Olympia 2021: Heimvorteil
Gastgeber haben bei Olympischen Spielen immer einen Heimvorteil. Das dürfte auch in Tokio gelten. Aber wie genau der Bonus ausfallen wird, in einer Stadt ohne ausländische Besucher, ist ungewiss.
Olympische Spiele im eigenen Land seien etwas ganz Besonderes, schwärmen Athleten. Dabei geht es ihnen nicht nur darum, dass sie weniger reisen müssen als sonst und auf der Tribüne die Eltern jubeln. Für die besondere Vorfreude gibt es einen banalen Grund: Daheim steigen die Chancen auf Medaillen.
Regelmäßig schneidet ein Land besser ab, wenn Olympia zuhause stattfindet: Brasilien holte 2016 als Gastgeber zwei Medaillen mehr als vier Jahre zuvor in London, wo wiederum Großbritannien seine Medaillenzahl gegenüber 2008 um 18 erhöhen konnte. 2008 in Peking hatte China seine Ernte sogar um 37 Medaillen gesteigert.
Für Japan sieht die Prognose ähnlich aus. Die niederländische Sportdatenanalysefirma Gracenote hat errechnet, dass sich das Land gegenüber dem schon starken Abschneiden von 2016 in Rio um 18 Medaillen verbessern müsste. Mit 59 Medaillen, davon 34-mal Gold, würde es im Nationenvergleich für Platz vier hinter den USA, China und den russischen Athleten reichen. Für Japan wäre es ein historischer Rekord.
Die Gründe für den Heimvorteil sind immer gleich: Einerseits neigen Schiedsrichter dazu, die Gastgeber zu bevorzugen. Hinzu kommt, dass bei Olympischen Spielen das Gastgeberland in jeder Sportart Athleten ins Rennen schicken darf. Und diese sind tendenziell auch besser als in anderen Jahren. Denn im Zuge der Vorbereitungen auf die Spiele mit Gastgeberstatus investieren Regierungen mehr in die Sportentwicklung. Der Zusammenhang zwischen ausgegebenem Geld und eingenommenem Edelmetall ist robust.
So gab Japans Nationales Olympisches Komitee schon vor Jahren, kurz nachdem Tokio im Herbst 2013 das Austragungsrecht gewonnen hatte, mit einem üppigen Förderprogramm ein ambitioniertes Ziel aus: In der japanischen Hauptstadt wolle man 30-mal Gold holen. Zunächst provozierte das Naserümpfen. Bei den Rekordjahren bis dato, 1964 in Tokio und 2004 in Athen, hatte Japan nur je 16 Goldmedaillen gewonnen.
Aber das Ziel scheint tatsächlich realistisch. Das liegt nicht zuletzt an den Wettbewerben, in denen Medaillen vergeben werden. Zu den diesen Sommer neuen oder erneut eingeführten Disziplinen gehören Skateboarding, Klettern, Surfen, Karate sowie Baseball und Softball. In mehreren davon, vor allem den letzten drei, rechnet sich Japan gute Chancen aus.
Und dann ist da ein besonderer Faktor des Heimvorteils, dessen Wichtigkeit Athleten immer wieder betonen: das heimische Publikum. Das könnte die Japanerinnen und Japaner diesmal besonders stärken, denn wegen Infektionsgefahren sind Zuschauer aus dem Ausland nicht zugelassen. Dabei ist genau dies auch die größte Unbekannte: Olympische Spiele leben vom Internationalismus, der sich immer auch auf den Rängen abspielt, nur diesmal eben nicht.
Womöglich dürfen überhaupt keine Zuschauer auf die Tribünen. Bis Juni wollen die Organisatoren dies entschieden haben. Bleiben die Spielstätten wirklich leer, dürfte dies auf alle Athleten einen dämpfenden Effekt haben, aber auf die japanischen womöglich besonders. In Umfragen haben viele von ihnen zuletzt schon angegeben, dass sich die Unsicherheit und die Unzufriedenheit in der heimischen Öffentlichkeit auch auf ihre Motivation auswirkt. Heimvorteil hat auch mit Jubelstimmung zu tun.