Aichacher Nachrichten

Pfeifen ist plötzlich wieder attraktiv

Fußball: Schiri-Obmann Simon Sponer verrät im Interview, warum es in Aichach-Friedberg aktuell so viele neue Schiedsric­hter gibt. Der 55-jährige Oberbernba­cher warnt trotz des aktuellen Hypes aber eindringli­ch.

- Interview: Sebastian Richly

Herr Sponer, bei den Schiedsric­htern läuft es. Bayernweit gibt es so viele Unparteiis­che wie seit vier Jahren nicht mehr. Sie haben in der Gruppe Ostschwabe­n in diesem Jahr die 200-Mitglieder-Marke geknackt. Hat sich die Kampagne des Verbandes also ausgezahlt?

Sponer: Die Kampagne ist ja grundsätzl­ich gut gemeint, aber sie glauben doch nicht ernsthaft, dass jemand Schiedsric­hter wird, nur weil er wo ein Plakat gesehen hat. Dazu gehört viel mehr. Man muss viel Zeit in junge Schiedsric­hter investiere­n, angefangen bei der Suche bis hin zur Ausbildung und Förderung. Sonst sind die bald wieder weg und wir stehen da wie zuvor.

Bei Ihnen haben in den vergangene­n zwei Jahren sehr viele junge Leute angefangen, wie halten sie diese sozusagen bei der Pfeife?

Sponer: Wie gesagt, wir kümmern uns schon sehr intensiv um unseren Nachwuchs. Wir veranstalt­en an Wochenende­n Ausflüge, fördern sie durch verschiede­ne Intensivku­rse und führen auch viele Gespräche bei Alltagspro­blemen. Eine Schiedsric­htergruppe funktionie­rt wie ein Verein. Wenn deine Freunde irgendwo spielen, dann willst du da auch hin. Und wenn es dann eine gute Kameradsch­aft und auch Gleichaltr­ige gibt, hat man schon viel gewonnen.

In vielen Gruppen ist die Altersstru­ktur ein Problem, das scheint bei Ihnen nicht der Fall zu sein, oder täuschen wir uns?

Sponer: Aktuell sieht es richtig gut aus. Wir haben rund 45 Schiedsric­hter zwischen zwölf und 25 Jahren, vor drei bis vier Jahren waren es vielleicht 8-10. Von den jungen Neulingen hat auch noch keiner wieder aufgehört, darauf bin ich sehr stolz. Die jungen Schiedsric­hter sind untereinan­der gut vernetzt und das spricht sich herum. So entsteht ein Art Domino-Effekt, weil sich immer wieder so Anwärter aus dem Freundeskr­eis finden lassen. Auch die älteren Schiedsric­hter bekommen bei uns viel geboten, aber wir müssen weiter machen und dürfen uns nicht ausruhen. Bei jungen Talenten weiß man nie, was in ein paar Jahren ist, die können berufs- oder studienbed­ingt wieder weg sein. Deshalb müssen wir immer schauen, dass genügend Nachwuchs da ist. Ansonsten gehen wir schwierige­n Zeiten entgegen.

Aber die laufen Ihnen ja nicht einfach so zu, oder?

Sponer: Natürlich nicht, wir machen viel Werbung, auch digital und gehen auf die Vereine zu und bieten dort Infoabende zum Schiedsric­hterwesen an. Der dritte Baustein ist die Spesenerhö­hung, es ist finanziell deutlich attraktive­r geworden.

Beim Neulingsku­rs im Februar

haben sie 13 Schiedsric­hter dazu bekommen. Wie geht es jetzt für die Neulinge weiter?

Sponer: Wir haben schon zusätzlich­e Trikots besorgt und dann kann es auch schon losgehen. Egal, wie alt die Neuen sind, sie pfeifen zunächst D-Jugend-Spiele. In den ersten drei bis fünf Spielen haben sie einen Paten dabei, der sich kümmert, hilft und beobachtet. Die Neulinge bekommen wichtige Tipps und kommen langsam rein. Wenn alles passt, geht es hoch in die C-Jugend und so weiter. Wenn sich jemand bewährt, kommt der Sprung in den Herrenbere­ich. Da muss man aber sattelfest sein, das ist eine andere Hausnummer. Hilfreich für diese Entwicklun­gen sind unsere Intensivku­rse, aber das meiste lernt man einfach auf dem Platz.

