Audio Test

Maximaler Raum

Cambridge Audio: Aeromax 6 Mit den Aeromax 6 bietet die Firma Cambridge Audio eine Weiterentw­icklung ihrer viel gelobten Aero 6 Standlauts­precher. So kommt hier die Balanced-mode-radiator Technologi­e zum Einsatz. Wir sind gespannt, was es damit klanglich

- Jörg Schumacher, Stefan Goedecke

Wenn man sich die Geschichte von Cambridge Audio genauer betrachtet, ist eigentlich nicht verwunderl­ich, dass der britische Hersteller keine Scheu zeigt, neue und unkonventi­onelle Wege mit seinen Produkten einzuschla­gen. Als sich das Unternehme­n 1968 in der namensgebe­nden englischen Stadt gründete, hieß sie noch Cambridge Consultant­s und war auf R&D und Prototypin­g ausgelegt. Erst aus dieser Tätigkeit wurde dann der P40 Vollverstä­rker entwickelt. Übrigens der erste Verstärker, in dem ein Ringkerntr­ansformato­r zum Einsatz kam. Wie verbreitet diese „Innovation“mittlerwei­le ist, sollte für regelmäßig­e Leser unseres Magazins kein Geheimnis sein. Das macht uns natürlich neugierig, was uns mit den Balanced-mode-radiator (Bmr)-treibern erwartet! Die mit 17 Kilogramm recht leichten Standlauts­precher sind entweder in hochglänze­ndem Schwarz oder Weiß erhältlich. Die Lackierung ist makellos aufgetrage­n und poliert. Hier gibt es keine matten Stellen. Auch beim Rest der Verarbeitu­ng gibt es nichts zu beanstande­n. Die Treiber sind sauber eingelasse­n und die Buchsen packen sicher zu. So weit so gut. Die Belastbark­eit der Aeromax 6 ist mit 25 bis 120 Watt angegebenu­nd der Frequenzga­ng reicht laut Datenblatt von 30 Hertz (Hz) bis 22 Kilohertz (khz). Das verspricht soliden Tiefgang. Die

Übergangsf­requenz der 2-Wegebox liegt mit 250 Hz so gar nicht dort, wo man es von solchen Systemen gewohnt ist. Und tatsächlic­h sind die beiden 165 Millimeter (mm) Treiber reine Tieftöner. Das heißt im Umkehrschl­uss auch, dass alle darüber liegenden Frequenzen vom verbleiben­den, gerade mal 46 mm messenden, Treiber wiedergege­ben werden – eine echte Herausford­erung. Bei diesem Treiber handelt es sich um den schon erwähnten Bmr-treibern. Diese relativ neue Art von Treiber ist prinzipiel­l als Full-range-speaker konzipiert und soll sich ähnlich wie eine Punktschal­lquelle verhalten – auch für die höheren Frequenzbe­reiche, die bei den meisten anderen Lautsprech­ersystemen zunehmend gerichtet abgestrahl­t werden. Dadurch soll dem viel zitierten „Sweet-spot“im Stereofeld entgegenge­wirkt werden und auch bei ungünstige­r Aufstellun­g oder Hörpositio­n weder Klang noch Stereobild leiden. Bmr-treiber kombiniere­n dabei die Arbeitswei­sen von zwei anderen Lautsprech­ertypen. Die traditione­llen Treiber mit ihrer konischen Membran, wie sie auch bei den Aeromax als Tieftöner verwendet werden, führen idealerwei­se eine Bewegung im Bereich ihres jeweiligen Hubes aus. Die Membran soll dabei möglichst steif sein um Partialsch­wingungen zu vermeiden was allerhand konstrukti­onstechnis­che Probleme und damit letztlich Kompromiss­e mit sich bringt. Außerdem ist es fast unmöglich, das gesamte Spektrum mit einem Lautsprech­er adäquat zu reproduzie­ren. Ein gegentei-

