Pfeifen ist plötzlich wieder attraktiv
Fußball: Schiri-Obmann Simon Sponer verrät im Interview, warum es in Aichach-Friedberg aktuell so viele neue Schiedsrichter gibt. Der 55-jährige Oberbernbacher warnt trotz des aktuellen Hypes aber eindringlich.
Herr Sponer, bei den Schiedsrichtern läuft es. Bayernweit gibt es so viele Unparteiische wie seit vier Jahren nicht mehr. Sie haben in der Gruppe Ostschwaben in diesem Jahr die 200-Mitglieder-Marke geknackt. Hat sich die Kampagne des Verbandes also ausgezahlt?
Sponer: Die Kampagne ist ja grundsätzlich gut gemeint, aber sie glauben doch nicht ernsthaft, dass jemand Schiedsrichter wird, nur weil er wo ein Plakat gesehen hat. Dazu gehört viel mehr. Man muss viel Zeit in junge Schiedsrichter investieren, angefangen bei der Suche bis hin zur Ausbildung und Förderung. Sonst sind die bald wieder weg und wir stehen da wie zuvor.
Bei Ihnen haben in den vergangenen zwei Jahren sehr viele junge Leute angefangen, wie halten sie diese sozusagen bei der Pfeife?
Sponer: Wie gesagt, wir kümmern uns schon sehr intensiv um unseren Nachwuchs. Wir veranstalten an Wochenenden Ausflüge, fördern sie durch verschiedene Intensivkurse und führen auch viele Gespräche bei Alltagsproblemen. Eine Schiedsrichtergruppe funktioniert wie ein Verein. Wenn deine Freunde irgendwo spielen, dann willst du da auch hin. Und wenn es dann eine gute Kameradschaft und auch Gleichaltrige gibt, hat man schon viel gewonnen.
In vielen Gruppen ist die Altersstruktur ein Problem, das scheint bei Ihnen nicht der Fall zu sein, oder täuschen wir uns?
Sponer: Aktuell sieht es richtig gut aus. Wir haben rund 45 Schiedsrichter zwischen zwölf und 25 Jahren, vor drei bis vier Jahren waren es vielleicht 8-10. Von den jungen Neulingen hat auch noch keiner wieder aufgehört, darauf bin ich sehr stolz. Die jungen Schiedsrichter sind untereinander gut vernetzt und das spricht sich herum. So entsteht ein Art Domino-Effekt, weil sich immer wieder so Anwärter aus dem Freundeskreis finden lassen. Auch die älteren Schiedsrichter bekommen bei uns viel geboten, aber wir müssen weiter machen und dürfen uns nicht ausruhen. Bei jungen Talenten weiß man nie, was in ein paar Jahren ist, die können berufs- oder studienbedingt wieder weg sein. Deshalb müssen wir immer schauen, dass genügend Nachwuchs da ist. Ansonsten gehen wir schwierigen Zeiten entgegen.
Aber die laufen Ihnen ja nicht einfach so zu, oder?
Sponer: Natürlich nicht, wir machen viel Werbung, auch digital und gehen auf die Vereine zu und bieten dort Infoabende zum Schiedsrichterwesen an. Der dritte Baustein ist die Spesenerhöhung, es ist finanziell deutlich attraktiver geworden.
Beim Neulingskurs im Februar
haben sie 13 Schiedsrichter dazu bekommen. Wie geht es jetzt für die Neulinge weiter?
Sponer: Wir haben schon zusätzliche Trikots besorgt und dann kann es auch schon losgehen. Egal, wie alt die Neuen sind, sie pfeifen zunächst D-Jugend-Spiele. In den ersten drei bis fünf Spielen haben sie einen Paten dabei, der sich kümmert, hilft und beobachtet. Die Neulinge bekommen wichtige Tipps und kommen langsam rein. Wenn alles passt, geht es hoch in die C-Jugend und so weiter. Wenn sich jemand bewährt, kommt der Sprung in den Herrenbereich. Da muss man aber sattelfest sein, das ist eine andere Hausnummer. Hilfreich für diese Entwicklungen sind unsere Intensivkurse, aber das meiste lernt man einfach auf dem Platz.
Warum sollte ein junger Mensch Schiedsrichter werden?
Sponer: Da gibt es viele Gründe. Die Verantwortung, die man als
Schiedsrichter auf dem Platz hat, prägt einen Menschen. Ich habe schon von vielen Eltern gehört, dass ihre Kinder deutlich selbstbewusster sind, seit sie pfeifen. Man lernt den Umgang mit anderen und Konflikte zu bewältigen. Und sportlich gibt es natürlich ebenfalls gute Gründe, unabhängig von der Bewegung. Ein Jugendlicher kann mit etwas Talent und Ehrgeiz bei uns weit kommen. Die Chancen, Profi zu werden, sind um ein Vielfaches höher als bei den Spielern.
Wenn Sie zurückblicken, hätten sie im Nachgang auch lieber im Jugendalter angefangen?
Sponer: Ich werde nie erfahren, wofür es eventuell gereicht hätte. Ich habe erst nach meiner Karriere mit der Schiedsrichterei angefangen. Wer so spät beginnt, kommt nicht mehr allzu weit. Aber es hat auch Vorteile, da ich aus meiner Zeit als Spieler und Trainer viele Situationen besser einschätzen
kann. Ich weiß, wie sich die Spieler fühlen bzw. wie sie ticken und daher reicht oftmals schon ein Blick, die Körpersprache oder nur mal ein Lächeln, um gewisse Situationen zu entschärfen.
Aber manchmal sind auch die besten Unparteiischen nicht davor gefeit, dass die Situation eskaliert. Wie stellen sie den Nachwuchs auf solche Situationen ein?
Sponer: Passieren kann theoretisch immer etwas. Auch ich habe schon unangenehme Situationen erlebt, wobei es eigentlich immer im Rahmen geblieben ist. Wir versuchen, unseren Neulingen einiges an Rüstzeug mitzugeben, und betreuen sie auch im Nachgang der Partien. Bei uns auf dem Land ist es zum Glück nicht so schlimm wie in der Stadt, da müssen sich die Kollegen mit ganz anderen Situationen auseinandersetzen. Natürlich wird es auch hier mal hitziger, aber die Spieler sind zum allergrößten Teil fair, was auch uns Schiedsrichtern
hilft. Das Wichtigste ist jedoch, den Spielern auf Augenhöhe zu begegnen. Respekt einfordern, heißt auch Respekt zu zeigen.
Sie sind nur kommissarischer Obmann und wollten dieses Amt gar nicht übernehmen. Muss sich die Gruppe Ostschwaben schon bald einen neuen Chef suchen?
Sponer: Ich bin vor 2,5 Jahren eingesprungen, weil mein Vorgänger plötzlich aufgehört hat. Ich wollte der Schiedsrichtergruppe helfen, habe mich aber nicht aufgezwungen. Das werde ich auch künftig nicht tun, auch nach Beendigung dieser Periode. Die Aufgaben eines Obmannes sind sehr vielseitig und umfangreich. Diese lassen sich aber nur bewerkstelligen, weil ich ein tolles Team habe. Die Arbeit ist auch manchmal mit viel Ärger verbunden, was einem die Motivation raubt. Was in anderthalb Jahren ist, kann ich jetzt nicht sagen, eine Entscheidung gibt es noch nicht.