Die neue Staatsbegeisterung ist teuer
Klimaschutz, Pflege, Digitalisierung – Der Wirtschaftsflügel der Union warnt vor verdeckten Staatsschulden
Berlin Die Corona-Pandemie hat dazu geführt, dass sich das dominierende Bild des Staates gewandelt hat. Der schlanke Staat war gestern. Jetzt ist Vater Staat zurück – streng und breitschuldig. Streng, weil er die Grundrechte so stark einschränkte wie nie zuvor seit dem Kriege. Breitschultrig, weil er seine Bürger vor den großen Gefahren beschützen soll. Damit er dazu fähig ist, soll er viel Geld bekommen.
CSU-Chef Markus Söder will mehr „Kohle“aufwenden, um schneller aus der klimaschädlichen Stromerzeugung mit Kohle aussteigen zu können. Die Grünen schlagen vor, jedes Jahr 50 Milliarden an Staatsgeld in den Umbau der Gesellschaft zu stecken. Damit sollen Ladesäulen für E-Autos, ein massiver
Ausbau der Bahn und moderne Busse finanziert werden. SPD-Kanzlerkandidat und Finanzminister Olaf Scholz wirbt mit der Tilgung der Altschulden von Kommunen um Stimmen. Das soll ihnen mehr Spielraum für die Modernisierung geben. Unions-Kanzlerkandidat Armin Laschet
kündigte einen Deutschlandfonds für Investitionen an.
Dass Schwestern und Pfleger in Altenheimen besser bezahlt werden müssen, ist eine Lehre aus den vergangenen Monaten, die niemand bestreitet. Die Politik ausgeglichener Haushalte (Schwarze Null), jahrelang ein Markenzeichen Deutschlands, hat nur noch wenige Fürsprecher in Berlin. Zumal das Bundesverfassungsgericht der Regierung aufgetragen hat, mehr zum Schutz des Klimas zu tun, damit die nächsten Generationen nicht in einer lebensfeindlichen Welt leben müssen.
Finanziell kann sich das Deutschland derzeit leisten. Die Zinsen sind niedrig und die Verschuldung ist – gemessen an der Wirtschaftsleistung im internationalen Vergleich – solide. Das Bild ändert sich, betrachtet man nicht nur die sichtbaren Schulden, sondern auch die verdeckten. Der Wirtschaftsprofessor Bernd Raffelhüschen berechnet sie seit Jahren. Zu den 2,2 Billionen Euro, die der Staat ausweist, kommen laut dem Ökonomen zehn Billionen hinzu, die nicht erfasst sind. Das entspricht etwa dreimal der jährlichen Wirtschaftsleistung der Bundesrepublik. Dahinter verbergen sich zum Beispiel Pensionsansprüche von Beamten, wachsende Zuschüsse zur Stützung der gesetzlichen Rentenversicherung oder der Pflegeversicherung. In einer alternden Gesellschaft wie der deutschen steigen diese Kosten tendenziell stark an.
Der Wirtschaftsflügel von CDU und CSU befürchtet, dass in der allgemeinen Ausgabeneuphorie die versteckten Lasten völlig vom Radarschirm verschwinden. Das Prinzip der Nachhaltigkeit dürfe nicht nur für das Klima gelten, sondern auch für die Staatsfinanzen. „Staatsschulden und zukünftige Rentenlasten müssen klarer benannt und deutlich gesenkt werden, damit der jungen Generation Spielräume erhalten bleiben“, sagte der Generalsekretär des CDU-Wirtschaftsratsrates, Wolfgang Steiger, unserer Redaktion. Steiger sieht dabei besonders Finanzminister Scholz in der Pflicht, die Kreditaufnahme im Rahmen zu halten.
Scholz hat sich von der sparsamen Haushaltspolitik noch nicht öffentlich losgesagt, wozu der linke Flügel seiner Partei drängt. Das Argument dafür, das auch von den Grünen betont wird, lautet hingegen: Ohne größere Anstrengungen für die Eindämmung der Erderwärmung sind die Schäden am Ende viel teurer als das eingesparte Geld.