Aichacher Nachrichten

Verändert Corona unsere Mobilität dauerhaft?

Weniger Fahrten und Umstellung auf E-Autos könnten helfen, Klimaziele zu erreichen

- VON CHRISTIAN GRIMM UND STEFAN STAHL

Augsburg Seit mehr als einem Jahr schränkt Corona den Bewegungsr­adius von Millionen Bürgern ein. Weil viele Deutsche von zu Hause aus arbeiten und Dienstreis­en ausfallen, ist auf den Straßen weniger los. Insgesamt ging die Mobilität im April im Vergleich zum April 2019, also vor der Pandemie, um durchschni­ttlich neun Prozent zurück. Wird Corona hier dauerhaft etwas verändern? Den verschärft­en Klimaschut­zzielen der Bundesregi­erung wäre das dienlich. Genau wie ein Boom der Elektromob­ilität. Doch die Befürchtun­gen sind groß, dass sich mit dem Abschied vom Verbrennun­gsmotor auch zehntausen­de Arbeitsplä­tze am Standort Deutschlan­d verabschie­den. Eine am Donnerstag vorgestell­te Studie des Münchner Ifo-Instituts im Auftrag

des Automobilv­erbandes VDA ergab nun, dass durch den deutlichen Rückgang der Produktion von Diesel- und Benzinmoto­ren tatsächlic­h mehr Stellen in der Branche wegfallen, als Beschäftig­te in den kommenden Jahren in dieser Industrie in den Ruhestand gehen. Die Wirtschaft­sforscher haben hochgerech­net, welche möglichen Auswirkung­en das 2025 haben könnte: Demnach gehen bis dahin rund 75 000 Beschäftig­e aus der Autoproduk­tion in Rente. Doch mindestens 178000 Beschäftig­te wären von der Umstellung auf die Produktion von Elektromot­oren betroffen. Damit wären gut 100000 Jobs in Gefahr.

Zur Rechnung gehört aber auch, dass viele Arbeitnehm­er, deren Stellen noch am Bau von Verbrennun­gsmotoren hängen, umgeschult wurden oder werden. Wenn man diesen Effekt berücksich­tigt, stehen bei deutschen Autobauern dann wahrschein­lich nicht hunderttau­sende Jobs auf der Kippe, wie schon orakelt wurde, aber zehntausen­de Beschäftig­te müssten sich eine neue Tätigkeit suchen. VDA-Präsidenti­n Hildegard Müller wagt hier keine exakte Prognose. Dafür geht sie umso mehr ins Detail, was die Reaktion der Bundesregi­erung auf das Klimaschut­z-Urteil des Bundesverf­assungsger­ichts betrifft. Müller kritisiert massiv „einen nationalen Alleingang“Deutschlan­ds und spricht von einer „übereilten Reaktion“. Die VDA-Chefin wirft der Großen Koalition vor, immer nur der Wirtschaft höhere Ziele zu setzen und eigene Verspreche­n, etwa was den Ausbau der Ladeinfras­truktur für E-Autos betrifft, nicht einzuhalte­n. Die Bundesregi­erung hatte in dieser Woche angekündig­t, Deutschlan­d werde den CO2-Ausstoß bis 2030 um 65 Prozent senken und bis 2045 klimaneutr­al werden. „Wie soll das funktionie­ren?“, fragt sich Ifo-Präsident Clemens Fuest. Er könne sich das Verhalten der Politik nur mit Wahlkampf erklären.

Der Grünen-Verkehrsex­perte Anton Hofreiter sieht die Elektromob­ilität als Schlüssel, um die Ziele zu erreichen. „In den nächsten zehn Jahren muss der Umstieg auf die E-Mobilität vollzogen werden, ab 2030 sollen nur noch emissionsf­reie Autos neu zugelassen werden. Aber wir werden auch anders mobil sein. Als Rückgrat für die Verkehrswe­nde braucht es eine starke Bahn, die vernetzt ist mit anderen Verkehrsmi­tteln“, sagte er unserer Redaktion. Hofreiter fordert auch, Lehren aus der Pandemie für den Arbeitsall­tag zu ziehen: „Viele Wege lassen sich einsparen. Wir alle freuen uns natürlich wieder auf mehr Begegnung, aber Homeoffice, digitale Sitzungen oder sogar Konferenze­n sollten wir uns auch nach der Pandemie viel stärker erhalten.“

Im Leitartike­l geht es um den Klimaschut­z als Wahlkampft­hema. Auf der Wirtschaft finden Sie weitere Details zur Elektromob­ilität.

In der Autobranch­e sind zehntausen­de Jobs bedroht

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