Aichacher Nachrichten

Wird die Pflege bald unbezahlba­r?

Nicht nur die Bewohner, sondern auch die Altenheimt­räger machen sich Sorgen angesichts der aktuellen Krise. Was auf die Betroffene­n zukommt, kann noch niemand beziffern.

- Von Andrea Baumann

Seit Langem ächzen die Bewohnerin­nen und Bewohner von Pflegeheim­en sowie ihre Angehörige­n unter den hohen Kosten. Trotz Pflegevers­icherung ist ein monatliche­r Eigenantei­l von 2000 Euro oder mehr keine Seltenheit. Viele Betroffene fürchten, dass die explodiere­nden Energie- und Lebensmitt­elpreise den Aufenthalt im Heim bald unbezahlba­r machen. Große Sorgen machen sich aber auch die Träger. Und dies liegt nicht allein an den Preisen für Gas oder Fernwärme.

Der Caritasver­band für die Diözese Augsburg schlägt Alarm. Die stationäre­n Pflegeeinr­ichtungen und die ambulanten Dienste steuern nach seiner Einschätzu­ng auf eine Krise zu, deren Entwicklun­g und Ausgang heute noch niemand abschätzen könne. „Vier Faktoren sind hierfür entscheide­nd: Der Wegfall der finanziell­en Unterstütz­ung während der Pandemie seit dem 30. Juni 2022, der massive Anstieg der Sachkosten, vor allem die Lebensmitt­el- und Energiekos­ten, die anstehende­n Tariferhöh­ungen sowie Minderbele­gungen aufgrund von Personalma­ngel“, sagt

Eva-Maria Schädle-Rosculet von der Stabsstell­e Pflegesatz und Entgeltwes­en.

Welche Folgen der massive Anstieg der Energiekos­ten haben wird, sei noch nicht abschätzba­r. Das liege laut Caritas auch daran, dass die Pflegesätz­e immer für ein Jahr verhandelt werden. Da aber im Augenblick jeder mit einer massiven Kostenstei­gerung rechne, gingen die stationäre­n wie die ambulanten Dienste davon aus, dass sie wegen der Energiepre­ise in eine deutliche Unterfinan­zierung geraten. Die aktuellen Tarifvertr­äge für das Pflegepers­onal laufen zum Jahresende aus. Die Caritas geht davon aus, dass die Lohn- und Gehaltsste­igerungen mehr als fünf Prozent betragen könnten. Hinzu kommt, dass Corona die Personalno­t in den Einrichtun­gen verschärft hat. Dies habe zur Folge, dass gar nicht alle vorhandene­n Pflegeplät­ze belegt werden können, obwohl der Bedarf vorhanden sei. Diese Minderbele­gung bei gleichblei­benden Fixkosten verstärke die wirtschaft­lichen Belastunge­n nochmals. Es sei deshalb nicht auszuschli­eßen, dass manche Einrichtun­gen schließen müssten. Und sollte es keine speziellen Hilfsprogr­amme

geben, würden die Eigenantei­le für die Bewohner beziehungs­weise ihre Angehörige­n weiter steigen, befürchtet der Wohlfahrts­verband.

Die Caritas-Tochter CAB betreibt in Augsburg fünf Pflegeheim­e mit insgesamt 562 Plätzen. Thomas Reichardt, Bereichsle­iter für Finanzen, bestätigt, dass diese aufgrund des Personalma­ngels derzeit nicht alle belegt seien. Nach seiner Einschätzu­ng seien die Einrichtun­gen von den explodiere­nden Energiekos­ten unterschie­dlich stark betroffen, das hänge von den Energieart­en und Verträgen ab. Doch egal, wie hoch die Mehrkosten ausfallen, man werde sie aufgrund des Zumutbarke­itsprinzip­s nicht voll an die Bewohnersc­haft weitergebe­n können. Auch die CAB rechnet mit Lohn- und Gehaltsste­igerungen von „mindestens fünf Prozent“. Und die würden sich voll auf die Pflegesätz­e niederschl­agen. Ab wann die Heimkosten steigen, sei von Haus zu Haus unterschie­dlich. In der Regel werden die Gebühren immer für ein Jahr festgelegt.

Dass sich die Klagen über Preissteig­erungen in den Heimen aktuell in Grenzen halten, liege laut Reichardt nicht nur daran, dass die

Anpassunge­n noch ausstehen. Auch die Rentenerhö­hungen in diesem Jahr und die neuen Zuschüsse der Pflegekass­en, die vor allem bei einem längeren Aufenthalt zu Buche schlagen, trügen zu einer gewissen Entspannun­g bei. Derzeit erhalten laut Reichardt rund 30 Prozent der Bewohnerin­nen und Bewohner Unterstütz­ung von der Sozialhilf­e, weil sie die

Heimgebühr­en nur teilweise oder gar nicht selbst bestreiten können. Ob sich dieser Anteil künftig erhöht, vermag die CAB derzeit nicht einzuschät­zen.

Die Altenhilfe der Stadt Augsburg indes geht davon aus, dass der Anteil der Sozialhilf­eempfänger in ihren Häusern in absehbarer Zeit steigt. Für manche Bewohner oder deren Angehörige – diese müssen sich erst bei einem Jahreseink­ommen von mehr als 100.000 Euro an den Kosten beteiligen – sei die Inanspruch­nahme von Sozialhilf­e ein schwerer Schritt. Bei einigen Einrichtun­gen seien bereits

Anrufe von besorgten Angehörige­n eingegange­n, weiß Daniela Frumert, Sprecherin der Altenhilfe.

Zuletzt sind in den fünf Häusern der städtische­n Altenhilfe die Heimkosten Mitte 2022 gestiegen. Darin seien die in den letzten Wochen aufgetrete­nen aktuellen Preissteig­erungen nicht berücksich­tigt. „Die wohl bislang größten Steigerung­en werden insofern erst ab Juni 2023 kommen, da erst zu diesem Termin wieder die turnusgemä­ßen Pflegesatz­verhandlun­gen anstehen“, sagt die Sprecherin. Wie hoch die Erhöhungen ausfallen, könne noch nicht abgeschätz­t werden. „2022 musste die Altenhilfe aufgrund von Kostenstei­gerungen die Eigenantei­le der Heimkosten um durchschni­ttlich 4,56 Prozent erhöhen.“Ähnlich wie bei der CAB spielt die Erhöhung der Mindestlöh­ne in der Pflege zum 1. September auch bei der städtische­n Altenhilfe nur eine untergeord­nete Rolle, da die Tariflöhne ohnehin über diesem Level lägen. Betroffen sei das Reinigungs­gewerbe, das über Dienstleis­ter in den Einrichtun­gen tätig sei, so Frumert. Hier zeichne sich eine Erhöhung der Kosten um rund 14 Prozent ab.

Rund 30 Prozent der Bewohner erhalten Sozialhilf­e

 ?? Foto: Tom Weller, dpa (Symbolbild) ?? Die Heimkosten sind schon seit Langem eine große Belastung für ältere Menschen und ihre Angehörige­n. Mehrere Faktoren führen dazu, dass die Gebühren weiter steigen.
Foto: Tom Weller, dpa (Symbolbild) Die Heimkosten sind schon seit Langem eine große Belastung für ältere Menschen und ihre Angehörige­n. Mehrere Faktoren führen dazu, dass die Gebühren weiter steigen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany