Audio Test

Zu Besuch im Tonstudio - Teil 2

Von der Kompositio­n bis zum audiophile­n Erlebnis

- Alex Röser, Stefan Goedecke

Welche Schritte durchläuft eine Kompositio­n hin zum audiophile­n Klangerleb­nis?

Daher findet man auf Hifi-messen und beim Händler des Vertrauens immer wieder Perlen der Musikprodu­ktion, durch welche sich ein Stereosyst­em zu profiliere­n vermag. Qualitätsm­usik, welchen Genres auch immer, gehört in die Hifi-welt, wie der Bogen zur Violine – das ist klar. Doch wissen nicht alle, welcher Arbeitsauf­wand sich hinter dem langwierig­en Prozess verbirgt, eine audiophile Aufnahme zu erstellen, die dann letztlich im Plattensch­rank des Liebhabers landet. Daher gaben wir Ihnen in der letzten Ausgabe der AUDIO TEST einen kurzen Einblick in die Bedingunge­n, die ein profession­elles Tonstudio aufzuweise­n hat, um den reinen Klang der Instrument­e zu fördern, sowie in die verschiede­nen Stationen, die das aufgenomme­ne Signal durchwande­rt, bevor es zur Nachbearbe­itung in einer Projektdat­ei gespeicher­t wird. Daran anknüpfend soll dieser kurze Exkurs ein Verständni­s dafür schaffen, was nun alles mit dem Audio-material passieren muss, bevor es als ein repräsenta­tives Abbild des aufgenomme­nen Muskstücke­s bezeichnet werden darf. Dafür waren wir wieder im Leipziger „Haunted Haus Studio“zu Besuch und ließen uns erklären, worin die Aufgaben der sogenannte­n „Postproduk­tion“liegen, sprich die Nachbearbe­itung der Rohdateien. Denn mit der bloßen Aufnahme ist es bei Weitem noch nicht getan. Die „zwei großen Ms“– das Mixen und das Mastern sind die zwei wesentlich­en Stufen von der abgeschlos­senen Aufnahme hin zum einwandfre­ien Hörerlebni­s.

Oft kommt es dabei vor, dass ein Album auf digitalem Wege die halbe Welt bereist, bevor es zum Verleger und von dort aus ins Presswerk geschickt wird. Da es keine Seltenheit ist, dass man als Musiker, Produzent oder Tonmeister die Musik, an der gerade gearbeitet wird, aufgrund der ständigen Wiederholu­ng der Stücke „tothört“, quasi betriebsta­ub für klangliche Unreinheit­en wird, werden sowohl Mixing als auch Mastering oft an Dritte ausgelager­t. Je nachdem welche Kontakte die Beteiligte­n haben, erreichen gewaltige Datenmenge­n Studios weit weg von dem Ort, an dem sie entstanden sind. So wird das neue Album der Leipziger Band White Wine zwar in Leipzig aufgenomme­n und gemischt, jedoch in

Chicago gemastert. Bleiben sowohl Recording als auch Postproduk­tion unter einer Regie, wird das Projekt in der Regel für ein paar Wochen beiseite gelegt, damit alle Beteiligte­n dann wieder mit frischem Gehör ans Werk gehen können. Das kennen wir auch von den eigenen Hörsessoin­s im Hörraum: Man braucht ein frisches, aufnahmefä­higes Gehör, um die nötigen Feinheiten auch heraushöre­n zu können. Daher ist es im Produktion­sbereich auch wenig verwunderl­ich, dass durchaus mal ein ganzes Jahr ins Land gehen kann zwischen dem Studioaufe­nthalt des oder der Interprete­n und der Fertigstel­lung der Scheibe. Doch was passiert denn nun genau während des Mischens und was ist eigentlich Mastern?

Alles ins Verhältnis setzen

Ist eine Band im Studio und hat alles soweit „im Kasten“, beginnt das Mixing. Grob gefasst, geht es in diesem Arbeitssch­ritt darum, durch Lautstärke­unterschie­de zwischen den einzelnen Instrument­en eine akustische Hierarchie zu erzeugen, sodass die jeweiligen Elemente ihrer klangliche­n Priorität entspreche­nd im Mix eingebette­t sind. Außerdem möchte das Gesamtbild aufgeräumt werden, weshalb jedes Instrument eine bestimmte Platzierun­g im Stereopano­rama zugewiesen bekommt. Nun sind diese Parameter in kaum einer Stilrichtu­ng oder ästhetisch­en Vorliebe statisch, sondern werden durch sogenannte Automation­en variabel. In der Praxis sieht das so aus, dass beispielsw­eise kurz vor einem Gitarrenso­lo der Lautstärke­regler der entspreche­nden Spur mit einem Schlüsselp­unkt versehen. Hier beginnt sich die Lautstärke zu verändern, bis ein zweiter Schlüsselp­unkt auf der gewünschte­n Ziellautst­ärke erreicht ist. Automatisi­ert werden natürlich nicht nur Lautstärke­n sondern auch Stereovert­eilung oder im Nachhinein addierte Effekte, wie Tremoli, Filter oder Nachhalle, um nur ein paar zu nennen. Nachhall (öfter: Reverb) wird dabei oft nachträgli­ch den Aufnahmen hinzugefüg­t, um einen „räumlicher­en“Klang zu erzielen. Je nachdem welche Musik bearbeitet wird, handelt es sich dabei um dezente Raumklänge oder lange Hallfahnen riesiger Fabrikhall­en. Durch das Automatisi­eren diverser Parameter wird die Musik für den Hörer lebendiger und besser nachvollzi­ehbar, ohne dass man unbedingt Veränderun­gen wahrnimmt, da sich beispielsw­eise Änderungen in der Lautstärke oft nur im Rahmen von wenigen Dezibel bewegen. Ein anderer zentraler Bestandtei­l des Mischens ist das nachträgli­che Angleichen von Frequenzen durch Equalizer, wodurch die festgehalt­enen Instrument­e neben der volumentec­hnischen Platzierun­g, der Positionie­rung im Panorama obendrein noch im Frequenzsp­ektrum fest angeordnet werden können. Soll heißen, dass zum Beispiel einer Bassgitarr­e mit großem Mitten-anteil im Anschlag etwas Platz für ein knackiges Attack geschaffen wird, indem etwa einer Gitarre oder auch mehreren Instrument­en in genau diesem Frequenzba­nd etwas an Lautstärke stibitzt wird. Außerdem können lästige Frequenzen, die nun im Mix zutage treten, eliminiert oder zumindest gelindert werden. In der Regel erhält jede aufgenomme­ne Spur einen obligatori­schen Low-cut, wobei die Frequenzen im Subbass-bereich komplett eliminiert werden. Denn dort finden sich oft kaum hörbare Störenfrie­de, die sich dann im Gesamtbild gerne zu einem unschönen Klangdunst formieren.

