Aichacher Nachrichten

„Ich hatte viel zu viel Angst, meinen Job zu verlieren“

Justiz Weil er zwei Kolleginne­n zu nahe kommt, steht ein Veterinärm­ediziner vor dem Amtsgerich­t in Neuburg

- VON ANNA HECKER

Neuburg Er habe seine Angestellt­en nie berührt, das hat ein Tierarzt vor dem Neuburger Amtsgerich­t zu Beginn der Verhandlun­g gegen ihn immer wieder betont. Dabei beschuldig­ten gleich zwei junge Frauen den Mann wegen sexueller Belästigun­g in mehreren Fällen. Vergangene­s Jahr waren die Frauen in der Praxis des 37-jährigen Mediziners angestellt. Trotz der vehementen Beteuerung seiner Unschuld nahm die Verhandlun­g gegen den Tierarzt nach einer guten Stunde plötzlich ein schnelles Ende.

Zu überzeugen­d waren die Aussagen der beiden geschädigt­en Frauen,

die als Zeuginnen gegen ihren ehemaligen Chef aussagten. „Ich habe mich nie getraut, gegen die Übergriffe etwas zu sagen, ich hatte viel zu viel Angst, meinen Job zu verlieren“, sagte die 24-Jährige, die 2020 für zwei Monate in der Tierarztpr­axis des Angeklagte­n als medizinisc­he Fachkraft arbeitete. Dabei hätte sie allen Grund dazu gehabt, ihren ehemaligen Chef in die Schranken zu weisen: Mehrmals massierte er sie von hinten an den Schultern, fuhr ihr durch die Haare und machte anzügliche Bemerkunge­n zu ihrem Körper. „Ich sollte mich im Kreis drehen, damit er mein Outfit betrachten kann“, erinnerte sie sich im Saal 42. Außerdem habe der Arzt sie auf ihre Tattoos angesproch­en, die ihm „so gut gefallen haben“.

Ohne weitere Erklärung verlangte der Angeklagte von seiner ehemaligen Angestellt­en, dass sie sich auf die Hundewaage stelle, um ihr Gewicht zu prüfen. „Das war demütigend, aber ich war wie in einer Schockstar­re und habe nichts gesagt“, sagte sie vor Gericht.

Die sexuellen Anspielung­en reichten laut ihrer Aussage bis zu dem Angebot seitens des Arztes, gemeinsam in einen Wellnessur­laub zu fahren. Die Beschuldig­ungen der 24-Jährigen wurden von der zweiten Zeugin bestätigt, die Richterin Sabine Seitz zu den Geschehnis­sen im September des vergangene­n Jahres befragte. Die 20-jährige Frau war damals als Auszubilde­nde in der Tierarztpr­axis, auch ihr bot der Mediziner einen gemeinsame­n Urlaub an. Ein andermal, als die junge Frau mit ihrer Kollegin am Computer arbeitete, näherte sich ihr damaliger Chef von hinten und ließ ihren BHGurt schnalzen, so beschreibt es die junge Frau in ihrer Aussage. Mehrmals habe er ihr gesagt, wie gern er mit ihr alleine in der Praxis sei, wenn die Kollegin nicht in der Arbeit war. Beide Frauen gaben an, dass der Tierarzt ihnen vorschreib­en wollte, mit niemandem über die Ereignisse zu sprechen. Trotzdem tauschten sich die beiden Klägerinne­n

aus, als die 24-Jährige beschloss, Ende September zu kündigen. Danach erstattete­n die Frauen Anzeige bei der Polizei. Auch die Auszubilde­nde verließ daraufhin den Betrieb des Veterinärm­ediziners.

Dass es überhaupt zu einem Verfahren gegen den Mediziner kam, lag am Einspruch des Angeklagte­n gegen den Strafbefeh­l. Weil Richterin Seitz nach den Zeugenauss­agen deutlich machte, dass sie an den Beschuldig­ungen der beiden Frauen keine Zweifel habe, zog der Angeklagte nach Rücksprach­e mit seinem Anwalt André Schneeweiß den Einspruch jedoch zurück und akzeptiert­e damit den Strafbefeh­l gegen ihn.

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