Auszeitklänge
Auch in dieser Ausgabe spendieren wir Ihnen ein paar wohlige Klänge: Glanzstücke des Violin-virtuosen Thomas A. Irnberger
Die Violine ist zweifelsohne eines der wichtigsten orchestralen Instrumente. Von zart bis kraftvoll agierend sind die bedeutendsten sinfonischen Werke auf das gekonnte Spiel der Geige angewiesen.
Das Instrument ist den meisten wohlbekannt: Die Streicher erzeugen dank der Reibung des auf den Bogen aufgezogenen Rosshaares, dessen Haftgleiteffekt durch den Auftrag von Kolophonium noch gesteigert wird, einen Ton.dieser wird, vereinfacht gesagt, durch den Resonanzköroper der Geige verstärkt wird. Der Klang einer Geige ist einzigartig, die Dynamik je nach Spielart auf ausgezeichnetem Niveau. Dabei erreicht das Instrument am Ohr des Geigers Schallpegel bis zu 110 db im Fortissimo, mit Abstand von 6,5 Metern zum Instrument immerhin noch beachtliche 80 db. Die große Dynamik des Instruments ist ideale Voraussetzung für die Umsetzung der Werke vieler Komponisten, allen voran die großen „Bs“– Bach, Beethoven, Brahms und Bartok, deren Schaffen Thomas Albertus Irnberger mit unverkennbarer Freude am Spiel zelebriert. Wenn Irnberger die Zeit zurückdrehen könnte, würde er auch Mahler bitten, für ihn ein Violinkonzert zu schreiben. Wer Irnberger auf der Bühne erlebt, mag fast ein wenig den Eindruck haben, ihm wäre das Aufsehen um die eigene Person egal. Obwohl er bei seinen Konzerten stets im Mittelpunkt des Geschehens steht, scheint sich der Violinist immer wieder gekonnt zurückzunehmen. Stück für Stück reduziert er behutsam seine Präsenz, um der Musik jenen Raum zu geben, den sie braucht, um in ihrer ganzen Fülle wirken zu können.
Der Violinist Irnberger
1985 in Salzburg geboren, beginnt Thomas Albertus Irnberger im Alter von sieben Jahren mit dem Violin- und ein Jahr später mit dem Klavierunterricht. Schnell wird klar, dass in dem kleinen Jungen eine besondere Begabung steckt und so wird er bereits mit neun Jahren an der Universität Mozarteum in die Hochbegabtenklasse aufgenommen. Weitere Studien führen ihn an die Bruckneruniversität Linz zu Josef Sabaini, wo er mit Auszeichnung zum Master of Arts spondiert. Mauricio Fuks, Alberto Lysy, Igor Oistrach, Dmitry Sitkovetsky, Stefan Goedecke, Sabrina Lieb
Yair Kless und Grigory Zhislin – Namen, die den meisten Lesern unbekannt sein mögen. Für den Violinisten hingegen waren diese bedeutende Impulslieferanten, die ihren Teil dazu beigetragen haben, dass er zahlreiche erste Wettbewerbspreise erzielen konnte und bereits mit 17 Jahren seinen ersten Plattenvertrag unterzeichnete. Wirft man einen Blick auf die Lehrmeister von Irnberger, sticht einem vor allem einer ins Auge: Ivry Gitlis, einer der größten Geiger unserer Zeit, der auch mit seinen 94 Jahren noch immer um die Welt fährt und Unterricht gibt. Die Begegnung der beiden mag man als Wink des Schicksals bezeichnen. Bei einem Aufenthalt in Paris entdeckt der aufstrebende Violinist einen Prospekt mit der Titelzeile „Ivry Gitlis Masterclass“. Bis zu seinem siebten Lebensjahr war er ein Verehrer von Heifetz gewesen, dann hatte er den israelisch-französischen Violinisten entdeckt und angefangen, ihn zu kopieren. Studien bei einer Größe wie Gitlis? Ein Traum für den damals 15-Jährigen, auf den er nicht lange warten will. Im Rahmen eines Meisterkurses spielt er ihm schließlich das Paganini Violinkonzert Nr. 2 vor. Die Reaktion des Meisters: „Du bist unglaublich begabt. Wenn ich 50 wäre, würde ich dich hassen, aber da ich schon fast 80 bin, werde ich dir alles zeigen, was du wissen willst.“Sobald die anderen Studenten weg seien, wolle er ihn nach dem Kurs alleine unterrichten – so sein Verspre-
chen. Und so nimmt alles seinen Lauf: Nach dem beglückenden Meisterkurs wird der junge Geiger von Gitlis eingeladen, bei ihm in Paris seine Studien fortzusetzen. In den folgenden fünf Jahren erarbeitet Irnberger ein umfassendes Repertoire, das auch viele moderne Werke mit einschließt. Im Alter von 17 Jahren erscheint schließlich seine Debüt-cd mit Werken von Hindemith, Debussy, Enescu, Paganini, Kreisler, Fauré und Elgar. „Brillantes technisches Können, verbunden mit reifer Gestaltungskraft und tonlicher Raffinesse“lobt die Fachpresse den noch nicht einmal Volljährigen, der sich in der Zwischenzeit einen international ausgezeichneten Ruf als Solist der großen Violinkonzerte erarbeitet hat und auch als Kammermusiker gefragt ist.
Hinter den Kulissen
Die einzelnen Wegbegleiter von Thomas Albertus Irnberger könnte man nun wie die zahlreichen Meilensteine unendlich weiterführen. Doch wo steht der inzwischen 31-Jährige heute? Über 30 CDS hat er bereits eingespielt und im Garten seines Elternhauses einen eigenen Konzertsaal samt Aufnahmestudio einrichten lassen. Man könnten meinen, der Violinist habe bereits alles Wünschenswerte erreicht und doch ist die Liste seiner Vorhaben lang: So arbeitet er beispielsweise derzeit an der Gesamteinspielung der Violinwerke Franz Schuberts. Noch vor Weihnachten sollen sämtliche Werke für Klaviertrios zusammen mit den Musikgrößen David Geringas am Cello und dem Pianisten Michael Korstick auf CD erscheinen. Im Frühjahr folgen dann auf die von den Kritikern als neue Referenzeinspielung gepriesenen Aufnahmen der Violinsonaten von Beethoven, mit Michael Korstick am Klavier das Violinkonzert, die Romanzen und das Triplekonzert von Beethoven zusammen mit dem Royal Philharmonic Orchestra London unter der Leitung von James Judd. Für die Zukunft möchte Irnberger seine Erfahrungen in der historischen Aufführungspraxis unter Verwendung des damaligen Instrumentariums weiter vertiefen. Darüber hinaus setzt er sich seit Jahren für das Repertoire verfemter Komponisten ein. Ein weiterer Schwerpunkt liegt daher insbesondere auch auf Kompositionen von Komponistinnen, die großartige Werke schufen und in der von Männern dominierten Musikwelt kaum Gehör fanden. Wie mag man diese Seiten über Thomas Albertus Irnberger nun für heute schließen? Vielleicht mit einem herzlichen Gruß, den er uns gerade zwischen drei Violinkonzerten aus Wien schickt.