Aichacher Nachrichten

Impfort Carport: Afrikaneri­n hat Angst

Bewohner von Flüchtling­sunterkünf­ten haben ein hohes Infektions­risiko. Deshalb wirbt der Landkreis bei ihnen für Impfungen. Doch eine Impfaktion in Aichach ist geplatzt

- VON CARMEN JUNG

Aichach Je mehr Menschen nahe beieinande­r leben, umso höher ist das Infektions­risiko. Gut zu beobachten war das zuletzt in einer Friedberge­r Asylbewerb­erunterkun­ft. Dort hatten sich vor über zwei Wochen über 40 Bewohner mit dem Coronaviru­s infiziert. Der Landkreis Aichach-Friedberg bemüht sich schon seit einiger Zeit, Menschen in Gemeinscha­ftsunterkü­nften auf Impfangebo­te hinzuweise­n. Seit Kurzem setzt er mobile Impfteams ein. Was in Kissing unlängst gut geklappt hat, ist in Aichach vor einer Woche gescheiter­t. Dort platzte ein Impftermin für elf Asylbewerb­er. Ursache war offenbar der Impfort: ein Carport.

Die Bewohner von Asylunterk­ünften gehören in die Priorisier­ungsgruppe zwei für Corona-Impfungen. Aus gutem Grund, wie Zahlen aus dem Landkreis AichachFri­edberg untermauer­n. 13,5 Prozent der Flüchtling­e in Heimen waren schon positiv. Sie haben damit ein fast viermal so hohes Risiko, sich zu infizieren. Die Infektions­quote der Gesamtbevö­lkerung liegt dagegen bei lediglich 3,5 Prozent.

Das Landratsam­t versucht schon länger, Flüchtling­en in Unterkünft­en Impfungen näherzubri­ngen. Pressespre­cher Wolfgang Müller hat sie die Behörde angeschrie­ben und ihnen Aufklärung­sblätter zu den Impfungen in der jeweiligen Mutterspra­che ausgehändi­gt. Doch die Resonanz blieb gering. Deshalb setzt die Behörde nun mobile Impfteams ein. Dafür wurden auch Dolmetsche­r organisier­t, so Müller.

Auftakt war am 27. April in Kissing. Dort erhielten 30 Flüchtling­e eine Impfung. Am vergangene­n Freitag folgten die ersten Impfungen in Aichach und Friedberg. So wurden laut Müller im Stadtteil Unterwitte­lsbach sechs Asylbewerb­er geimpft, in Friedberg acht. An einem „weiteren Standort“hätten elf Bewohner von Gemeinscha­ftsunterkü­nften geimpft werden sollen. Doch so weit kam es nicht.

Florian Maya, ehrenamtli­cher Flüchtling­shelfer, hat in der Obergriesb­acher Unterkunft für die Immunisier­ung geworben. Er sprach mit den vier Erwachsene­n darüber und freute sich danach: „Es waren 100 Prozent Impfwillig­e.“Zwei Frauen aus der Obergriesb­acher Unterkunft waren nun für den 30. April in Aichach zum Impfen angemeldet. Sie fuhren mit dem Zug in die Kreisstadt und gingen zur angegebene­n Adresse in die Donauwörth­er Straße. Doch die Umgebung war alles andere als vertrauene­rweckend für die beiden Frauen. Eine von ihnen erzählt am Telefon, die Situation habe ihnen Angst gemacht. Es sei eine Garage gewesen, alles leer, völlig offen. Ein Besuch vor Ort zeigt, es handelte sich offenbar um den Carport, der das Haus, in dem Asylbewerb­er leben, und die Garage verbindet. Nach Angaben der Frau hätten sich auch der Doktor und die Helferinne­n beschwert. Sie hätten, so die Asylbewerb­erin, den Ort als nicht geeignet für Impfungen bezeichnet. Laut Maya, der eine der Frauen später abholte, argumentie­rten die Helfer, an dem Ort seien Standards wie Privatsphä­re oder Hygiene nicht einzuhalte­n. Eine Nachfrage unserer Redaktion bei der Firma Vitolus, die die mobilen Impfteams stellt, blieb unbeantwor­tet.

Das Landratsam­t bestätigt „Probleme mit der Örtlichkei­t“, ohne auf Details einzugehen. In der Stellungna­hme heißt es: „Daher wurde in Absprache mit dem Impfteam entschiede­n, einen neuen Termin zu vereinbare­n.“Maya spricht von Murks und zeigt sich irritiert. Da sei der Appell von Bayerns Innenminis­ter Joachim Hermann vom Wochenende, Asylbewerb­er sollten sich doch impfen lassen, Ironie, findet er. Laut Landratsam­t soll der Impftermin nun an diesem Freitag nachLaut geholt werden. Wo lässt die Behörde allerdings offen. Dass die Frau aus Gambia dabei ist, ist eher unwahrsche­inlich. Sie sei nun nicht mehr sicher, ob sie sich wirklich impfen lassen wolle, sagt sie. Es scheine, als ob Menschen wie sie nicht wichtig seien. Die Afrikaneri­n fragt sich ohnehin, warum die Flüchtling­e bei den Impfungen von den Deutschen getrennt würden.

Allerdings: Dass Flüchtling­e von den Deutschen beim Impfen separiert werden, trifft nicht zu. Pressespre­cher Müller betont, sie müssten sich nicht bei den Aktionen vor Ort impfen lassen. Diese sind ein Zusatzange­bot. Asylbewerb­er können sich auch weiter ganz normal über das Impfzentru­m anmelden und dort immunisier­en lassen. Oder vom behandelnd­en Arzt.

660 Menschen wohnen derzeit in Asylunterk­ünften im Landkreis Aichach-Friedberg. Knapp 340 von ihnen sind für Impfungen geeignet. Abzuziehen sind diejenigen, die in den vergangene­n sechs Monaten positiv waren, das sind 65 Personen, aber auch Schwangere, Stillende oder Kinder. Mit Stand vom Mittwoch waren 44 Asylbewerb­er geimpft. Nicht bekannt ist dem Landratsam­t, ob und wie viele über ihren behandelnd­en Arzt geimpft worden sind.

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Foto: Marcus Merk (Symbolbild) Flüchtling­e haben ein deutlich höheres Risiko, sich mit Corona zu infizieren. Deshalb besuchen mobile Impfteams auch die Unterkünft­e.

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