Zu Besuch im Tonstudio - Teil 2
Von der Komposition bis zum audiophilen Erlebnis
Welche Schritte durchläuft eine Komposition hin zum audiophilen Klangerlebnis?
Daher findet man auf Hifi-messen und beim Händler des Vertrauens immer wieder Perlen der Musikproduktion, durch welche sich ein Stereosystem zu profilieren vermag. Qualitätsmusik, welchen Genres auch immer, gehört in die Hifi-welt, wie der Bogen zur Violine – das ist klar. Doch wissen nicht alle, welcher Arbeitsaufwand sich hinter dem langwierigen Prozess verbirgt, eine audiophile Aufnahme zu erstellen, die dann letztlich im Plattenschrank des Liebhabers landet. Daher gaben wir Ihnen in der letzten Ausgabe der AUDIO TEST einen kurzen Einblick in die Bedingungen, die ein professionelles Tonstudio aufzuweisen hat, um den reinen Klang der Instrumente zu fördern, sowie in die verschiedenen Stationen, die das aufgenommene Signal durchwandert, bevor es zur Nachbearbeitung in einer Projektdatei gespeichert wird. Daran anknüpfend soll dieser kurze Exkurs ein Verständnis dafür schaffen, was nun alles mit dem Audio-material passieren muss, bevor es als ein repräsentatives Abbild des aufgenommenen Muskstückes bezeichnet werden darf. Dafür waren wir wieder im Leipziger „Haunted Haus Studio“zu Besuch und ließen uns erklären, worin die Aufgaben der sogenannten „Postproduktion“liegen, sprich die Nachbearbeitung der Rohdateien. Denn mit der bloßen Aufnahme ist es bei Weitem noch nicht getan. Die „zwei großen Ms“– das Mixen und das Mastern sind die zwei wesentlichen Stufen von der abgeschlossenen Aufnahme hin zum einwandfreien Hörerlebnis.
Oft kommt es dabei vor, dass ein Album auf digitalem Wege die halbe Welt bereist, bevor es zum Verleger und von dort aus ins Presswerk geschickt wird. Da es keine Seltenheit ist, dass man als Musiker, Produzent oder Tonmeister die Musik, an der gerade gearbeitet wird, aufgrund der ständigen Wiederholung der Stücke „tothört“, quasi betriebstaub für klangliche Unreinheiten wird, werden sowohl Mixing als auch Mastering oft an Dritte ausgelagert. Je nachdem welche Kontakte die Beteiligten haben, erreichen gewaltige Datenmengen Studios weit weg von dem Ort, an dem sie entstanden sind. So wird das neue Album der Leipziger Band White Wine zwar in Leipzig aufgenommen und gemischt, jedoch in
Chicago gemastert. Bleiben sowohl Recording als auch Postproduktion unter einer Regie, wird das Projekt in der Regel für ein paar Wochen beiseite gelegt, damit alle Beteiligten dann wieder mit frischem Gehör ans Werk gehen können. Das kennen wir auch von den eigenen Hörsessoins im Hörraum: Man braucht ein frisches, aufnahmefähiges Gehör, um die nötigen Feinheiten auch heraushören zu können. Daher ist es im Produktionsbereich auch wenig verwunderlich, dass durchaus mal ein ganzes Jahr ins Land gehen kann zwischen dem Studioaufenthalt des oder der Interpreten und der Fertigstellung der Scheibe. Doch was passiert denn nun genau während des Mischens und was ist eigentlich Mastern?
