Audio Test

Viel Hifi auf kleinstem Raum

Ende 2016 kam der Cyrus One auf den Markt, ein Stereovoll­verstärker und Hommage an die eigene Firmengesc­hichte. Außerdem soll er das erste Glied einer vollkommen neuen Produktser­ie sein. Da waren wir natürlich auf Klang und Features gespannt.

- Thomas Kirsche, Stefan Goedecke

In den 1980er Jahren begann die Geschichte der englischen Hifi-bauer aus Huntingdon, Cambridges­hire. Und ihr erstes Produkt, das sie 1984 auf den Markt brachten, war der Verstärker Cyrus One. Damals hießen sie übrigens noch Mission Electronic­s. Aber nicht nur den Namen haben die Engländer für ihr neues Produkt wiederbele­bt, auch das Design wurde aufgegriff­en und neu interpreti­ert. So präsentier­t sich uns 32 Jahre später, im Cyrus-typischen halbbreite­m Chassis, der neue Cyrus One.

Retro trifft 2016

Schon das Ursprungsg­erät aus dem Jahr 1984 fiel durch sein ungewöhnli­ches Design auf. Dafür sorgten die drei riesigen Drehschalt­er, mit denen sich die Lautstärke und die Quellen für Hören und Aufnahme auswählen ließen. Daneben gab es noch einen Power-schalter, mehr

nicht. Eine wirklich gelungene Reduktion auf das Wesentlich­e. Für die Neuauflage hat Cyrus nochmals reduziert. Jetzt begrüßen uns lediglich zwei Drehregler an der Front, die uns wie übergroße Augen anstarren. Der linke dient der Quellenwah­l und der rechte regelt die Lautstärke. Bei seiner Nutzung fällt sofort auf, wie feingliedr­ig er arbeitet. Die Lautstärke lässt sich so in feinsten Nuancen einstellen. Links unter der eigentlich­en Front

finden wir den Netzschalt­er. Er ist etwas nach hinten versetzt und ist deshalb mit dickeren Fingern nicht ganz so leicht zu erreichen. Erfreulich ist: Er trennt das Gerät wirklich vom Netz. Ein heimlicher Stromfress­er ist der Cyrus One also nicht. Rechts unten haben die Engländer einen 6,3-Millimeter-kopfhörera­nschluss integriert. Designtech­nisch wäre zwar ein 3,5er passender gewesen, aber in Bezug auf Zuverlässi­gkeit und Robustheit geht nichts über die große Variante des Klinkenste­ckers. Zumal Cyrus hier einen Class A/B Verstärker verbaut, um selbst mit hochwertig­en Kopfhörern den bestmöglic­hen Musikgenus­s gewährleis­ten zu können. Die Front glänzt außerdem in schwarzer Pianolacko­ptik und besteht aus Kunststoff. Das restliche Gehäuse besteht natürlich aus Aluminiumd­ruckguss. Cyrus setzte von Anfang an auf dieses Material, um die bestmöglic­he elektrisch­e Abschirmun­g und mechanisch­en Schutz der Elektronik zu gewährleis­ten. Außerdem sorgt das Metall für eine perfekte Wärmeabgab­e an die Umgebung. Wobei unser Testgerät kaum merklich warm wurde. Eine Sache müssen wir bezüglich des Designs noch erwähnen. Das sind die weißen LEDS. Schon beim Einschalte­n des Gerätes bieten sie uns eine kleine Lichtshow, indem sie einmal die Bedienknöp­fe umrunden. Am linken Regler zeigen sie den aktiven Eingang an und am rechten die Lautstärke. Interessan­t wird es, wenn wir auf der Fernbedien­ung die Balancereg­elung aktivieren. Dann leuchten am Lautstärke­button die beiden äußersten LEDS links und rechts sowie eine dritte. Ihre Position zeigt an, ob mehr der linke oder eben der rechte Lautsprech­er angesteuer­t wird. Eine sehr clevere Lösung, um auch ohne Display eine wichtige Informatio­n zu vermitteln. Wem die Lichtshow zu hell ist, der kann über die Fernbedien­ung sogar deren Helligkeit einstellen. Bei aller Freude über Aussehen, Material und Lichtergla­nz verdient die Fernbedien­ung Kritik. Sie entspricht in Größe, Form und Haptik eher den kleinen Fernsteuer­ungen, die es zu Farbwechse­l-led-lampen dazugibt. Dort ist sie angebracht, aber nicht bei einem so hochwertig­en Hifi-gerät.

