„Der Scholz, der kann das“
Die SPD muss das Kunststück vollbringen, sich nicht von niederschmetternden Umfragen lähmen zu lassen. In der Parteizentrale hält man beim Kampf ums Kanzleramt die Grüne Baerbock für gefährlicher als CDU-Mann Laschet
Berlin Die Umfragen sind ein Desaster. Kanzlerkandidat Olaf Scholz und seine SPD kommen auf 14 oder 15 Prozent. An guten Tagen schleppt sich die alte Dame der deutschen Parteien auf 16 Prozent. Das ist alles, aber kein Kanzlerniveau. Dennoch regiert im WillyBrandt-Haus vor dem Parteitag am Wochenende die Zuversicht, nicht die Panik. Anders als in den zurückliegenden Wahlkämpfen lähmen noch kein Streit und schlechte Planung die Parteizentrale der Genossen. Sie glauben, die Partie drehen zu können. Es geht nicht um einen rauschhaften Triumph bei der Bundestagswahl, sondern um einen Arbeitssieg. Der Plan: So weit wie möglich über die Marke von 20 Prozent kommen und dann sehen, was koalitionstechnisch geht.
Die Aufholjagd startet am Sonntag, wenn Olaf Scholz auf dem Parteitag die Kernbotschaften für den Wahlkampf verkündet. Die Wähler soll ein Zukunftsentwurf für das Land zurück zur SPD führen, dessen Selbstbild als eines der best-verwalteten Gemeinwesen in der Corona-Pandemie schwer gelitten hat. Und natürlich soll der Kanzlerkandidat ziehen: als Mann mit viel Erfahrung in der Exekutive als Hamburger Bürgermeister, Minister und Vizekanzler.
Damit die Aufholjagd gelingen kann, kalkuliert die SPD mit der
Schwäche der beiden anderen Aspiranten auf die Nachfolge Angela Merkels (CDU). Sie muss es tun, weil sie sich nicht in einer Position der Stärke befindet.
In der Einschätzung der Sozialdemokraten ist der Kandidat der Union, Armin Laschet, der deutlich schwächere der zwei Konkurrenten. Die SPD will ihn mit den drei „bösen M“angreifen – die Maskenaffäre, der brutale Machtkampf mit Markus Söder und die Kandidatur des umstrittenen Ex-Verfassungsschutzchefs Hans-Georg Maaßen in
Thüringen. „Davon wird sich Laschet nicht erholen“, sagt Generalsekretär und Wahlkampfmanager Lars Klingbeil.
Als wesentlich härtere Nuss gilt im Willy-Brandt-Haus GrünenKanzlerkandidatin Annalena Baerbock. Scholz soll sie inhaltlich stellen und ihr „Fühl-dich-gut-Programm“durchs Aufzeigen angeblich innerer Widersprüche als wolkig entzaubern. Die SPD plant, an der Schnittstelle zwischen grüner Landes- und grüner Bundespolitik anzusetzen. Während beispielsweise die Bundespartei neue Autobahnen ablehnt, trägt der hessische Landesverband eine neue mit. Während Baerbock Deutschland wieder zum gefeierten Vorbild beim Klimaschutz machen will, hat GrünenLandesvater Winfried Kretschmann in Baden-Württemberg den Stillstand verwaltet.
Ob das ausreicht, um Baerbock zu stoppen, wissen die Sozialdemokraten nicht. In der Wahlkampfmannschaft schwingt die Hoffnung mit, dass sich die Wähler am Ende für den erfahrenen, seriösen Macher entscheiden statt für die Frische einer 40-Jährigen ohne Regierungserfahrung. „Jawohl, der Scholz, der kann das“, so drückt der Generalsekretär aus, was die Wähler im Gefühl haben sollen. Das Problem dabei ist, dass die Wähler das noch nicht im Kopf haben. In einer Erhebung des Meinungsforschungsinstituts Forsa schneidet Baerbock bei der Kanzlerpräferenz mehr als doppelt so stark ab wie der 62-jährige SPD-Spitzenkandidat.
Stilistisch soll er dennoch auf aggressive Angriffe gegen Baerbock und Laschet verzichten. Scholz hat bisher nicht geholzt und das aus gutem Grund. Weil die beiden anderen ebenfalls keine konfrontative Kommunikation fahren, könnten bissige Attacken auf den Angreifer zurückfallen. Wenn es das Infektionsgeschehen zulässt, plant die SPD, ihren Kandidaten auf Tour quer durch das Land zu schicken. Lässt es
Corona nicht zu, wird Scholz per Video mit den Wählern in Kontakt treten. Anders als bei vergangenen Bundestagswahlen wird sich die diesjährige Kampagne nicht mehr so stark auf die letzten Tage des Wahlkampfes fokussieren. Denn immer mehr Bürger geben per Briefwahl ihre Stimme ab. Die SPD und die anderen Parteien müssen also ihre Ressourcen auf mehrere Wochen vor dem Wahlsonntag am 26. September strecken.
Im Gegensatz zu den jüngsten Landtagswahlen kann es bei der Bundestagswahl dieses Mal keinen Zug zum Amtsinhaber geben, weil Angela Merkel aufhört. Das ist der zentrale Unterschied zur Wahl vor vier Jahren, auf den die SPD-Spitze immer wieder verweist. Damals stürzte ihr gefeierter Kanzlerkandidat Martin Schulz auf 20,5 Prozent ab, nachdem er in den Umfragen zwischenzeitlich bei über 30 Prozent lag. Heute muss sein Nachfolger Scholz zwar nicht mehr Merkel fürchten, hat aber viel Boden gutzumachen, um überhaupt auf 20 Prozent zu kommen.
Die SPD will die CDU mit der Maskenaffäre konfrontieren
Holzen passt nicht so recht zu dem Hanseaten