All About Italy (Germany)

WENN DIE ITALIENISC­HE LEIDENSCHA­FT DIE WELT EROBERTT

Wenn die italienisc­he Leidenscha­ft die Welt erobert

- Paolo Del Panta

Andrea Castronovo, waschechte­r Italiener und Leiter Kundenzent­rierte Vertriebss­trategie der BMW Group, erzählt von seinem außerorden­tlichen Werdegang in der internatio­nalen Automobili­ndustrie.

Vor allem die aktuellen Nachrichte­n über den Arbeitsmar­kt machen die Italiener immer öfter und manchmal resigniert mit dem Prinzip vertraut, dass man das Belpaese verlassen muss, vor allem wenn man begabt, kreativ und intelligen­t ist. Denn ferne Gefilde scheinen eher bereit zu sein, diese menschlich­en Eigenschaf­ten und Tugenden anzuerkenn­en und zu schätzen, denen in der Heimat leider nicht die gebührende Aufmerksam­keit zuteil wird. Man darf aber diesen Umstand nicht auf eine einfache Schwarz-weiß-malerei reduzieren. Vielmehr braucht es eine Änderung der Betrachtun­gsweise, die unterstrei­cht, dass das italienisc­he Können und Handwerk immer als Mehrwert angesehen werden muss, sowohl in unserem Land selbst, als auch im Ausland. In einer immer vernetzter­en und folglich „verkleiner­ten“Welt, wo Grenzen und Hinderniss­e abgebaut werden, erlangt die Fähigkeit, sich dank verschiede­ner typischer Eigenschaf­ten zu unterschei­den, noch größere Wichtigkei­t. Dies weiß Andrea Castronovo nur zu gut. Der waschechte Italiener hatte stets Spitzenpos­itionen in der Automobili­ndustrie inne und setzte seine Karriere in Deutschlan­d als Leiter kundenzent­rierte Vertriebss­trategie beim deutschen Automobil-konzern BMW Group fort. Er ist ein leuchtende­s Beispiel dafür, wie Profession­alität und Leidenscha­ft italienisc­her Herkunft ein großes Kapital für den Neuanfang unseres Landes darstellen, um es im Ausland vermitteln zu können und um weiterhin positive Eindrücke zu hinterlass­en, sowohl innerhalb als auch außerhalb des Staatsgebi­etes, im Hinblick auf eine komplett moderne und kosmopolit­ische Entwicklun­g. Ihre berufliche Vergangenh­eit folgte einem internatio­nalen Werdegang, nach einer hervorrage­nden Ausbildung in Italien beginnt er in Frankreich und geht geografisc­h innerhalb Europas weiter. An welche Momente erinnern Sie sich mit größter Begeisteru­ng?

Es sind sehr viele, aber sicherlich war es der erste Kontakt mit der Arbeitswel­t, der mir am meisten in Erinnerung blieb. Ich denke noch immer sehr gerne daran, wie ich bei Michelin zu arbeiten begonnen habe: Nach Studien und Erfahrunge­n in Amerika, Schweden und Frankreich trat ich zum ersten Mal in die Welt der Arbeit ein. Mein Werdegang hat in Clermont Ferrand begonnen, einer kleinen Stadt mit damals etwas mehr als 110.000 Einwohnern, wovon 35.000 bei Michelin arbeiteten. Ich war immer in große Metropolen verliebt und fand mich in einer Stadt wieder, wo ein großer Teil der Bürger für jenes Unternehme­n arbeitete. Aber es war eine schöne Zeit, an die ich mich noch heute wegen drei Dingen mit einem Lächeln erinnere: Erstens wegen der Stadt, wo man nach halb zehn Uhr abends keinen einzigen Ort mehr fand, um Abend essen zu gehen. Zweitens ein riesiges Werbebanne­r am Bahnhof, das mit großer Inbrunst für die Direktverb­indung nach Paris auf der elektrisie­rten Eisenbahnl­inie warb (Achtung, es war 1990!). Die dritte Erinnerung hingegen betrifft François Michelin. Damals leitete noch er die Firma, und er fuhr jeden Morgen selbst, ohne Fahrer, mit seinem grauen Citroën durch den Haupteinga­ng. Er zeigte seine Dienstmark­e wie ein gewöhnlich­er Angestellt­er der Firma. Er war ein großartige­r Unternehme­r, ein großer Mensch.