Alles ins Verhältnis setzen
Ist eine Band im Studio und hat alles soweit „im Kasten“, beginnt das Mixing. Grob gefasst, geht es in diesem Arbeitsschritt darum, durch Lautstärkeunterschiede zwischen den einzelnen Instrumenten eine akustische Hierarchie zu erzeugen, sodass die jeweiligen Elemente ihrer klanglichen Priorität entsprechend im Mix eingebettet sind. Außerdem möchte das Gesamtbild aufgeräumt werden, weshalb jedes Instrument eine bestimmte Platzierung im Stereopanorama zugewiesen bekommt. Nun sind diese Parameter in kaum einer Stilrichtung oder ästhetischen Vorliebe statisch, sondern werden durch sogenannte Automationen variabel. In der Praxis sieht das so aus, dass beispielsweise kurz vor einem Gitarrensolo der Lautstärkeregler der entsprechenden Spur mit einem Schlüsselpunkt versehen. Hier beginnt sich die Lautstärke zu verändern, bis ein zweiter Schlüsselpunkt auf der gewünschten Ziellautstärke erreicht ist. Automatisiert werden natürlich nicht nur Lautstärken sondern auch Stereoverteilung oder im Nachhinein addierte Effekte, wie Tremoli, Filter oder Nachhalle, um nur ein paar zu nennen. Nachhall (öfter: Reverb) wird dabei oft nachträglich den Aufnahmen hinzugefügt, um einen „räumlicheren“Klang zu erzielen. Je nachdem welche Musik bearbeitet wird, handelt es sich dabei um dezente Raumklänge oder lange Hallfahnen riesiger Fabrikhallen. Durch das Automatisieren diverser Parameter wird die Musik für den Hörer lebendiger und besser nachvollziehbar, ohne dass man unbedingt Veränderungen wahrnimmt, da sich beispielsweise Änderungen in der Lautstärke oft nur im Rahmen von wenigen Dezibel bewegen. Ein anderer zentraler Bestandteil des Mischens ist das nachträgliche Angleichen von Frequenzen durch Equalizer, wodurch die festgehaltenen Instrumente neben der volumentechnischen Platzierung, der Positionierung im Panorama obendrein noch im Frequenzspektrum fest angeordnet werden können. Soll heißen, dass zum Beispiel einer Bassgitarre mit großem Mitten-anteil im Anschlag etwas Platz für ein knackiges Attack geschaffen wird, indem etwa einer Gitarre oder auch mehreren Instrumenten in genau diesem Frequenzband etwas an Lautstärke stibitzt wird. Außerdem können lästige Frequenzen, die nun im Mix zutage treten, eliminiert oder zumindest gelindert werden. In der Regel erhält jede aufgenommene Spur einen obligatorischen Low-cut, wobei die Frequenzen im Subbass-bereich komplett eliminiert werden. Denn dort finden sich oft kaum hörbare Störenfriede, die sich dann im Gesamtbild gerne zu einem unschönen Klangdunst formieren.
Das Mastern – ein Mysterium?
Ist das Mischen eines Albums abgeschlossen, wird es gerendert. Rendern, Bouncen, Exportieren – alle drei Begriffe bezeichnen den selben Prozess: das Zusammenfassen aller einzelnen Spuren (Wir erinnern uns: diese können sich gerne mal im dreistelligen Bereich ansiedeln) zu einem Master. Dieser wird mindestens in Cd-qualität abgebildet, sprich 44,1 Kilohertz zu 24 Bit. Oft wird jedoch in höherer Auflösung ein Master als .flac, .aiff oder .wav-datei erstellt. Beim Mastern wird nun eben diese Masterdatei dem letzten Tuning
unterzogen. Sind die einzelnen Lieder eines Albums im ungemasterten Zustand noch sehr dynamisch und offen, so kann sich dies nun ändern. Das hängt wieder mit ästhetischen Vorstellungen zusammen, die sich natürlich von Genre zu Genre und Künstler zu Künstler unterscheiden. Indem die Masterspur aus dem Rechner heraus durch diverse Kompressoren, Limiter, EQS und ähnliches geschleift wird, wird in diesem Arbeitsschritt zum Beispiel definiert, wie groß der Unterschied zwischen dem lautesten und dem leisesten Moment sein darf. Dies entscheidet darüber, wie kompakt das Gesamtwerk schlussendlich klingt. Während Aufnahmen klassischer Stücke sehr zurückhaltend komprimiert werden, um die extreme Dynamik etwa eines Symphonieorchesters bestmöglich beizubehalten, unterzieht man die meisten Werke aus der Populärmusik doch einer etwas radikaleren Kompression, um die Musik der Intensität eines Live-konzertes anzunähern. Des Weiteren entscheidet das Mastering über den schlussendlichen spektralen Umfang, ein weiteres Mal werden Frequenzbänder angehoben oder abgesenkt. Auch kann der Toningenieur in diesem letzten Prozess einer Audioproduktion das Stereopanorama ausweiten oder zusammenziehen, indem die Masterspur in Mittensignal und Seitensignal trennt. Dies alles passiert nicht zuletzt, um zu garantieren, dass das fertige Produkt auf einer High-end-anlage beglückt, aber auch im Auto oder auf Kopfhörern zufriedenstellend klingt. Daher auch der berühmte „Car-test“bei welchem die Musiker selbst auf einer kleinen Spritztour das fertige Werk der ersten Hörprobe unterziehen. Auf jeden Fall handelt es sich beim Mastern um keine einfache Sache. Meist werden Alben von darauf spezialisierten Tonmeistern in Studios gemastert, die ebenfalls auf diesen sehr diffizilen Prozess ausgerichtet sind. Doch ist dieser Schritt erfolgreich getan, kann das Album endlich seine Reise ins Presswerk antreten, bis es dann endlich auch den Weg zu Ihnen findet.