Aichacher Nachrichten

Generation Nichtschwi­mmer

Hintergrun­d Die Badesaison naht. Gleichzeit­ig sind die Bäder seit einem halben Jahr geschlosse­n, Kinder können das Schwimmen nicht mehr lernen. Es hat sich ein gewaltiger Rückstau gebildet

- VON ANDREAS KORNES

Augsburg Der feuchtmuff­ige Geruch von Chlor ist für die meisten Schwimmer nur noch eine Erinnerung aus der Vergangenh­eit. Seit über einem halben Jahr sind die Hallenbäde­r geschlosse­n. Und auch die Freibäder hatten im vergangene­n Sommer entweder gar nicht oder nur verkürzt geöffnet. Der Sport leidet ganz generell unter den Corona-Maßnahmen, mit am härtesten trifft es den Schwimmspo­rt. „Denn uns fehlt komplett das Element, in dem wir uns bewegen“, sagt Rolando Peceros. Der Vorsitzend­e des Schwimmbez­irks Schwaben bekam vor kurzem die Mitglieder­zahlen der schwäbisch­en Schwimmver­eine des vergangene­n Jahres auf den Tisch. Zwischen zehn und 15 Prozent betrage der Rückgang im Vergleich zu 2019. Dabei hätten sich die Austritte in einem normalen Rahmen bewegt. Aber: „Es gibt quasi keine Eintritte.“

Das trifft vor allem den Nachwuchs, denn der klassische Weg in die Schwimmver­eine ist über einen Schwimmkur­s. Diese finden aber seit Beginn der Corona-Pandemie so gut wie gar nicht mehr statt. „Ich fürchte, viele der Kinder, die 2020 und 2021 Schwimmen lernen wollten, haben wir verloren“, sagt Peceros. Ob in den Vereinen, bei DLRG und Wasserwach­t oder in privaten Schwimmsch­ulen: Die Warteliste­n quellen über. Häufig werden noch nicht einmal mehr Plätze auf diesen Listen vergeben.

Der DSV hat am Dienstag bekannt gegeben, dass der bundesweit­e Mitglieder­schwund von 2019 zu 2020 knapp neun Prozent betrage. In absoluten Zahlen sind das rund 51000 Menschen weniger in den Vereinen. Besonders besorgnise­rregend sei, so heißt es in der Mitteilung, dass es sich bei 82 Prozent der verlorenen Mitglieder um Kinder bis 14 Jahre handele. DSV-Präsident Marco Troll wird mit den Worten zitiert: „Wenn zehntausen­de Kinder kein Schwimmen lernen, so hat das langfristi­ge Folgen für den Sport und die Gesellscha­ft.“

Ähnlich sieht das mit Franziska van Almsick auch eine der prominente­sten deutschen Schwimmeri­nnen. Der FAZ sagte sie, dass schon vor der Pandemie jeder zweite Drittkläss­ler nicht sicher schwimmen konnte. „Ich will das nicht überdramat­isieren, aber ich habe große Angst vor dem Sommer, weil ich glaube, dass viele das im Moment total unterschät­zen. Ich kann nur an alle appelliere­n: Kümmert euch um die Kinder, lasst sie nicht aus den Augen, schaut nach links und rechts, auf die, die am Badesee neben euch sitzen.“Jedes Kind habe ein Grundrecht, Schwimmen zu lernen. Jetzt aber gehe sie davon aus, dass eine ganze Generation Kinder heranwachs­e, die das Schwimmen nicht lernen wird.

Der Bezirksvor­sitzende Peceros kann sich ebenfalls schwer vorstellen, wie die gewaltige Zahl an Kindern, die das Schwimmen lernen wollen, abgearbeit­et werden soll. „Zumal ich befürchte, dass manche Badbetreib­er Corona dafür nutzen werden, ihre defizitäre­n Bäder gar nicht mehr aufzumache­n. Und das, obwohl wir schon vorher viel zu wenig Wasserfläc­he zur Verfügung hatten.“

Langfristi­g werde diese Situation auch Auswirkung­en auf den Wettkampfs­port in Deutschlan­d haben. Seit einem halben Jahr dürfen nur noch die wenigen Kaderathle­ten trainieren, der Rest sitzt buchstäbli­ch auf dem Trockenen. „Ich hoffe, dass im Sommer zumindest die Freibäder wieder öffnen dürfen und wir dort einen einigermaß­en normalen Trainingsb­etrieb hinbekomme­n“, sagt Peceros. Die Hygienekon­zepte aus dem vergangene­n Sommer hätten sich ja bewährt. Es fehle dem Schwimmen aber an einer Lobby, um sich in der Politik Gehör zu verschaffe­n. Auch deshalb sei an Wettkämpfe noch gar nicht zu denken. Frühestens im Herbst könne er sich das vorstellen. „Denn wir müssen ja, wenn wir denn dürfen, erst einmal den Trainingsr­ückstand aufholen, was bei einer Ausdauersp­ortart wie Schwimmen nicht so einfach ist. Das benötigt Zeit.“

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Foto: Georg Wendt, dpa Zehntausen­de Kinder haben in diesem und dem vergangene­n Jahr das Schwimmen nicht gelernt, da die Bäder geschlosse­n sind.

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