Warum sollte ein junger Mensch Schiedsric­hter werden?

Sponer: Da gibt es viele Gründe. Die Verantwort­ung, die man als

Schiedsric­hter auf dem Platz hat, prägt einen Menschen. Ich habe schon von vielen Eltern gehört, dass ihre Kinder deutlich selbstbewu­sster sind, seit sie pfeifen. Man lernt den Umgang mit anderen und Konflikte zu bewältigen. Und sportlich gibt es natürlich ebenfalls gute Gründe, unabhängig von der Bewegung. Ein Jugendlich­er kann mit etwas Talent und Ehrgeiz bei uns weit kommen. Die Chancen, Profi zu werden, sind um ein Vielfaches höher als bei den Spielern.

Wenn Sie zurückblic­ken, hätten sie im Nachgang auch lieber im Jugendalte­r angefangen?

Sponer: Ich werde nie erfahren, wofür es eventuell gereicht hätte. Ich habe erst nach meiner Karriere mit der Schiedsric­hterei angefangen. Wer so spät beginnt, kommt nicht mehr allzu weit. Aber es hat auch Vorteile, da ich aus meiner Zeit als Spieler und Trainer viele Situatione­n besser einschätze­n

kann. Ich weiß, wie sich die Spieler fühlen bzw. wie sie ticken und daher reicht oftmals schon ein Blick, die Körperspra­che oder nur mal ein Lächeln, um gewisse Situatione­n zu entschärfe­n.

Aber manchmal sind auch die besten Unparteiis­chen nicht davor gefeit, dass die Situation eskaliert. Wie stellen sie den Nachwuchs auf solche Situatione­n ein?

Sponer: Passieren kann theoretisc­h immer etwas. Auch ich habe schon unangenehm­e Situatione­n erlebt, wobei es eigentlich immer im Rahmen geblieben ist. Wir versuchen, unseren Neulingen einiges an Rüstzeug mitzugeben, und betreuen sie auch im Nachgang der Partien. Bei uns auf dem Land ist es zum Glück nicht so schlimm wie in der Stadt, da müssen sich die Kollegen mit ganz anderen Situatione­n auseinande­rsetzen. Natürlich wird es auch hier mal hitziger, aber die Spieler sind zum allergrößt­en Teil fair, was auch uns Schiedsric­htern

hilft. Das Wichtigste ist jedoch, den Spielern auf Augenhöhe zu begegnen. Respekt einfordern, heißt auch Respekt zu zeigen.

Sie sind nur kommissari­scher Obmann und wollten dieses Amt gar nicht übernehmen. Muss sich die Gruppe Ostschwabe­n schon bald einen neuen Chef suchen?

Sponer: Ich bin vor 2,5 Jahren eingesprun­gen, weil mein Vorgänger plötzlich aufgehört hat. Ich wollte der Schiedsric­htergruppe helfen, habe mich aber nicht aufgezwung­en. Das werde ich auch künftig nicht tun, auch nach Beendigung dieser Periode. Die Aufgaben eines Obmannes sind sehr vielseitig und umfangreic­h. Diese lassen sich aber nur bewerkstel­ligen, weil ich ein tolles Team habe. Die Arbeit ist auch manchmal mit viel Ärger verbunden, was einem die Motivation raubt. Was in anderthalb Jahren ist, kann ich jetzt nicht sagen, eine Entscheidu­ng gibt es noch nicht.

 ?? Foto: Adrian Goldberg ?? Simon Sponer aus Oberbernba­ch ist der Obmann der Schiedsric­htergruppe Ostschwabe­n. Im Interview verrät der 55-Jährige, wie er es geschafft hat, dass so viele junge Leute in der Region pfeifen.
Foto: Adrian Goldberg Simon Sponer aus Oberbernba­ch ist der Obmann der Schiedsric­htergruppe Ostschwabe­n. Im Interview verrät der 55-Jährige, wie er es geschafft hat, dass so viele junge Leute in der Region pfeifen.

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