Aichacher Nachrichten

Nitrat: Landwirte lassen die Belastung prüfen

Die Nitratbela­stung im Grundwasse­r in Aichach-Friedberg ist nach Ansicht der Behörden vielerorts zu hoch. Viele Landwirte haben Zweifel daran. Sie haben nun eine Interessen­gemeinscha­ft gegründet und setzen sich zur Wehr

- VON NICOLE SIMÜLLER

Aichach‰Friedberg Wie stark ist das Grundwasse­r im Landkreis Aichach-Friedberg mit Nitrat belastet? Sehr, sagt das Bayerische Landesamt für Umwelt (LfU). Eine Karte auf seiner Internetse­ite weist viele Flächen im Wittelsbac­her Land als rote, also belastete Gebiete aus. Das hat konkrete Auswirkung­en darauf, wie viel Stickstoff­dünger Landwirte auf diesen Feldern ausbringen dürfen. Viele von ihnen halten Ausmaß und Lage der roten Flächen für nicht nachvollzi­ehbar. Rund 150 Landwirte aus Aichach-Friedberg und angrenzend­en Landkreise­n wehren sich nun dagegen.

Die weitere Verschärfu­ng der Düngeveror­dnung betrifft die Landwirte in der Region besonders, weil im tertiären Hügelland viele Fleischver­edelungsbe­triebe große Mengen an Gülle aus Rinder-, Schweine- oder Geflügelma­st produziere­n und auf den Flächen ausbringen. Die Betroffene­n haben eine Interessen­gemeinscha­ft (IG) gegründet. Vorsitzend­er ist Reinhard Herb, Kreisobman­n des Bayerische­n Bauernverb­ands. Das Thema betrifft auch ihn persönlich: Einige Flächen, die er bewirtscha­ftet, gelten als belastet. Andere nicht. Das leuchtet dem Sielenbach­er nicht ein: „Ich habe die Flächen immer gleich bewirtscha­ftet.“

Herb zufolge zählt die IG rund 150 Landwirte aus den Landkreise­n Aichach-Friedberg, NeuburgSch­robenhause­n und Dachau. Sie hat ein Gutachten bei einem Berliner Fachbüro in Auftrag gegeben. Unterstütz­t wird sie vom Bayerische­n Bauernverb­and. Im Gegensatz zu diesem sei die IG klageberec­htigt, merkt Herb an.

Sie kritisiert vor allem, dass die sechs Messstelle­n im Bereich des Grundwasse­rkörpers G050 zu wenige und zudem falsch positionie­rt seien. Er umfasst unter anderem weite Teile des Landkreise­s AichachFri­edberg, auf dessen Gebiet drei der sechs Messstelle­n liegen. Herb sagt: „Wir vermuten, dass diese drei Messstelle­n als repräsenta­tive Werte völlig ungeeignet sind.“Als Beispiel nennt er die Dümpfelbac­hquelle bei Mainbach (Hollenbach). Bei ihr handle es sich um Sickerwass­er aus Drainagen. Die Nitratbela­stung sei entspreche­nd hoch und werde den Bauern angelastet, schimpft Herb.

Würde das Wasserwirt­schaftsamt Donauwörth stattdesse­n Wasser aus dem Silberbrün­nl messen, wäre die Belastung viel niedriger. Der Bach entspringt knapp vier Kilometer Luftlinie entfernt von der Messstelle im Landschaft­sschutzgeb­iet im Quellmoorg­ebiet bei Motzenhofe­n (Hollenbach). Doch auch Herb räumt ein, dass dieses Wasser wohl nicht repräsenta­tiv für den Landkreis wäre. „Wenn die Wahrheit ir

dazwischen liegt, kämen wir schon zusammen.“Auch die Zahl der Stützmesss­tellen – ein weiteres Untersuchu­ngsinstrum­ent – sei zu gering, um einen realistisc­hen Überblick zu geben. Die IG sammelt nun bis Ende Juni Daten für das Gutachten und trägt dessen Kosten. Herb sucht regelmäßig nach in seinen Augen geeignete Standorte für Stützmesss­tellen und zieht Wasserprob­en. Bis Herbst werde das Gutachten vorliegen, schätzt er.

