Aichacher Nachrichten

Der Streit um Patente

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● Die Weltgesund­heitsorgan­isation WHO will den Patentschu­tz für Co‰ rona‰Impfstoffe aufheben. AstraZe‰ neca stellt sein Mittel nach eigenen Angaben zum Selbstkost­enpreis her. Die Aktien der mRNA‰Impfstoff‰ hersteller Biontech/Pfizer und Mo‰ derna brachen jedoch um bis zu 20 Prozent ein. Offen ist, ob Know‰how und Produktion nicht viel entschei‰ dender als reine Patente sind.

● Biontech‰Gründer Ugur Sahin lehnt die Pläne ab: „Das ist keine Lösung.“Die Herstellun­g des Impf‰ stoffs sei komplizier­t. Der Impfstoff hat laut Pfizer 280 Komponente­n von 86 Zulieferer­n aus 19 Ländern. Es seien komplexe Spezialanl­agen und ausgebilde­tes Personal nötig. Bi‰ ontech will Lizenzen vergeben.

● CSU‰Entwicklun­gsminister Gerd Müller sagt: „Nur ein Patent frei‰ zugeben, sorgt noch für keine einzige zusätzlich­e Impfdose.“Er fordert nicht nur gezielte Lizenzprod­uktio‰ nen, sondern das internatio­nale Impfprogra­mm Covac mit 20 Milliar‰ den Dollar auszustatt­en. Bereits zwei Milliarden Impfdosen reichten aus, um bis Anfang 2022 die Risi‰ kogruppen in den armen Ländern zu schützen, da dort die Bevölkerun­g recht jung sei. (AZ)

Es gibt wenige Ankündigun­gen, die so scheinheil­ig sind wie diese: Die USA unterstütz­en die Aussetzung von Patenten für die Corona-Impfstoffe. Monatelang hatten die Vereinigte­n Staaten das Prinzip „America first“angewendet und sich komplett abgeschott­et. Jetzt, da die Versorgung im eigenen Land gesichert ist, entdeckt Präsident Joe Biden sein Herz für die armen Länder und will die Patentrech­te zeitweise aufheben.

Bidens Vorstoß ist nicht nur scheinheil­ig, sie ist auch zynisch. Denn was sollen arme Länder mit den Patenten anfangen? Sich aus heißer Luft einen Impfstoff destillier­en? Die Herstellun­g ist das Problem, Produktion­sstätten müssten gebaut, Mitarbeite­r ausgebilde­t werden. Das ist teuer und geschieht nicht über Nacht.

Davon abgesehen sind Patente und der Schutz des geistigen Eigentums ein hohes Gut. Wissenscha­ftler und Firmen stecken viel Geld und Arbeit in die Entwicklun­g neuer Produkte. Gerade die Exportnati­on Deutschlan­d profitiert von innovative­n Entwicklun­gen. Seien es Maschinen oder - siehe Biontech

- eben Impfstoffe. Forscherdr­ang und Investitio­nen werden aber nachlassen oder sich ins Ausland verlagern, wenn Regierunge­n ihren Schutz nicht mehr garantiere­n. Wenn der Patentschu­tz einmal ausgehebel­t wurde, kann es immer wieder passieren. In Deutschlan­d wurden noch nie Patentrech­te aufgehoben und die Corona-Pandemie ist kein Grund, jetzt damit anzufangen.

Die Menschen in ärmeren Ländern müssen deswegen nicht unversorgt bleiben. Deutschlan­d wird bald so viel Impfstoff zur Verfügung haben, dass er verschenkt werden kann. Für einige Seren reicht die Kühlung in normalen Kühlschran­ken, was die Gesundheit­ssysteme ärmerer Länder nicht überforder­t. Per Flugzeug könnten die Impfstoffe dorthin gebracht werden. Was ganz nebenbei für die am Boden liegende Flugbranch­e eine kleine Konjunktur­spritze wäre.

Apropos Staaten: Auch die USA haben ihre Impfstoffp­roduktion so weit hochgefahr­en, dass sie an andere abgeben könnten. Das wäre eine Ankündigun­g, die Joe Biden gut zu Gesicht stehen würde.

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