Nitrat: Landwirte lassen die Belastung prüfen
Die Nitratbelastung im Grundwasser in Aichach-Friedberg ist nach Ansicht der Behörden vielerorts zu hoch. Viele Landwirte haben Zweifel daran. Sie haben nun eine Interessengemeinschaft gegründet und setzen sich zur Wehr
AichachFriedberg Wie stark ist das Grundwasser im Landkreis Aichach-Friedberg mit Nitrat belastet? Sehr, sagt das Bayerische Landesamt für Umwelt (LfU). Eine Karte auf seiner Internetseite weist viele Flächen im Wittelsbacher Land als rote, also belastete Gebiete aus. Das hat konkrete Auswirkungen darauf, wie viel Stickstoffdünger Landwirte auf diesen Feldern ausbringen dürfen. Viele von ihnen halten Ausmaß und Lage der roten Flächen für nicht nachvollziehbar. Rund 150 Landwirte aus Aichach-Friedberg und angrenzenden Landkreisen wehren sich nun dagegen.
Die weitere Verschärfung der Düngeverordnung betrifft die Landwirte in der Region besonders, weil im tertiären Hügelland viele Fleischveredelungsbetriebe große Mengen an Gülle aus Rinder-, Schweine- oder Geflügelmast produzieren und auf den Flächen ausbringen. Die Betroffenen haben eine Interessengemeinschaft (IG) gegründet. Vorsitzender ist Reinhard Herb, Kreisobmann des Bayerischen Bauernverbands. Das Thema betrifft auch ihn persönlich: Einige Flächen, die er bewirtschaftet, gelten als belastet. Andere nicht. Das leuchtet dem Sielenbacher nicht ein: „Ich habe die Flächen immer gleich bewirtschaftet.“
Herb zufolge zählt die IG rund 150 Landwirte aus den Landkreisen Aichach-Friedberg, NeuburgSchrobenhausen und Dachau. Sie hat ein Gutachten bei einem Berliner Fachbüro in Auftrag gegeben. Unterstützt wird sie vom Bayerischen Bauernverband. Im Gegensatz zu diesem sei die IG klageberechtigt, merkt Herb an.
Sie kritisiert vor allem, dass die sechs Messstellen im Bereich des Grundwasserkörpers G050 zu wenige und zudem falsch positioniert seien. Er umfasst unter anderem weite Teile des Landkreises AichachFriedberg, auf dessen Gebiet drei der sechs Messstellen liegen. Herb sagt: „Wir vermuten, dass diese drei Messstellen als repräsentative Werte völlig ungeeignet sind.“Als Beispiel nennt er die Dümpfelbachquelle bei Mainbach (Hollenbach). Bei ihr handle es sich um Sickerwasser aus Drainagen. Die Nitratbelastung sei entsprechend hoch und werde den Bauern angelastet, schimpft Herb.
Würde das Wasserwirtschaftsamt Donauwörth stattdessen Wasser aus dem Silberbrünnl messen, wäre die Belastung viel niedriger. Der Bach entspringt knapp vier Kilometer Luftlinie entfernt von der Messstelle im Landschaftsschutzgebiet im Quellmoorgebiet bei Motzenhofen (Hollenbach). Doch auch Herb räumt ein, dass dieses Wasser wohl nicht repräsentativ für den Landkreis wäre. „Wenn die Wahrheit ir
dazwischen liegt, kämen wir schon zusammen.“Auch die Zahl der Stützmessstellen – ein weiteres Untersuchungsinstrument – sei zu gering, um einen realistischen Überblick zu geben. Die IG sammelt nun bis Ende Juni Daten für das Gutachten und trägt dessen Kosten. Herb sucht regelmäßig nach in seinen Augen geeignete Standorte für Stützmessstellen und zieht Wasserproben. Bis Herbst werde das Gutachten vorliegen, schätzt er.
Der Kreisobmann unterstreicht: „Uns Bauern liegt genauso an einem guten Trinkwasser und Grundwasser. Das ist unser täglich Brot.“Die IG hoffe auf eine Überprüfung der roten Gebiete und unter anderem eine Novellierung der Düngeverordnung. Diese wurde unter dem Protest vieler Landwirte im Mai 2020 auf Druck der EU verschärft. Die Bauern hätten seitdem „Riesenprobleme“, weil sie in roten Gebieten nicht mehr im erforderlichen
Maß düngen dürften, klagt BBVChef Herb.
Andreas Rimböck, Behördenleiter des Wasserwirtschaftsamtes Donauwörth, kennt die Kritik. Er sagt: „Dass wir Nitratbelastung im Untergrund haben, ist seit Jahrzehnten bekannt.“Die EU habe die Schrauben angezogen, weil zu wenig passiert sei. Auch wenn zahlreiche Landwirte sich um Verbesserungen bemühten, hätten einige Wasserversorger wegen der Nitratbelastung bereits auf niedrigere Grundwasserschichten ausweichen müssen. Das Gutachten der Landwirte könne allenfalls das Prozedere der Flächenausweisung zum Thema machen, nicht aber die Grundproblematik.
Zwar könne das Grundwasser „lokal sehr unterschiedlich sein“. Dennoch zeigten Messergebnisse, dass die Messstellen sehr wohl repräsentativ seien. Das viel diskutierte Argument des Drainagewassers hält er für nicht stichhaltig: „Draigendwo
nagewasser ist auch nichts anderes als Grundwasser, das zutage tritt.“Drainagen seien gelegt worden, um Felder zu bewirtschaften. „Wenn oben gedüngt wird, schlägt das schnell durch.“Für die Düngeverordnung sei der oberste Grundwasserleiter relevant. Schlechte Werte dort seien ein Alarmzeichen für das, was weiter unten passiere.
Zur Verfahrensweise erklärt Rimböck: „Man schaut eh nur die Gebiete an, wo ein Verdacht auf Nitratgefahr besteht.“Andere Flächen fielen aus der weiteren Bewertung heraus. Grundlage seien die Messwerte. Im nächsten Schritt werde die Nitrataustragsgefährdung der betroffenen Böden berechnet. In sie flössen unter anderem Niederschlagsund Bodenparameter oder die Verbindung mit Oberflächengewässern ein. Das LfU hat Rimböck zufolge für ganz Bayern ermittelt, wie viel Nitrat grundwasserverträglich ausgebracht werden darf. Damit
würden die Düngedaten der Bauern verglichen. Brächten sie mehr Dünger aus, als vom LfU vorgesehen, gelte ein Gebiet als nitratbelastet.
Diese Berechnung halten Landwirte für nicht nachvollziehbar und fernab der fachlichen Praxis. Herb kritisiert, es fehle an Einzelbetriebsdaten. Hier gebe es „sicher noch einige Fragezeichen“, sagt Rimböck. Er betont aber auch: „Wenn ein Landwirt nicht mehr düngen würde, als grundwasserverträglich ist, würde er unabhängig von der Messstelle nicht im roten Gebiet liegen.“Er wäre dafür, flächendeckend so vorzugehen: „Dann wären wir von der Messstellen-Diskussion weg.“Wasserversorger beklagten ohnehin, dass nicht in allen Gebieten der ausgebrachte Dünger und die LfUVorgaben verglichen werden. Dann würde möglicherweise deutlich, dass in Wahrheit viel mehr Flächen nitratbelastet seien als bislang bekannt, so ihr Argument.»Kommentar