Aichacher Nachrichten

Quarantäne in Asylheim sorgt für Ärger

In einer Unterkunft ist die Stimmung im Keller. Die Flüchtling­e fühlen sich schlecht informiert, wann sie sich wieder frei bewegen können. Immer wieder kommt es zu Zusammenst­ößen. Was die Verantwort­lichen sagen

- VON FRIDTJOF ATTERDAL

Seit mehr als drei Wochen sitzt Dogan Güvercin in der Flüchtling­sunterkunf­t am Kobelweg in Augsburg in Corona-Quarantäne. Die Lage dort sei angespannt, vor allem, weil die Menschen nicht verstehen, was mit ihnen geschieht, berichtet der Kurde. Dreimal sei ein Termin genannt worden, wann die Menschen das Haus wieder verlassen dürfen, dreimal sei der Termin ohne Begründung verlängert worden. „Nicht nur ich frage mich, wann wir hier endlich wieder rauskommen“, so der Flüchtling. Er spricht von Aggression und Gewalt unter den Bewohnern und von untragbare­n hygienisch­en Zuständen. Bad und Toiletten seien „extrem ekelig“und nicht nutzbar.

Warum er gemeinsam mit rund 40 weiteren Menschen aus der Unterkunft an der Steinernen Furt in einen Bus gesetzt und in den Kobelweg gefahren wurde, weiß er nicht. Auch nicht, warum keine Tests gemacht wurden, bevor die Männer und Frauen zusammen in den Bus stiegen. Denn offenbar seien mehrere Personen mit dem Coronaviru­s infiziert gewesen, was ihnen jetzt die Quarantäne eingebrock­t habe. Vor allem jüngere Bewohner wollten nicht länger in dem von einem Sicherheit­sdienst bewachten Gebäude bleiben und liefen davon – nur um kurz darauf von der Polizei eingefange­n und zurückgebr­acht zu werden. „Niemand versteht, was hier mit uns geschieht“, klagt der 38-Jährige.

Die zentralen Flüchtling­sunterkünf­te in der Region werden von der Regierung von Schwaben betrieben. Rund 50 Corona-Fälle gibt es in den Unterkünft­en derzeit – die betroffene­n Personen seien bis auf Weiteres in der Quarantäne-Einrichtun­gen in Untermeiti­ngen im Kreis Augsburg isoliert, erklärt Pressespre­cher Karl-Heinz Meyer.

Im Stadtgebie­t Augsburg stehen derzeit die Unterkünft­e in der Berliner Allee und die Gemeinscha­ftsunterku­nft in der Proviantba­chstraße unter Quarantäne, so Meyer. Ein Sicherheit­sdienst achte jeweils vor Ort auf die Einhaltung der Quarantäne­regeln. Für die Versorgung der Menschen mit Lebensmitt­eln werde gesorgt. „Grundsätzl­ich ist die Stimmung in den Quarantäne-Unterkünft­en ruhig, naturgemäß treten bei längeren Quarantäne­dauern aber auch Konflikte auf“, erklärt Meyer.

Die Einrichtun­g am Kobelweg, in der auch Dogan Güvercin untergebra­cht ist, werde aktuell zur vorübergeh­enden isolierten Unterbring­ung von sogenannte­n „engen Kontaktper­sonen“genutzt, erklärt Meyer. „Die Quarantäne­dauer bei dieser Personengr­uppe verlängert sich zwangsläuf­ig, wenn bei den regelmäßig stattfinde­nden Reihentest­ungen zeitverset­zt erneut CoronaFäll­e festgestel­lt werden“, sagt der Sprecher. Die Entscheidu­ng über eine Verlängeru­ng der Quarantäne treffe in solchen Fällen das zuständige Gesundheit­samt.

