CORTO MALTESE UND SEINE REISEN ZWISCHEN FIKTION UND GESCHICHTE
Matrose, Tangotänzer, Abenteurer, Seeräuber, Kämpfer, Entdecker, Schatzsucher. Die tausend Facetten eines prachtvollen Fünfzigjährigen.
Geheimnisvoll, faszinierend, emblematisch, unvorhersehbar. Corto Maltese gehört zu den zeitund alterslosen Mythen. Ihn nur als „Comicfigur“zu bezeichnen, wäre so einschränkend wie falsch. Corto Maltese ist 1967 aus der Feder von Hugo Pratt entstanden, einem der größten Karikaturisten und Zeichner Italiens, und verkörpert viele Eigenschaften seines Schöpfers: Auch er ist Weltenbummler und großer Kenner von Menschen und Völkern. Ein Alter Ego, das im 20. Jahrhundert mit der Zeit zu einem wahren Literatur-mythos geworden ist. Ein moderner Antiheld, der Millionen Leser in ihren Bann gezogen und ihre Phantasie angeregt hat. Doch wer ist Corto Maltese, und welches ist seine Geschichte? 1887 in La Valletta als Kind eines englischen Matrosen und einer andalusischen Prostituierten zur Welt gekommen, folgt Corto schon bald den Spuren seines Vaters und
Corto Maltese ist eine Kultfigur einer der besten Comicromane Europas, aber auch ein regelrechter Literaturmythos des 20. Jahrhunderts. Er ist ein Reisender, ein ironischer Matrose, der mediterranes Aussehen und Charakter an eine angelsächsischen Kultur bindet.
widmet sein Leben der Seefahrt. Ein Reisender und Matrose bringt ein mediterranes Aussehen und ebensolchen Charakter perfekt mit der angelsächsischen Kultur unter einen Hut. Es ist ein moderner Odysseus mit Zigarette und Ohrring, der Freiheit und Phantasie dem Wohlstand vorzieht. Von den Erwachsenen sehr geliebt, hat er auch bewiesen, eine Persönlichkeit von mehreren Generationen zu sein, bekannt und sehr geschätzt auch bei Kindern und Jugendlichen. Dies beweist auch die kürzliche Veröffentlichung von „Corto Maltese l’intgrale“, der Gesamtausgabe (herausgegeben von Rizzoli Lizard) der 29 Geschichten, die den seefahrenden Gentleman zum Hauptdarsteller haben, den das Genie Hugo Pratt erschaffen hat und der vor genau fünfzig Jahren zum ersten Mal in
Erscheinung getreten ist. Es war 1967, als die Figur Corto Maltese in der ersten Nummer der Comicreihe „Sgt. Kirk“seinen Auftritt hatte, dem Western-comic, der vom Argentinier Héctor Germán Oesterheld skizziert und vom Meister Pratt gezeichnet wurde. Diese Sammelausgabe, von vielen Comicliebhabern als Bibel von Corto Maltese angesehen, schließen alle Abenteuer des schicksalshaften Gentlemans ein, von „Una ballata del mare salato“(„Südseeballade“) bis „Mu, la città perduta“(„Das Reich Mu“), dem Buch von 1972, in dem er zum letzten Mal offiziell in Erscheinung getreten ist. Sein rebellischer, ungewöhnlicher Stil und seine unglaublichen Abenteuer auf seiner Reise um die Welt machten ihn zu einer der beliebtesten und meist imitierten Persönlichkeiten. In den 1970er bis 80er Jahren kam es nicht selten vor, dass man auf der Straße Jungen mit Backenbart begegnete, in matrosenblaue Jacken mit Messingknöpfen gekleidet. Wie viele Jugendliche haben nicht von den phantastischen Orten seiner Abenteuer geträumt. Doch was machte, außer seinem Stil und Aussehen, aus Corto Maltese ein solch spezielles Werk? Einer der Erfolgsaspekte ist sicher der, Geschichte und Fiktion gekonnt miteinander verwoben zu haben. Hinter Corto Maltese laufen nämlich relevante Ereignisse von internationaler Bedeutung ab, so der Erste Weltkrieg, der Boxeraufstand 1899 in China oder der Russisch-japanische Krieg (1904-1905). Sie werden im Werk mit unzähligen Literaturzeugnissen, von Personen, die tatsächlich gelebt haben und in die verschiedenen Situationen eingreifen, sowie
mit tiefgründigen Gesprächen und Inhalten detailreich beschrieben und nachgestellt. Das ist auch der Grund, weshalb man Corto Maltese nicht einfach als banale Comicfigur bezeichnen kann. Es ist vielmehr ein Werk „gezeichneter Literatur“, wie Hugo Pratt selbst es zu bezeichnen pflegte.
Dem Mythos Corto Maltese ist eine Ausstellung mit dem Titel „Hugo Pratt und Corto Maltese – 50 Jahre Reisen im Mythos“gewidmet. Im Palazzo Pepoli, dem Museum für Geschichte in Bologna, werden noch bis zum 19. März 2017 über 400 Werke von Hugo Pratt gezeigt, Zeichnungen, Aquarelle, Magazine und die 164 Originaltafeln von „Una ballata del mare salato“. Ein reiches Programm von Veranstaltungen mit Lehrgängen für Schulen, Gruppen, Einzelpersonen und Familien, mit Führungen und Schulworkshops. Liebhaber dieses Genres, oder wer sich danach sehnt, in die grenzenlose, fantastische Welt der Abenteuercomics einzutauchen, dürfen diesen Anlass nicht verpassen. (www.mostrapratt.it)
„Ein Abenteurer wird immer als einer gesehen, der nicht alles in Ordnung hält, ein Außenstehender, ein Kauz... Doch das stimmt nicht, denn ein Abenteuer bedeutet auch Zukunft, das, was morgen geschehen wird.“
Hugo Pratt
Nicht nur Ausstellungen, Werkschauen, sondern auch literarische Überschneidungen: Zur Feier des 50. Geburtstags von Corto Maltese wird „Topolino“(die italienische „Micky Maus“) in seiner Nummer 3197 eine überarbeitete Fassung von „Una ballata del mare salato” veröffentlichen. Zwei Helden aus zwei Parallelwelten treffen in einer Graphic Novel zusammen mit dem Titel: „Topo Maltese, una ballata del topo salato“(„Maltese Maus – ein Tanz der salzigen Maus“). Herzlichen Glückwunsch also an Corto Maltese. Fünfzig Jahre auf den Schultern tragen, ohne sie zu spüren. Fünfzig Jahre eines unsterblichen Mythos, einer nicht fassbaren Persönlichkeit, einzigartig und nicht klassifizierbar, spirituell und manchmal mystisch. Eine Persönlichkeit die gemäß den Worten seines Schöpfers Hugo Pratt „nie sterben wird“. Doch Corto Maltese wird verschwinden, weil in einer Welt, wo alles elektronisch und vorberechnet ist, alles industrialisiert ist, Konsum ist, es für einen Typ wie Corto Maltese keinen Platz gibt.“