LEUTE
CERLINO, DER GLÜCKLICHE
Auf den ersten Blick scheint es, man befinde sich wirklich direkt vor Pietro Savastano, dem schrecklichen Boss des Verbrecherclans und Hauptdarsteller in Gomorra. Der imposante Körperbau und auch der Haarschnitt sind genau wie in der Serie, die er in diesen Tagen wieder, für die zweite Staffel der Sky- Produktion, dreht. Kaum fängt er an zu sprechen, wird jedoch sofort klar, dass einem eine vollkommen andere Person gegenübersitzt: Fortunato Cerlino lächelt häufig, scherzt, erzählt Anekdoten und sogar die Stimme ist weniger tief, weniger keuchend als in der Rolle von Pietro, schlichtweg verschieden. Als Schauspieler klassischer Schule hat seine Ausbildung auf der Theaterbühne stattgefunden, hier lernte er die wichtigsten Texte russischer Literatur, von Stanislavskij bis hin zu Dostoievskij, die er auch heute oft noch zitiert. Von ganz unten angefangen, als er sich beispielsweise auf den Weg nach London machte und sich als Sänger in der Harrod’s Pizzeria wiederfand, hat er sich langsam heraufgearbeitet.
Erst der Film von Matteo Garrone, in dem er eine Nebenrolle belegte, dann die Serie von Stefano Sollima, beide Verfilmungen der Bücher von Roberto Saviano, Gomorra, haben ihn nicht nur beim italienischen Publikum Bekanntheit verschafft: schon im Jahr 2015 war er im amerikanischen Fernsehen mit der dritten Staffel von Hannibal zu sehen, in der Cerlino die Rolle des Inspektor Rinaldo Pazzi spielte, nur ein Jahr später sogar im Kino in dem Film Inferno von Ron Howard.
All diejenigen, die 2018 auf ein Wiedersehen mit Cerlino in Verbrecherrollen hoffen, müssen leider enttäuscht werden. Denn der Tod der Spielfigur Pietro Savastano und der Film Socialmente pericolosi (ein italienischer Spielfilm von Fabio Venditti) haben den Rollen als Boss ein Ende gesetzt. Tatsächlich kommentierte Cerlino diesbezüglich in einem Interview: „Vom Bösen geht eine Faszination aus und für diese Faszination bin ich, für eine gewisse Weile, Ausdruck gewesen. Es hat mir zum Erfolg verholfen: eine neue Welt, rasantes Tempo, eine Tür nach der anderen öffnete sich für mich. Viele schlossen sich aber auch. Bekannte Regisseure wollten mich, koste es was es wolle, für ihre Projekte gewinnen, aber dann gab es immer Hürden, die überwunden werden mussten, irgendwelche Produzenten, die mich – aus verschiedensten Gründen – aussortierten. „Du verkörperst die Kamorra, ich werde es nicht schaffen, dich in anderen Rollen überzeugend zu verkaufen“. Als wäre die ganze Arbeit von Früher, die Arbeit als Theaterschauspieler, auf einmal verblasst, wie weggewischt.“Die Schauspielwelt wird jedoch schon bald lernen, ihn auch mit anderen Augen zu betrachten, so dass er sein Talent in neuen Filmen unter Beweis stellen kann. Wir hoffen auf ein baldiges Wiedersehen.