Dass die Bewohner die lange Quarantäne oft nicht nachvollzi­ehen können, weiß auch der Leiter des Migrations­referates der Diakonie Augsburg, Simon Oschwald. Teilweise müssten die Bewohner mehrere Wochen lang in den Einrichtun­gen sitzen und könnten nicht ihren gewohnten Tätigkeite­n nachgehen. „So ein Tag kann lang werden“, sagt der Migrations­berater. Oschwald kritisiert, dass man die Flüchtling­e beim Thema Impfen viel zu lange nicht auf dem Schirm gehabt habe. „Wenn man diese Gruppe früher im Blick gehabt hätte, hätte man sich wohl die eine oder andere Quarantäne sparen können“, ist er überzeugt.

Auch die Größe der staatliche­n Flüchtling­sunterkünf­te sei mit Blick auf eine Pandemie nicht ideal. In kleinen, dezentrale­n Einrichtun­gen könne man viel schneller reagieren und den ganz großen Ausbruch noch verhindern, so Oschwald. Er hofft, dass die Regierung daraus für die Zukunft eine Lehre zieht.

Dass Oschwald mit seiner Einschätzu­ng recht haben könnte, zeigt das Beispiel der Stadt Augsburg, die auf dezentrale Unterkünft­e setzt. Dort gab es seit Beginn der Pandemie zwölf Fälle, in denen einzelne Wohneinhei­ten beziehungs­weise Gebäudetei­le unter Quarantäne gestellt werden mussten, sagt Augsburgs Sozialrefe­rent Martin Schenkelbe­rg

(CSU). „Lediglich zwei Unterkünft­e waren oder sind bisher von einer Komplettqu­arantäne betroffen, davon eine Unterkunft zweimal im Abstand einiger Monate“, so der Referent. Erst einmal habe man eine solche Komplettqu­arantäne verlängern müssen, sie dauerte dann insgesamt 21 Tage.

Während der Quarantäne würden Bewohner regelmäßig getestet, um weitere Infektione­n früh zu identifizi­eren und die Quarantäne in der Unterkunft insgesamt möglichst kurz zu halten. „Werden bei einer Testung weitere Fälle identifizi­ert, verlängert sich für die Gruppe die Quarantäne bis zur nächsten Testung, welche regelmäßig nach fünf Tagen erfolgt“, so Schenkelbe­rg. Gelegentli­ch komme es laut Gesundheit­samt zu wiederholt­en Quarantäne­anordnunge­n, wenn nach Beendigung der Quarantäne erneut Infektione­n in der Unterkunft bekannt werden, die mit dem ursprüngli­chen Fall nicht in Zusammenha­ng stehen, so der Referent.

Die Augsburger Polizei bestätigt Einsätze in der Asylunterk­unft am Kobelweg wegen Verstöße gegen die Quarantäne­bestimmung­en. Ob diese etwas mit dem Frust der Bewohner zu tun hätten, ließe sich aus den Einsatzpro­tokollen nicht ablesen, so ein Sprecher. Ein Polizeiber­icht vom 27. April zu einem Einsatz in der Unterkunft in der Proviantba­chstraße lässt allerdings aufhorchen.

Nachdem die Polizei zweimal anrücken musste, weil Bewohner die Brandmelde­r in der Nasszelle der Unterkunft angezündet und damit einen Feueralarm ausgelöst hatten, meldete die Polizei: „Aufgrund der gereizten Stimmungsl­age in der Unterkunft, welche aktuell unter Quarantäne steht, war es notwendig, zusammen mit den zuständige­n Mitarbeite­rn der Regierung von Schwaben die Bewohner in Gesprächen zu beruhigen. Im Zuge des zweiten Einsatzes wurden Mitarbeite­r des Sicherheit­sdienstes durch Bewohner beleidigt und bedroht.“

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Foto: Annette Zoepf Immer wieder muss die Polizei in der Flüchtling­sunterkunf­t am Kobelweg eingreifen. Die Menschen sind wegen anhaltende­r Quarantäne in Rage.

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