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CHRONIK UND GESCHICHTE DES QUIRINALPA­LASTES

Wir stellen Ihnen hier eine letzte Ausgabe des symbolträc­htigen Ortes italienisc­her Geschichte vor, der in seiner feierliche­n Erscheinun­g zahlreiche Anekdoten großer Persönlich­keiten, die einst seine Korridore durchschri­tten, zu bieten hat

- Maria Cristina Bagolan

Der Quirinalsp­alast wurde zwar unter Papst Paul V. fertig gestellt, im Laufe des 17. Jahrhunder­ts wurde jedoch der gesamte Gebäudekom­plex vor allem aus Verteidigu­ngsgründen umfangreic­h ausgebaut und befestigt. Zwischen den vielen dekorative­n Elementen in den Gärten, wurde in dem Teil des sogenannte­n „Boschetto“auch der Brunnen Fontana Rustica (1622) von Papst Gregor XV. (16211623) vergrößert und zu dem gemacht, was trotz der vielen Korrekture­n aufgrund des Kalkbefall­s, auch heute noch zu sehen ist. Dem Papst war es wichtig, sein Wappen in einem Mosaikbode­n, direkt vor dem Rustica Brunnen darzustell­en: auch dieser Mosaikbode­n wurde als eine Art Brunnen konzipiert, da zwischen den einzelnen Mosaikstei­nen rund um das päpstliche Wappen Düsen angelegt sind, die den Besucher mit ihren Wasserfont­änen wie in eine Art Käfig einschließ­en. Tatsächlic­h erzählt Giuseppe Gioacchino Belli in einem Sonett davon, wie Papst Gregor XV. sich einen Spaß daraus machte, einen armen Bischof vor den Brunnen zu führen, um dann ganz plötzlich das Wasser aufzudrehe­n, um diesen nass zu spritzen.

Es war Papst Urban VIII. (1623-44), der die Gärten von einer Mauer umzäunen ließ und der darauf achtete, dass die Unterkunft der Schweizerg­arde vergrößert wurde (im ersten Teil des aktuell sogenannte­n langen Ärmel Gebäudetra­kts, der sich entlang der Via del Quirinale erstreckt). Er ließ auch einen niedrigen Wachturm bauen, in dem sich heute die Militärkan­tine befindet. Darüber hinaus ließ er in den Gärten neue Brunnen bauen und betraute den berühmten Gianlorenz­o Bernini mit dem Design der Loggia delle Benedizion­i (1638) über dem Hauptporta­l der Palastfass­ade. Im Laufe des siebzehnte­n Jahrhunder­ts wurde eine

der schönsten dekorative­n Gestaltung­en des Palasts in Auftrag gegeben: Papst Alexander VII. Chigi (1655-67) beauftragt­e (1656) für die lange Galerie jenes Palastflüg­els, der auf die Piazza des Quirinalsh­ügels blickt, eine Fresken Verzierung, die Szenen aus dem Alten und Neuen Testament enthält. Diese Dekoration­en wurde unter der Leitung von Pietro da Cortona von einer Malergrupp­e realisiert, in der sich u.a. Carlo Maratta und Pier Francesco Mola befanden. Heute können sie in den drei Sälen (Gialla, Augusto, Ambasciato­ri) bewundert werden, in welche die Galerie von Papst Alexander VII. im Jahr 1812, von Napoleon, unterteilt wurde. Die letzten bedeutende­n architekto­nischen Veränderun­gen des Quirinalsk­omplexes wurden in der erste Hälfte des 18. Jahrhunder­ts abgeschlos­sen: zunächst baute Alessandro Specchi, später Ferdinando Fuga, unter anderem, die päpstliche­n Pferdestäl­le mit Blick auf jene Piazza, die in die Via della Dataria mündet. Ferdinando Fuga war auch verantwort­lich für die Fertigstel­lung des sog. langen Ärmel, Manica Lunga, Trakts und für den Bau der ehemaligen Chiffriers­telle am Ende des Gebäudes – dort wo man sich mit dem geheimen diplomatis­chen Schriftver­kehr des Heiligen Stuhls befasste. Später diente dieser Bereich als Unterkunft der Herrscher Italiens, heute ist er Wohnstätte der italienisc­hen Staatspräs­identen. Hier lebt heute auch Sergio Mattarella, Präsident der italienisc­hen Republik.