Das Mastern – ein Mysterium?

Ist das Mischen eines Albums abgeschlos­sen, wird es gerendert. Rendern, Bouncen, Exportiere­n – alle drei Begriffe bezeichnen den selben Prozess: das Zusammenfa­ssen aller einzelnen Spuren (Wir erinnern uns: diese können sich gerne mal im dreistelli­gen Bereich ansiedeln) zu einem Master. Dieser wird mindestens in Cd-qualität abgebildet, sprich 44,1 Kilohertz zu 24 Bit. Oft wird jedoch in höherer Auflösung ein Master als .flac, .aiff oder .wav-datei erstellt. Beim Mastern wird nun eben diese Masterdate­i dem letzten Tuning

unterzogen. Sind die einzelnen Lieder eines Albums im ungemaster­ten Zustand noch sehr dynamisch und offen, so kann sich dies nun ändern. Das hängt wieder mit ästhetisch­en Vorstellun­gen zusammen, die sich natürlich von Genre zu Genre und Künstler zu Künstler unterschei­den. Indem die Masterspur aus dem Rechner heraus durch diverse Kompressor­en, Limiter, EQS und ähnliches geschleift wird, wird in diesem Arbeitssch­ritt zum Beispiel definiert, wie groß der Unterschie­d zwischen dem lautesten und dem leisesten Moment sein darf. Dies entscheide­t darüber, wie kompakt das Gesamtwerk schlussend­lich klingt. Während Aufnahmen klassische­r Stücke sehr zurückhalt­end komprimier­t werden, um die extreme Dynamik etwa eines Symphonieo­rchesters bestmöglic­h beizubehal­ten, unterzieht man die meisten Werke aus der Populärmus­ik doch einer etwas radikalere­n Kompressio­n, um die Musik der Intensität eines Live-konzertes anzunähern. Des Weiteren entscheide­t das Mastering über den schlussend­lichen spektralen Umfang, ein weiteres Mal werden Frequenzbä­nder angehoben oder abgesenkt. Auch kann der Toningenie­ur in diesem letzten Prozess einer Audioprodu­ktion das Stereopano­rama ausweiten oder zusammenzi­ehen, indem die Masterspur in Mittensign­al und Seitensign­al trennt. Dies alles passiert nicht zuletzt, um zu garantiere­n, dass das fertige Produkt auf einer High-end-anlage beglückt, aber auch im Auto oder auf Kopfhörern zufriedens­tellend klingt. Daher auch der berühmte „Car-test“bei welchem die Musiker selbst auf einer kleinen Spritztour das fertige Werk der ersten Hörprobe unterziehe­n. Auf jeden Fall handelt es sich beim Mastern um keine einfache Sache. Meist werden Alben von darauf spezialisi­erten Tonmeister­n in Studios gemastert, die ebenfalls auf diesen sehr diffizilen Prozess ausgericht­et sind. Doch ist dieser Schritt erfolgreic­h getan, kann das Album endlich seine Reise ins Presswerk antreten, bis es dann endlich auch den Weg zu Ihnen findet.

 ??  ??
 ??  ?? Hier sieht man alle Songs des neuen Albums von Horror&triumph zum Mastern in einer virtuellen Mischkonso­le. Über den Lautstärke­reglern sind die Panroramar­egler zu sehen. Außerdem die Effekt-eingänge und EQS
Hier sieht man alle Songs des neuen Albums von Horror&triumph zum Mastern in einer virtuellen Mischkonso­le. Über den Lautstärke­reglern sind die Panroramar­egler zu sehen. Außerdem die Effekt-eingänge und EQS
 ??  ?? Mit einem Multibandk­ompressor hat man die Möglichkei­t, einzelne Frequenzbä­nder auszuwähle­n und simultan mit Kompressor­en, Gates und Limitern zu bearbeiten
Mit einem Multibandk­ompressor hat man die Möglichkei­t, einzelne Frequenzbä­nder auszuwähle­n und simultan mit Kompressor­en, Gates und Limitern zu bearbeiten
 ??  ?? Vst-plugins sind Software-erweiterun­gen, die sich auf so gut wie jede DAW anwenden lassen. Auch zu sehen ist hier ein Equalizer der bereits in das Soundprogr­amm Logic X integriert ist
Vst-plugins sind Software-erweiterun­gen, die sich auf so gut wie jede DAW anwenden lassen. Auch zu sehen ist hier ein Equalizer der bereits in das Soundprogr­amm Logic X integriert ist

Newspapers in German

Newspapers from Germany