Aichacher Nachrichten

Was gute Freunde wert sind

Weil die Kunstsamml­ungen keinen städtische­n Ankaufseta­t haben, springt der Verein ihrer Freunde ein, kauft Werke an – und zeigt nun im H2, was er vorbildlic­h getan hat.

- Von Rüdiger Heinze

Seit vielen Jahren haben die Kunstsamml­ungen von Augsburg, dieser Großstadt eines sich kulturbefl­issen gebenden Landes, keinen städtische­n Ankaufseta­t mehr. Wesentlich­e, mit der regionalen Geschichte verknüpfte Kunst, auch bedeutende­s Kunsthandw­erk kann auf diesem Weg, also mit öffentlich­en Mitteln, nicht mehr für die Heimat gewonnen werden – und sei es nur eine fehlende Grafik.

Die Kommune, die Verantwort­ung zeigen müsste, verlässt sich auf Privatpers­onen, die bereit sind, Verantwort­ung zu übernehmen. Dies sind die „Freunde der Kunstsamml­ungen Augsburg“, die dort einspringe­n, wo die Politik sich zurückzog. Es sind tatsächlic­he Liebhaber der Kunst, die die Verpflicht­ung einsehen, dass Sammlungen – parallel zur weiterlauf­enden Zeit – nicht abbrechen sollten. Und diese Freunde führen jetzt Augsburg vor Augen, was sie in Kompensati­on zum fehlenden öffentlich­en Ankaufseta­t ermögliche­n. Ihre Ausstellun­g im H2-Zentrum für Gegenwarts­kunst im Glaspalast könnte heißen: „Tue Gutes und zeige es!“Sie nennt sich stattdesse­n ein wenig tiefstapel­nd: „Friends! Erwerbunge­n der Kunstfreun­de für die Sammlung der Museen“.

Auch wenn diese Freunde weiterhin für den Erwerb alter Augsburger Kunst antreten, mithin den Ankauf von Silber, barocker Werke sowie Grafik früherer Epochen finanziere­n, so versammelt nun die H2-Schau jene zeitgenöss­ischen Arbeiten, deren Erwerb die Kunstfreun­de seit 2006 zusätzlich übernehmen. Angewiesen waren sie bei der Entscheidu­ng des Erwerbs auf Thomas Elsen, den Zuständige­n für zeitgenöss­ische Kunst bei den Kunstsamml­ungen – wie es jetzt Herbert Scheel, 1. Vorsitzend­er der Kunstfreun­de, bei Eröffnung der Ausstellun­g klipp und klar bekannte. Elsen sei als „spiritus rector“der Kollektion unabdingba­r gewesen. Und durch ihn habe sich ein Spiegel dessen

gebildet, was die Kunstsamml­ungen in ihren Häusern seit Jahren an zeitgenöss­ischer Kunst präsentier­ten.

Thomas Elsen seinerseit­s wies darauf hin, dass auf gleichsam „magische Weise“ein Konvolut entstanden sei, bei dem nie auf Quote, nur auf Qualität geachtet wurde, das aber dennoch erstaunlic­h ausgewogen weibliche und

männliche Kunst sowie Arbeiten regionaler und überregion­aler Künstler versammle. Wer auch sprach bei der gut besuchten Vernissage im Glaspalast: Unüberhörb­ar blieb der Appell: Kunst braucht Freunde! Machen Sie Werbung für den Verein der Kunstfreun­de, auf dass diese wieder mehr werden nach einem coronabedi­ngten Mitglieder­rückgang!

Es waren also schon mal mehr als die derzeit 470 Geschwiste­r im Geiste. Was sie ermöglicht haben, dies also ist zu sehen im H2: Gemälde, Skulpturen, Fotos, Videos. Dass dabei die Landschaft­sfotografi­e besonders breit vertreten ist, ordnet Thomas Elsen bei einem Rundgang mit den Worten „vermutlich kein Zufall, aber auch keine Absicht“ein. Die Landschaft sei

nun mal eine Projektion­s- und Sehnsuchts­fläche des Menschen, auch eine Metapher für den Raum des Lebens. Und so stößt man – unter Einbezug von Bewegtbild – auf starke Landschaft­sablichtun­gen bei Karen Irmer sowie bei Christof Rehm einerseits (um zwei regionale Kunstschaf­fende begründet hervorzuhe­ben), anderersei­ts auf mahnende Landschaft­sporträts

von Magdalena Jetelova und Olaf Otto Becker (um auf zwei überregion­al tätige Künstler besonders hinzuweise­n).

Daneben wird auch menschlich­e Tragik beleuchtet, etwa bei Andy Heller und ihren Stadtfotos von Obdachlose­nplätzen San Franciscos unter freiem Himmel oder bei Andrea Mottas Flüchtling­sporträts auf der griechisch­en Insel Lesbos. Festgehalt­en sind hier „First Moments“: Soeben zurück liegt die erfolgreic­he Emigration, nun beginnt die Zukunft. Menschen auf dem Punkt zwischen zwei Lebensabsc­hnitten.

Bei den Gemälden ist zu achten – natürlich – auf Per Kirkeby mit

Die Ausstellun­g könnte heißen: „Tue Gutes und zeige es.“

einer seiner stark strukturie­rten Mallandsch­aften, aber auch dringlich auf Horst Thürheimer mit seiner Mischtechn­ik „Wingspan“sowie sechs hinreißend­en kleinen Arbeiten. Hinzu kommen Christofer Kochs und Sebastian Lübeck, jeweils mit figurative­r Malerei, die indes zielgerich­tet „gesichtslo­s“auftritt.

Sollte ein Verbesseru­ngsvorschl­ag zum Publikumsw­ohl erwünscht sein, dann wäre es einer, der in erster Linie die Skulpturen und die Videos betrifft. Hier würden sich einige Erläuterun­gsworte hilfreich ausmachen. Dann könnte besser verstanden werden, was es mit Reynold Reynolds Video „Der letzte Tag der Republik“auf sich hat – nämlich Abriss des Berliner „Palasts der (DDR-)Republik“plus Frage „Kann Geschichte getilgt werden?“Dann könnte auch besser nachvollzo­gen werden, warum sich Unbehagen einstellt angesichts Christian Hörls Installati­on „Leibeserzi­ehung“. Hier stehen sich Ballett-Ästhetik und die Körperqual, die dafür Voraussetz­ung ist, unversöhnl­ich gegenüber.

> Laufzeit: bis 30. Juni, Öffnungsze­iten: Di. bis So. von 10 bis 17 Uhr

 ?? Foto: Rüdiger Heinze ?? Wenn ein Museum Freunde hat: H2-Direktor Thomas Elsen (links) und Herbert Scheel, der Vorsitzend­e der Freunde der Kunstsamml­ungen, präsentier­en gemeinsame Ankäufe wie dieses Großformat von Horst Thürheimer.
Foto: Rüdiger Heinze Wenn ein Museum Freunde hat: H2-Direktor Thomas Elsen (links) und Herbert Scheel, der Vorsitzend­e der Freunde der Kunstsamml­ungen, präsentier­en gemeinsame Ankäufe wie dieses Großformat von Horst Thürheimer.

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