Wird die Pflege bald unbezahlbar?
Nicht nur die Bewohner, sondern auch die Altenheimträger machen sich Sorgen angesichts der aktuellen Krise. Was auf die Betroffenen zukommt, kann noch niemand beziffern.
Seit Langem ächzen die Bewohnerinnen und Bewohner von Pflegeheimen sowie ihre Angehörigen unter den hohen Kosten. Trotz Pflegeversicherung ist ein monatlicher Eigenanteil von 2000 Euro oder mehr keine Seltenheit. Viele Betroffene fürchten, dass die explodierenden Energie- und Lebensmittelpreise den Aufenthalt im Heim bald unbezahlbar machen. Große Sorgen machen sich aber auch die Träger. Und dies liegt nicht allein an den Preisen für Gas oder Fernwärme.
Der Caritasverband für die Diözese Augsburg schlägt Alarm. Die stationären Pflegeeinrichtungen und die ambulanten Dienste steuern nach seiner Einschätzung auf eine Krise zu, deren Entwicklung und Ausgang heute noch niemand abschätzen könne. „Vier Faktoren sind hierfür entscheidend: Der Wegfall der finanziellen Unterstützung während der Pandemie seit dem 30. Juni 2022, der massive Anstieg der Sachkosten, vor allem die Lebensmittel- und Energiekosten, die anstehenden Tariferhöhungen sowie Minderbelegungen aufgrund von Personalmangel“, sagt
Eva-Maria Schädle-Rosculet von der Stabsstelle Pflegesatz und Entgeltwesen.
Welche Folgen der massive Anstieg der Energiekosten haben wird, sei noch nicht abschätzbar. Das liege laut Caritas auch daran, dass die Pflegesätze immer für ein Jahr verhandelt werden. Da aber im Augenblick jeder mit einer massiven Kostensteigerung rechne, gingen die stationären wie die ambulanten Dienste davon aus, dass sie wegen der Energiepreise in eine deutliche Unterfinanzierung geraten. Die aktuellen Tarifverträge für das Pflegepersonal laufen zum Jahresende aus. Die Caritas geht davon aus, dass die Lohn- und Gehaltssteigerungen mehr als fünf Prozent betragen könnten. Hinzu kommt, dass Corona die Personalnot in den Einrichtungen verschärft hat. Dies habe zur Folge, dass gar nicht alle vorhandenen Pflegeplätze belegt werden können, obwohl der Bedarf vorhanden sei. Diese Minderbelegung bei gleichbleibenden Fixkosten verstärke die wirtschaftlichen Belastungen nochmals. Es sei deshalb nicht auszuschließen, dass manche Einrichtungen schließen müssten. Und sollte es keine speziellen Hilfsprogramme
geben, würden die Eigenanteile für die Bewohner beziehungsweise ihre Angehörigen weiter steigen, befürchtet der Wohlfahrtsverband.
Die Caritas-Tochter CAB betreibt in Augsburg fünf Pflegeheime mit insgesamt 562 Plätzen. Thomas Reichardt, Bereichsleiter für Finanzen, bestätigt, dass diese aufgrund des Personalmangels derzeit nicht alle belegt seien. Nach seiner Einschätzung seien die Einrichtungen von den explodierenden Energiekosten unterschiedlich stark betroffen, das hänge von den Energiearten und Verträgen ab. Doch egal, wie hoch die Mehrkosten ausfallen, man werde sie aufgrund des Zumutbarkeitsprinzips nicht voll an die Bewohnerschaft weitergeben können. Auch die CAB rechnet mit Lohn- und Gehaltssteigerungen von „mindestens fünf Prozent“. Und die würden sich voll auf die Pflegesätze niederschlagen. Ab wann die Heimkosten steigen, sei von Haus zu Haus unterschiedlich. In der Regel werden die Gebühren immer für ein Jahr festgelegt.
Dass sich die Klagen über Preissteigerungen in den Heimen aktuell in Grenzen halten, liege laut Reichardt nicht nur daran, dass die
Anpassungen noch ausstehen. Auch die Rentenerhöhungen in diesem Jahr und die neuen Zuschüsse der Pflegekassen, die vor allem bei einem längeren Aufenthalt zu Buche schlagen, trügen zu einer gewissen Entspannung bei. Derzeit erhalten laut Reichardt rund 30 Prozent der Bewohnerinnen und Bewohner Unterstützung von der Sozialhilfe, weil sie die
Heimgebühren nur teilweise oder gar nicht selbst bestreiten können. Ob sich dieser Anteil künftig erhöht, vermag die CAB derzeit nicht einzuschätzen.
Die Altenhilfe der Stadt Augsburg indes geht davon aus, dass der Anteil der Sozialhilfeempfänger in ihren Häusern in absehbarer Zeit steigt. Für manche Bewohner oder deren Angehörige – diese müssen sich erst bei einem Jahreseinkommen von mehr als 100.000 Euro an den Kosten beteiligen – sei die Inanspruchnahme von Sozialhilfe ein schwerer Schritt. Bei einigen Einrichtungen seien bereits
Anrufe von besorgten Angehörigen eingegangen, weiß Daniela Frumert, Sprecherin der Altenhilfe.
Zuletzt sind in den fünf Häusern der städtischen Altenhilfe die Heimkosten Mitte 2022 gestiegen. Darin seien die in den letzten Wochen aufgetretenen aktuellen Preissteigerungen nicht berücksichtigt. „Die wohl bislang größten Steigerungen werden insofern erst ab Juni 2023 kommen, da erst zu diesem Termin wieder die turnusgemäßen Pflegesatzverhandlungen anstehen“, sagt die Sprecherin. Wie hoch die Erhöhungen ausfallen, könne noch nicht abgeschätzt werden. „2022 musste die Altenhilfe aufgrund von Kostensteigerungen die Eigenanteile der Heimkosten um durchschnittlich 4,56 Prozent erhöhen.“Ähnlich wie bei der CAB spielt die Erhöhung der Mindestlöhne in der Pflege zum 1. September auch bei der städtischen Altenhilfe nur eine untergeordnete Rolle, da die Tariflöhne ohnehin über diesem Level lägen. Betroffen sei das Reinigungsgewerbe, das über Dienstleister in den Einrichtungen tätig sei, so Frumert. Hier zeichne sich eine Erhöhung der Kosten um rund 14 Prozent ab.
Rund 30 Prozent der Bewohner erhalten Sozialhilfe