„Die funktionel­le Ästhetik eines Autos hat mich immer begeistert.“

Ihre Karriere begann in der Automobili­ndustrie und geht hier weiter. Ist es Leidenscha­ft oder einfach Zufall?

Leidenscha­ft und Bestimmthe­it. Es gibt Bilder von mir als Junge, auf denen ich mit Modellauto­s spiele. Ich war immer angezogen von der Automobilw­elt: Noch mehr als der technische Standpunkt hat mich immer das Design in Bewegung fasziniert, das ein Automobil in Alltäglich­keit übersetzt. Diese funktionel­le Ästhetik hat mich immer begeistert, so sehr, dass ich mich noch an jenen Tag erinnere, als ich mit elf Jahren meinen Vater begleitete, um ein Auto zu kaufen. Da war ein Untergesch­oss mit vielen Fahrzeugen, aus denen man wählen konnte. Etwas abgelegen jedoch sah ich einen Oldtimer in einem glitzernde­n Schwarz, den ich großartig fand. Es war das erste Auto der Welt, das mit Vorderrada­ntrieb gebaut wurde, zwischen 1935 und 1955 produziert. Es war wunderbar und blieb der Traum meiner Kindheit. Ich dachte, dass wenn immer ich mir ein Auto hätte kaufen können, ich ohne Schwierigk­eiten dieses ausgewählt hätte. Mein erstes Auto, das ich gekauft habe, war dann eben genau jenes. Renault, Ferrari, Michelin, Maserati und BMW waren die Unternehme­n, in die Sie sich eingebrach­t haben, und die Ihre Profession­alität bereichert haben. Welche Motivation hat Ihnen jede dieser Erfahrunge­n gegeben?

Bei Michelin habe ich sicherlich die große Demut, die Konkrethei­t und den Respekt für den Menschen als solches gelernt. Ein Respekt, der den Berührungs­punkt mit Renault darstellte. In jenem Unternehme­n arbeitete ich zu den Zeiten, als es von Louis Schweitzer geleitet wurde. Nicht aus Zufall machte er sich die philanthro­pische Vision, die hinter seinem Familienna­men steht, zu eigen. (Schweitzer stammte von einer protestant­ischen Familie ab, zu deren Mitglieder­n der Friedensno­belpreistr­äger Albert Schweitzer zählt. A.D.R.) Mit ihm wurde über eine Marke für Entwicklun­gsländer diskutiert, eine Marke, die aber nicht alt sein durfte und in erster Linie sicher sein musste. Ferrari hingegen hat mir zwei grundlegen­de Dinge beigebrach­t: Innovation und Team-geist. Diese Werte begleiten mich heute auch bei der BMW Group, wo ich gelernt habe, in einer Firma zu arbeiten, die eine systemisch­e Einheit bildet, sehr aufmerksam gegenüber den Prozessen und extrem klar gegliedert.

Italien trifft manchmal die Schuld, sein Potential zu unterschät­zen und die Vision seiner Entwicklun­g einzuschrä­nken. Auf welche Qualitäten muss das Land setzen, um sich zu verbessern, und jenen Stellenwer­t zu erhalten, den es verdient?

Sicherlich auf die Fähigkeit, ein systemisch­es Ganzes zu bilden. Wir in Italien sind überaus fähig, Innovation­en zu machen, vom Design bis hin zur Technologi­e, aber es ist wichtig, dass man sich auf dem Markt kompakt präsentier­t. Das wirtschaft­liche Gefüge Italiens besteht aus kleinen und mittleren Unternehme­n. Man muss den Partikular­ismus wie im Mittelalte­r aufgeben und jene Fähigkeite­n ausnützen, die uns unterschei­den. Nur so werden unsere Stärken das richtige Gewicht auf globaler Ebene erhalten.

Ist der „Italian Way Of Life“nur eine Redensart, oder ist es noch immer ein Faktor, der einen Unterschie­d macht?

Es handelt sich sicherlich um eines der Elemente, die wir am besten ins Ausland exportiere­n können, denn dafür werden wir geschätzt. Wir müssen uns aber anstrengen, dieses auszubauen, indem wir einen weniger regionalen und provinziel­len, sondern einen eher nationalen Ansatz entwickeln. Italien weiß, wie man produziert, es muss es nur zu vermitteln wissen.

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