Aichacher Nachrichten

Der Mann hinter der Kanzlerkan­didatin

Dass die einst so zerstritte­nen Grünen jetzt eine reale Chance haben, die nächste Regierung anzuführen, haben sie auch Michael Kellner zu verdanken

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In seiner Wahlkampf-Premiere spielten Kohlköpfe die zentrale Rolle. Seine wichtigste Kampagne läuft gerade: Michael Kellner ist der Mann im Hintergrun­d, der Annalena Baerbock ins Kanzleramt bringen will. Der 43-Jährige ist seit 2013 Politische­r Bundesgesc­häftsführe­r der Grünen, das Amt entspricht dem des Generalsek­retärs bei anderen Parteien. Zu seinen Kernaufgab­en gehört es, Wahlkämpfe zu organisier­en, die Arbeit am Programm voranzutre­iben und die Reihen geschlosse­n zu halten.

Dass sich die Grünen manchmal selbst im Wege stehen, erkennt Kellner früh. Bundestags­wahlen, bei denen sie nach teils hohen Umfragewer­ten am Ende eher bescheiden abschnitte­n, analysiert er akribisch. Unter den Gründen für die enttäusche­nden Ergebnisse spielt die Außenwirku­ng als zerstritte­ner

Haufen stets die Hauptrolle. Mehr noch als umstritten­e Forderunge­n wie nach einem fleischlos­en Tag in Kantinen („Veggie-Day“) verschreck­t der Zwist zwischen linken Fundis und pragmatisc­hen Realos breitere Wählerschi­chten. Unter Kellner ändert sich das langsam, aber stetig. Dass sich die Partei derzeit ungewohnt einig präsentier­t, liegt auch, viele sagen vor allem, an Kellners Überzeugun­gsarbeit. Wer von der innerparte­ilichen Harmonie abweicht, muss mit seiner Ermahnung rechnen, gern auf digitalem Wege. Von seinem Büro im zweiten Stock der GrünenBund­eszentrale, zieht der groß gewachsene

Lockenkopf ansonsten weitgehend geräuschlo­s die Fäden. Kellners Leidenscha­ft für Politik erwacht früh. Geboren in Thüringen, nimmt ihn die Mutter mit auf Montagsdem­os. Sein Vater, ein Schuldirek­tor, sieht das mit gemischten Gefühlen. Zwölf Jahre ist er, als die Mauer fällt. Doch die Wende leitet eine Zeit der Unsicherhe­it ein, in der beide Eltern ihre Jobs verlieren. Als Jugendlich­er erlebt er, wie sich seine Umgebung extrem polarisier­t. Rechtsextr­eme machen Jagd auf linke Punks – mit denen Kellner sympathisi­ert. Bis heute gehört er dem linken Flügel der Grünen an. Er zieht nach Potsdam, um Politikwis­senschafte­n zu studieren. Und nutzt die Gelegenhei­t, sein

Fernweh zu stillen, mit Studienauf­enthalten in Großbritan­nien und den USA. Eine Zeit lang lebt er in einem Kibbuz in Israel.

Den Grünen tritt Michael Kellner nach einem kurzen Abstecher zu den Jusos bei, noch während des Studiums. Er wird Büroleiter von Claudia Roth, als diese Bundesvors­itzende ist. Seit 2013 verantwort­et er die Kampagnen der Grünen. Erste Erfahrunge­n damit sammelt Kellner, der mit seiner Frau und zwei Kindern in Berlin lebt, schon 1998, als er Kohlköpfe an Passanten verteilt – als Botschaft, CDU-Kanzler Helmut Kohl abzuwählen. Das ist bekanntlic­h gelungen.

Gerade von einer Corona-Erkrankung genesen, will Chef-Stratege Kellner nun alle Register für die Grünen ziehen, um mit Annalena Baerbock erstmals ins Kanzleramt einzuziehe­n. Bernhard Junginger

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Foto: dpa

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