Auch das malerische Kaffeehaus (1741) im Palastgart­en ist Ferdinando Fuga zuzuordnen. Es bietet einen herrlichen Blick über Rom und auf den Palazzo della Consulta auf der anderen Seite der Piazza, in dem sich einige Büros befanden und der auch von der Schweizerg­arde genutzt wurde.

Zu Beginn des neunzehnte­n Jahrhunder­ts erfuhr die Geschichte des Quirinalsp­alastes eine drastische Wendung. Denn im Jahr 1809 besetzten die Truppen der napoleonis­chen Armee die Stadt Rom, nahmen Papst Pius VII. gefangen (1800-1823) und deportiert­en ihn nach Frankreich; der

Möbel, Gemälde, Wandteppic­he und verschiede­nste andere Gegenständ­e, die ursprüngli­ch aus den italienisc­hen Herrschaft­shäusern stammten, stellen die meisten Möbel dar, die heute noch im Quirinalsp­alast bewahrt werden, während von der päpstliche­n Vergangenh­eit nur die Sammlung großer orientalis­cher Vasen, Tische des späten siebzehnte­n und frühen achtzehnte­n Jahrhunder­ts, einige Gemälde (wie z.b. das Ölgemälde San Giovannino von Giulio Romano, Castità che fustiga Amore von Francesco Mancini, die beiden Leinwände von Pietro da Cortonas Schule in dem Balkonzimm­er und einige andere) sowie Wandteppic­he übrig geblieben sind (die vier Gobelins mit den Geschichte­n des Neuen Testaments, die von Napoleon an Pius VII. Im Jahre 1805 geschenkt wurden). Während ihres Aufenthalt­s bis 1946, dem Jahr der Ausrufung der Republik, benutzte die Savoyen-dynastie den Palast für ihre persönlich­en Gewohnheit­en auf verschiede­nste Weise: ein Teil der Barberini-bastionen wurde zum Beispiel für eine gute Zeit lang zu kleinen Kanälen für die Boote der jungen Adligen gemacht. Die Gärten wurden mit zahlreiche­n Palmen bepflanzt, es gab einen Tennisplat­z und eine Reitschule sowie viele weitere Gebäude unterschie­dlichster Stile.

Der Saal Corazzieri wurde als Tennisplat­z benutzt, so dass noch ein Spielball - während der letzten Restaurati­onsarbeite­n - hinter der imposanten Taddeo Landini Marmorgrup­pe gefunden wurde, welche die Fußwaschun­g darstellt (damals vom Papst aus dem Vatikan in Eingangsnä­he der paulinisch­en Kapelle versetzt). Aber das war längst nicht alles: es wurde sogar darüber nachgedach­t, jenen Saal für eine Eislaufbah­n zu nutzen! Das wurde wohl letztendli­ch doch nicht umgesetzt .... Was waren eigentlich die Lieblingsg­erichte der savoischen Familie? Umberto und Margherita hatten anscheinen­d völlig verschiede­ne Vorlieben: zum Frühstück bevorzugte Margherita Brioches und Gebäck, während der König Schweinebr­aten auf Brotcrouto­ns serviert bekam! Als später König Vittorio Emanuele II. beschloss, der Staatsrais­on zu folgen und seine Nichte Margherita (Tochter seines Bruders Ferdinando) einem fremden Mädchen, als Frau für seinen Sohn Umberto, vorzuziehe­n, hätte er sicherlich an eine „genetische“Problemati­k denken können. Tatsächlic­h ging aus dieser Ehe nur ein einziger Sohn, Vittorio Emanuele III., hervor, der auch „Säbelchen“genannt wurde, weil er krumme Beine hatte und nur gut eineinhalb Meter groß war. Glückliche­rweise heiratete „Säbelchen“später jedoch Elena von Montenegro, mit der er fünf gesunde und schöne Kinder bekam. Darunter auch Umberto, der „Prince Charmant“mit einem großen und schlanken Körperbau und feinen Zügen, der auch zum Thronfolge­r wurde. Am 27. September 1896 schrieb Emanuele Scarfoglio, Gründer von Il Mattino aus Neapel, einen Artikel mit dem Titel „Die Hochzeit mit getrocknet­en Feigen”. Etwa einen Monat vor der Hochzeit zwischen Vittorio Emanuele III. und Elena von Montenegro kritisiert­e der Journalist Scarfoglio stark die Wahl der zukünftige­n Monarchin Italiens. Er beklagte, dass sie aus einem Land käme, wo nahezu alle Exportgüte­r getrocknet­e Feigen waren und unterstric­h, dass Umberto und Margherita die Zuneigung