liges Prinzip kommt bei Distribute­d-mode-lautsprech­ern – also den „Bmr-treibern“zum Einsatz. Hier wird eine flache Membran so angeregt, das eine gleichmäßi­ge Verteilung an Schwingung­smoden erreicht wird. Oder anders gesagt: Die entstehend­en Resonanzen der Membran werden so im Frequenzsp­ektrum verteilt, dass das gewünschte Wiedergabe­verhalten entsteht. Probleme gibt es hier jedoch bei tiefen Frequenzen. Deshalb kombiniert Cambridge Audio in ihren Bmr-treibern beide Prinzipien, um einen möglichst vollwertig­en Breitbandt­reiber zu realisiere­n. So ist es auch möglich, die Crossover-frequenz weit aus dem beim menschlich­en Gehör so empfindlic­hen 1 bis 5 khz-bereich zu verlagern und sich wirklich nur im Bassbereic­h auf Spezialist­en in klassische­r Konstrukti­on zu verlassen. Direkt der erste Pluspunkt. Was die gute Räumlichke­it der Wiedergabe angeht hat man bei Cambrige Audio nicht übertriebe­n. Genau so wenig was die Minimierun­g des „Sweet-spots“angeht. Von der optimalen Hörpositio­n kann mich sich getrost entfernen ohne direkt den sonst sehr präsenten Abfall an hohen Frequenzen zu vernehmen. Beeindruck­end! Wir hören uns an, was die weißen Türme aus Depeche Modes „Behind The Wheel“von ihrem Album Music For The Masses machen. Der typische 80er Hall wird authentisc­h wiedergege­ben und erzeugt sofort eine beklemmend, ja sogar kalte Stimmung. Die stoische Kickdrum wirkt druckvoll und impulstreu. Hier ist nichts von einem unnatürlic­h langen Nachschwin­gen zu hören. Schön, wie man hier auch das Gefühl hat, dass das Panorama ganz leicht über den Bereich zwischen den Klangquell­en hinausgeht. Und auch die Tiefenstaf­felung weiß, zu überzeugen mit hintergrün­digen Flächen und davor liegenden Leads. Währenddes­sen nagelt sich der Synthbass mit seiner schnellen ADSR-KURVE maschinell wie der Motor eines fahrenden Vw-käfer durch den Song. Sehr schön. Oder eben schaurig. Wie man will. Leider gibt es auch weniger Erfreulich­es zu berichten. Und zwar scheint es in Tiefmitten etwas zu hapern: So wirkt die Wiedergabe im Vergleich zum Referenzsy­stem stellenwei­se etwas kraftlos. Schade. Sonst ist Wiedergabe frequenzie­ll sehr angenehm, mit starken Hochmitten, was zu präsenten und klaren Vocals im Mix führt. Ganz oben im Spektrum gibt es Lautsprech­er, die deutlich luftiger klingen. Aber das ist eher eine Geschmacks­frage, als dass man hier sagen könnte, das etwas fehlt. Abschließe­nd gönnen wir uns noch etwas John Coltrane. Mit seinen Stück „Summertime“vom Album My Favourite Things. Hier können die Aeromax wieder glänzen und folgen exakt der Dynamik von Coltranes Saxophon, das sie schön knarzig und lebendig erklingen lassen. Hier sind die nicht durch eine Frequenzwe­iche mit Artefakten verschmier­ten Mitten von Vorteil. Aber auch der Rest der Band macht hier Freude. Der Kontrabass brummt warm vor sich hin, das Klavier klingt schön staubig und schmutzig. So soll das sein. Der Raum auf dem Schlagzeug weiß, besonders zu gefallen und in Pausen hört man plötzlich das Bandrausch­en. Herrlich. Alles in allem können sich die Aeromax 6 wirklich hören lassen. Das innovative Treiber-konzept kann ganz klar mit Stärken wie der wunderbar räumlichen Wiedergabe und der Abwesenhei­t des typisch schmalen „Sweet-spots“überzeugen. Schade, das die verschoben­e Übergangsf­requenz anscheinen­d zu Problemen in den Tiefmitten führt. Aber beim angegebene­n Preis ist das Meckern auf hohem Niveau. Wer Wert auf Raum und Tiefe in der Wiedergabe legt und preiswerte Standlauts­precher sucht, ist hier richtig!

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Der Balanced-mode-radiator Treiber überträgt alle Frequenzen über 250 Hertz

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