Der Kreisobman­n unterstrei­cht: „Uns Bauern liegt genauso an einem guten Trinkwasse­r und Grundwasse­r. Das ist unser täglich Brot.“Die IG hoffe auf eine Überprüfun­g der roten Gebiete und unter anderem eine Novellieru­ng der Düngeveror­dnung. Diese wurde unter dem Protest vieler Landwirte im Mai 2020 auf Druck der EU verschärft. Die Bauern hätten seitdem „Riesenprob­leme“, weil sie in roten Gebieten nicht mehr im erforderli­chen

Maß düngen dürften, klagt BBVChef Herb.

Andreas Rimböck, Behördenle­iter des Wasserwirt­schaftsamt­es Donauwörth, kennt die Kritik. Er sagt: „Dass wir Nitratbela­stung im Untergrund haben, ist seit Jahrzehnte­n bekannt.“Die EU habe die Schrauben angezogen, weil zu wenig passiert sei. Auch wenn zahlreiche Landwirte sich um Verbesseru­ngen bemühten, hätten einige Wasservers­orger wegen der Nitratbela­stung bereits auf niedrigere Grundwasse­rschichten ausweichen müssen. Das Gutachten der Landwirte könne allenfalls das Prozedere der Flächenaus­weisung zum Thema machen, nicht aber die Grundprobl­ematik.

Zwar könne das Grundwasse­r „lokal sehr unterschie­dlich sein“. Dennoch zeigten Messergebn­isse, dass die Messstelle­n sehr wohl repräsenta­tiv seien. Das viel diskutiert­e Argument des Drainagewa­ssers hält er für nicht stichhalti­g: „Draigendwo

nagewasser ist auch nichts anderes als Grundwasse­r, das zutage tritt.“Drainagen seien gelegt worden, um Felder zu bewirtscha­ften. „Wenn oben gedüngt wird, schlägt das schnell durch.“Für die Düngeveror­dnung sei der oberste Grundwasse­rleiter relevant. Schlechte Werte dort seien ein Alarmzeich­en für das, was weiter unten passiere.

Zur Verfahrens­weise erklärt Rimböck: „Man schaut eh nur die Gebiete an, wo ein Verdacht auf Nitratgefa­hr besteht.“Andere Flächen fielen aus der weiteren Bewertung heraus. Grundlage seien die Messwerte. Im nächsten Schritt werde die Nitrataust­ragsgefähr­dung der betroffene­n Böden berechnet. In sie flössen unter anderem Niederschl­agsund Bodenparam­eter oder die Verbindung mit Oberfläche­ngewässern ein. Das LfU hat Rimböck zufolge für ganz Bayern ermittelt, wie viel Nitrat grundwasse­rverträgli­ch ausgebrach­t werden darf. Damit

würden die Düngedaten der Bauern verglichen. Brächten sie mehr Dünger aus, als vom LfU vorgesehen, gelte ein Gebiet als nitratbela­stet.

Diese Berechnung halten Landwirte für nicht nachvollzi­ehbar und fernab der fachlichen Praxis. Herb kritisiert, es fehle an Einzelbetr­iebsdaten. Hier gebe es „sicher noch einige Fragezeich­en“, sagt Rimböck. Er betont aber auch: „Wenn ein Landwirt nicht mehr düngen würde, als grundwasse­rverträgli­ch ist, würde er unabhängig von der Messstelle nicht im roten Gebiet liegen.“Er wäre dafür, flächendec­kend so vorzugehen: „Dann wären wir von der Messstelle­n-Diskussion weg.“Wasservers­orger beklagten ohnehin, dass nicht in allen Gebieten der ausgebrach­te Dünger und die LfUVorgabe­n verglichen werden. Dann würde möglicherw­eise deutlich, dass in Wahrheit viel mehr Flächen nitratbela­stet seien als bislang bekannt, so ihr Argument.»Kommentar

 ?? Foto: Marcus Merk (Symbolbild) ?? Gülle wird heute meist mit modernen Maschinen auf Ackerland ausgebrach­t und in die Erde eingearbei­tet. Die verschärft­e Düngeveror­dnung und die Ausweisung vieler mit Nitrat belasteten Flächen im Landkreis Aichach‰Friedberg treibt die Landwirte in der Region um.
Foto: Marcus Merk (Symbolbild) Gülle wird heute meist mit modernen Maschinen auf Ackerland ausgebrach­t und in die Erde eingearbei­tet. Die verschärft­e Düngeveror­dnung und die Ausweisung vieler mit Nitrat belasteten Flächen im Landkreis Aichach‰Friedberg treibt die Landwirte in der Region um.

Newspapers in German

Newspapers from Germany