der Wald um das Silberbrünnl sei landschaftlich sehr schön. Daher überrasche es ihn nicht, dass dort besonders viele Menschen unterwegs seien. „Dieser Bereich und der Schiltberger Forst gehören auf jeden Fall zu den Hot-Spots“, sagt er.
Auch Franz Rieber, Leiter der Unteren Naturschutzbehörde, beobachtet, dass immer mehr Menschen in den Wäldern unterwegs sind. „Einer der Hauptgründe ist sicherlich, dass derzeit Alternativen bei der Freizeit- und Urlaubsgestaltung fehlen“, so Rieber. Halten sich Spaziergänger oder Radler nicht an die Regeln im Wald, kann das auch für sie Folgen haben. „Verstöße gegen geltende Vorschriften stellen normalerweise Ordnungswidrigkeite ten dar und werden als solche in der Regel mit Geldbußen geahndet“, erklärt Rieber. Es können also Bußgelder verhängt oder Fahrräder eingezogen werden. „Im Landkreis wurde von dieser Möglichkeit bislang kein Gebrauch gemacht“, sagt er. Nicht nur Pflanzen, sondern auch die Tiere spüren den erhöhten Freizeitdruck. Rieber erklärt, dass vor allem brütende und nistende Vögel von Spaziergängern gestört werden. „In vielen Fällen so stark, dass die Tiere ihre Brutplätze verlassen oder die Brut unterbrechen.“Im schlimmsten Fall überlebe der Nachwuchs nicht und die Population gehe zurück, so Rieber.
Angela Rieblinger, Geschäftsführerin vom Landschaftspflegeverband Aichach-Friedberg, verdeutlicht dies am Beispiel der Kiebitze, die unter anderem bei Kissing und in der Nähe des Meringer Ortsteils St. Afra brüten: „Kiebitze werden zum Beispiel von Hunden oder Radfahrern, die sich ihrem Nest nähern, aufgeschreckt.“Dieser Stress gehe nicht spurlos an den Vögeln und an deren Gelegen vorbei. „Es besteht dann durchaus die Gefahr, dass die Eier auskühlen oder das Tier das Nest komplett verlässt“, sagt Rieblinger.
In Rehlinger Ortsteil St. Stephan ist die Lage etwas anders. Dort befindet sich das Taglilienfeld, das seit 1982 unter besonderem Schutz steht. Der Verein „Freunde der Natur Rehling St. Stephan“kümmert sich unter anderem um seinen Erhalt. Werner Frei, Vorsitzender des Vereins, stellt fest: „Es sind auf jeden Fall mehr Leute unterwegs.“Das merke er auch an sich selber. Trotzdem hat Frei noch keine Auswirkungen des gestiegenen Freizeitdruckes gespürt, auch nicht im Bereich der Taglilien. „Das Feld spricht auch nicht jeden an“, erklärt er. Damit meint er: Es sind vor allem Menschen, die ein generelles Interesse an Natur und Umweltschutz haben, die sich das Taglilienfeld anschauen würden. Ein Treffpunkt für Jugendliche oder Familien sei es eher nicht. Auch bei der jährlichen Flurreinigung ist ihm keine stärkere Verschmutzung aufgefallen. „Ich habe eher den Eindruck, dass an den Straßenrändern mehr Müll liegt“, berichtet Frei.
Alternativen in der Freizeit fehlen aktuell