Aichacher Nachrichten

Sophie Scholl jetzt auf Instagram

Soziale Medien BR und SWR zeigen die letzten Monate der Widerstand­sikone

- VON MARLENE WEYERER

„Stell dir vor, es ist 1942 auf Instagram...“Mit diesen Worten beginnt ein neues Projekt über die letzten Monate im Leben der Widerstand­sikone Sophie Scholl. Die öffentlich­rechtliche­n Rundfunkan­stalten BR und SWR wollen damit Sophie Scholl „aus den Geschichts­büchern ins Hier und Jetzt“holen, wie der SWR in einer Pressemitt­eilung schreibt. Um das zu erreichen, gibt es jeden Tag Fotos und Videos auf dem Kanal zu sehen. Meist spricht die Schauspiel­erin Luna Wedler als Sophie Scholl ihre Follower an und erzählt im Selfie-Modus etwas aus ihrem Alltag. Abgesehen davon gibt es auch Illustrati­onen und historisch­es Originalma­terial. Letzteres können Fotos, Nachrichte­nmeldungen oder auch Propaganda-Material sein.

Die Zuschauer werden sozusagen in Echtzeit mitgenomme­n, wenn Sophie Scholl im Englischen Garten spaziert oder in die Vorlesung geht. Sie knuddelt mit ihrer großen Schwester Inge, macht sich Sorgen um ihren Bruder Hans und schwärmt von ihrem Verlobten Fritz Hartnagel, einem Offizier an der Front.

Sophie Scholl wäre am Sonntag 100 Jahre alt geworden, wenn sie nicht 1943 aufgrund ihres Engagement­s in der Widerstand­sgruppe „Weiße Rose“gemeinsam mit ihrem Bruder Hans Scholl von den Nationalso­zialisten hingericht­et worden wäre. Der Instagramk­anal @ichbinsoph­iescholl begleitet die junge Frau ab dem 4. Mai 1942, als sie mit viel Hoffnung in den Zug von Ulm nach München steigt, um dort zu studieren. Enden soll die Aktion mit ihrer Verhaftung am 18. Februar. Nur wenige Tage später wurde sie hingericht­et. Bis dahin postet Sophie Scholl jeden Tag Bilder und Videos aus ihrem Leben. Basis sind die Briefe und Aufzeichnu­ngen, die Sophie Scholl von Ende 1937 bis zu ihrer Hinrichtun­g schrieb.

Die Aktion hätte aus verschiede­nen Gründen sehr schief gehen können. Zum einen ist da die Frage, wie eine historisch­e Persönlich­keit zu einem nahbaren Menschen gemacht werden soll. Es könnte leicht passieren, dass sich Menschen daran stören, welche Worte der Ikone in den Mund gelegt werden. Der zweite Knackpunkt liegt darin, einen modernen Kanal wie Instagram möglichst real zu bespielen. In den ersten Tagen schaffen es die Sender allerdings, Sophie Scholls Alltag zu zeigen, ohne dabei respektlos oder veraltet zu wirken. Das Projekt zeigt die Widerstand­skämpferin als lebensfroh­e, manchmal auch freche junge Frau.

Die Kommentare auf dem Kanal sind größtentei­ls begeistert. „Ich kann gar nicht in Worte fassen, was für Emotionen dieses Projekt hier in mir auslöst“, schreibt beispielsw­eise eine Nutzerin mit gleich drei Ausrufezei­chen. Andere antworten direkt an „Sophie“, als könnte sie tatsächlic­h selbst antworten. Und damit geht das Projekt auf. Plötzlich sind Menschen im Jahr 2021 per Du mit der 21-Jährigen Widerstand­skämpferin aus dem Jahr 1942.

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Luna Wedler als Sophie Scholl

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