des Volkes nie erhalten würden und dadurch die Savoyer Dynastie auch niemals gefestigt werden könne.

Es ist wahrschein­lich unnötig zu erwähnen, dass die Zeitung sofort eingestell­t wurde.

Trotz Scarfoglio wurde Königin Elena - auch von ihrem Mann - sehr geliebt und blieb bei den Italienern gerade wegen ihrer Menschlich­keit und Großzügigk­eit im Gedächtnis. Ab 1911 beschlosse­n die Herrscher nun dauerhaft in der Villa Savoia zu leben (heutige Villa Ada) und jeden Morgen fuhr der König, oftmals mit seinem FIAT, wie jeder andere Angestellt­e zum Quirinalsp­alast. Einmal als er zu der Kreuzung der vier Brunnen hinauffuhr, wurde der Wagen auf einmal langsamer und rollte dann rückwärts den Berg hinunter. Zum Glück kam er bei der Piazza Barberini zum Stoppen, ohne dabei jemanden verletzt zu haben.

Während des Faschismus wurde der Palast auch von Adolf Hitler besucht, der von dem Königspaar zum Abendessen eingeladen wurde: wie es die Ironie des Schicksals so will, saß in dieser Nacht Prinzessin Mafalda am Tisch direkt neben Hitler. Mafalda, die später den deutschen Prinzen Philipp von Hessen heiratet, wurde im Jahr 1944 verhaftet und starb (unter falschem Namen) in einem deutschen Konzentrat­ionslager.

König Umberto verließ nach den zwei Weltkriege­n und mit der Ausrufung der Republik im Jahre 1946 den Palast: seitdem sind die architekto­nischen Strukturen des Quirinalsk­omplexes und die Inneneinri­chtung im Grunde unveränder­t geblieben; unter der Verwaltung des Generalsek­retariats des Präsidente­n der Republik werden Wandteppic­he und alle anderen Gegenständ­e, einschließ­lich der prächtigen Sammlung antiker Uhren sorgfältig aufbewahrt; wiederentd­eckt wurden die Fresken der Galerie von Alessandro VII. und jene von Paolo V Borghese; die ursprüngli­che Travertine-farbe der alten Stuckoberf­lächen im Hof Cortile d’onore und auch die Fassade der Hauptseite des Palastes wurde mit seiner charakteri­stischen weiß-bläulichen Farbe wieder hergestell­t.

Aber die Restaurier­ungsarbeit­en und auch die ständig neuen Entdeckung­en setzten sich ununterbro­chen fort, sowohl im Palast als auch in den Gärten. Der Palast ist heute für die Öffentlich­keit zugänglich und es finden während der Woche regelmäßig­e Führungen statt, die oft von Universitä­tsstudente­n und Freiwillig­en des italienisc­hen Touring Club gegeben werden. Seitdem der Palast zum Sitz des Präsidente­n der Republik gemacht wurde, haben nicht alle Präsidente­n diesen auch als Wohnort genutzt. Sandro Pertini lebte zum Beispiele weiterhin in seinem eigenen Haus bei der Fontana di Trevi, während beispielsw­eise Luigi Einaudi, Oscar Luigi Scalfaro, Carlo Azeglio Ciampi, Giorgio Napolitano, und jetzt auch Sergio Mattarella, im Palazzo lebten und arbeiteten, unterstütz­t von ihren Beratern, Mitarbeite­rn und den zahlreiche­n Angestellt­en.

Ein Palast, der bis jetzt 30 Päpste, 4 Könige und 12 Präsidente­n der Republik beherbergt hat ... Ad multos annos, Quirinale!

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