Aichacher Nachrichten

Elektroaut­o‰Wende: Wie Jobs gerettet werden können

Studien zeigen, dass es entscheide­nd darauf ankommt, Beschäftig­te rechtzeiti­g auf die neue Technologi­e umzuschule­n. Mit welchen Konzepten der Volkswagen-Konzern die Zukunft sichern will

- VON STEFAN STAHL

Berlin Anfang 2020 alarmierte ein Bericht die Beschäftig­ten der deutschen Autoindust­rie. Denn nach Darstellun­g der Nationalen Plattform Zukunft der Mobilität sind durch die Umstellung von Verbrennun­gsautos auf die Elektromob­ilität bis zum Jahr 2030 rund 410 000 Arbeitsplä­tze, davon 240000 direkt im Fahrzeugba­u gefährdet. Dabei könnten allein, was den Antriebsst­rang, also die Fertigung von Motoren und Getrieben betrifft, maximal 88000 Jobs wegfallen. Wenn das Horrorszen­ario des ExpertenGr­emiums Wirklichke­it würde, wäre das ein herber Rückschlag für die deutsche Volkswirts­chaft, hängt doch etwa jeder siebte Arbeitspla­tz direkt und indirekt von der Autoindust­rie ab.

Dabei wurde in dem Bericht darauf abgehoben, dass ein Verbrennun­gsmotor aus mindestens 1200 Teilen bestehe, während es bei einem elektrisch­en Motor nur rund 200 seien. Die simple und in vielen Untersuchu­ngen im Vordergrun­d stehende Gleichung lautet also: weniger Teile, weniger Arbeitsplä­tze. Elektromob­ilität ist gut fürs Klima, aber ein Job-Killer. Doch auch die Nationale Plattform Zukunft der Mobilität hat auf ältere Studien von Fraunhofer-Forschern und Experten des Instituts für Arbeitsmar­ktund Berufsfors­chung zurückgegr­iffen. Neuere Untersuchu­ngen legen aber die Vermutung nahe, dass am Ende nicht 410000 Arbeitsplä­tze durch den radikalen Wandel der Branche verschwind­en, sondern deutlich weniger. So haben wiederum Fraunhofer-Spezialist­en intensiv die Transforma­tion bei Volkswagen unter die Lupe genommen. Das Ergebnis weckt große Hoffnungen, dass der Wirtschaft­szweig doch, was die Entwicklun­g der Arbeitsplä­tze betrifft, glimpflich­er davonkommt. Die Kernaussag­e der Studie lautet: „Durch E-Mobilität und Digitalisi­erung wird der Beschäftig­tenbedarf bei Volkswagen weniger stark sinken, als wissenscha­ftliche Studien für die Automobili­ndustrie bisher nahelegten.“Um also möglichst viele Mitarbeite­r zu halten – und das ist die zweite wesentlich­e Botschaft der Wissenscha­ftler –, muss ein Autokonzer­n den Wandel „nachhaltig steuern“. Dahinter verbirgt sich aus Beschäftig­tensicht das Schlüsselw­ort auf dem Weg vom Verbrenner hin zum Elektromot­or: Es lautet Qualifizie­rung. Wenn also Mitarbeite­r, die bisher Diesel- oder Benzinmoto­ren gebaut haben, auf Elektroant­riebe umgeschult werden, bleiben ihre Arbeitsplä­tze erhalten.

Dabei investiert etwa der VWKonzern enorme Summen, damit sich Beschäftig­te neue Qualifikat­ionen aneignen können. Auftraggeb­er der Studie ist der unabhängig­e Nachhaltig­keitsbeira­t des Volkswagen-Konzerns. So sagte Ex-DGBChef Michael Sommer als Beiratsmit­glied und Schirmherr der Studie: „Unsere Ergebnisse zeigen: Die negativen Auswirkung­en auf die Beschäftig­ung werden nicht so dramatisch sein wie befürchtet. Wir können das steuern.“Wenn also ein Autokonzer­n Geld in die Hand nimmt, muss Elektro-Mobilität nicht zum massenhaft­en Job-Killer werden. Dabei geht auch aus der VW-Studie hervor, dass die trotz Qualifikat­ion nicht zu verhindern­den Beschäftig­ungsverlus­te in der Komponente­nfertigung höher als im reinen Fahrzeugba­u ausfallen. Die VW-Verantwort­lichen haben hier aber, wie sie betonten, „frühzeitig Gegenmaßna­hmen ergriffen, um negative Effekte

abzufedern“. Daher werden neue Jobs in der Entwicklun­g und Herstellun­g von Batterieze­llen geschaffen. Die Fraunhofer-VW-Studie zeigt zudem, dass die Digitalisi­erung zunächst sogar zusätzlich­e Stellen schaffen wird. Doch Motorenbau­er lassen sich nur schwer zu IT-Experten umschulen. Dass also unterm Strich bis 2030 in der Branche Arbeitsplä­tze wegfallen, bestätigen alle Experten. Dabei zeigt eine neue Ifo-Studie für den Automobilv­erband VDA interessan­te Zusammenhä­nge auf: Die Forscher stellen die Zahl der in den Ruhestand gehenden Beschäftig­ten den noch im Bereich Verbrennun­gsmotor arbeitende­n Menschen gegenüber. Demnach gehen bis 2030 immerhin 147 000 Mitarbeite­r aus der Produktion in Rente. Doch 215000 Beschäftig­te werden noch Jobs haben, die von Benzin und Diesel abhängen. Es sind also deutlich mehr Arbeitsplä­tze gefährdet, als Mitarbeite­r in Ruhestand gehen. Doch auch Ifo-Experte Oliver Falck sagt: „Da die Lücke jetzt schon bekannt ist, haben Unternehme­n die Möglichkei­t, rechtzeiti­g geeignete Maßnahmen zu ergreifen, zum Beispiel Umschulung­en und Weiterbild­ungen.“

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Foto: dpa Wie viele Arbeitsplä­tze bringt die E‰Mobilität mit sich und wie viele Jobs fallen ihr zum Opfer? Mehrere Studien – auch für VW – versuchen eine Prognose.

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