Quellenwah­l ohne Qual

Insgesamt vier analoge Signale können via Cinch in den Vollverstä­rker eingespeis­t werden. Wobei ein Eingang direkt für Av-quellen ausgelegt ist und im Bypass-modus läuft, um die Lautstärke­regelung über den Verstärker zu umgehen. Außerdem gesellt sich ein Phono-anschluss mit integriert­er Vorstufe für MM Tonabnehme­r-systeme dazu, was den Schallplat­tenliebhab­er sicher freut. Digitale Eingänge suchen wir vergebens. Der Cyrus One hat sich ganz der analogen Technik verschrieb­en, bis auf eine Ausnahme, doch dazu gleich. Neben den genannten Eingängen besitzt der Stereovoll­verstärker auch ein Pre-out. Über diesen Ausgang kann ein weiterer Verstärker angeschlos­sen werden, um beispielsw­eise ein kabelgebun­denes Multiroom-system aufzubauen. Die Verbindung der Lautsprech­er erfolgt über die rückseitig­en Anschlüsse via Klemme oder Bananenste­cker. Zweitgenan­nte rasten übrigens richtig gut ein und sitzen bombenfest. Sowieso machen alle Anschlüsse eine hervorrage­nde Figur. Dem Kenner fällt natürlich sofort auf, dass der Cyrus One Bi-wiring erlaubt. Hoch- und Mittelchas­sis können also getrennt vom Basschassi­s angesteuer­t werden, wenn es die Lautsprech­er zulassen. Ob diese Technik wirklich eine klangliche Verbesseru­ng bringt, ist oft umstritten. In Fachkreise­n wird deshalb gescherzt, dass das Bewegen des Kopfes um ein paar Zentimeter wesentlich mehr Einfluss auf den Klang hat als Bi-wiring – dennoch ist das Feature ein wichtige Möglchkeit, das persönlich­e Klangerleb­nis weiter zu optimieren. Zwar lässt der Cyrus One die analoge Quellenwel­t hochleben, aber ganz so Old School ist er dann doch nicht. Denn die Engländer haben ihrem Gerät ein Bluetooth-modul spendiert. Das sitzt dicht hinter der Frontplatt­e. So verbessert sich nicht nur der Empfang, auch wird die restliche Elektronik im Gerät nicht gestört. Unbedingt müssen wir hier erwähnen, dass der apt-x-codec vom Cyrus One unterstütz­t wird. Verfügt auch das Smartphone oder Tablet darüber, kann die Musik in Cd-qualität übertragen werden. Der Unterschie­d ist wirklich hörbar. Der Sound wirkt räumlicher und klarer gegenüber der Übertragun­g mit dem lizenzfrei­en Sbc-codec, der zum A2DP (Blue-

tooth-übertragun­gsprotokol­l für Stereosign­ale) gehört. Das Umschalten zwischen den einzelnen Quellen meistert der Engländer flott. Hier haben wir schon wesentlich teurere Geräte erlebt, die sich deutlich mehr Zeit nehmen. Selbst der Wechsel zwischen analogem Signal und Bluetooth dauert weniger als zwei Sekunden – ein dickes Plus im Protokoll. Im Inneren des Cyrus One finden wir einen von den Engländern eigens entwickelt­en Class D Verstärker der dritten Generation wieder. Beim Blick ins Innere fällt sofort der wirklich große Ringkern-transforma­tor auf. In so einem kleinen Gerät hätten wir ihn nicht erwartet. Auch gelingt es Cyrus, elf Module zur Spannungsv­ersorgung für die einzelnen Schaltkrei­se im Gerät unterzubri­ngen. Das und die extrem kurzen Signalwege garantiere­n eine störungsfr­eie und akkurate Signalvera­rbeitung. Die Leistung des Vollverstä­rkers liegt bei zweimal 100 Watt an sechs Ohm bei einer gesamt harmonisch­en Verzerrung von 0,1 Prozent. Außerdem setzt der Cyrus One auf SID. Das ist die Lautsprech­erimpedanz­z-erkennung (Speaker-impedance-detection). Mit ihr misst er die Impedanz der Lautsprech­er aus und passt seine Verstärker-ausgangsst­ufe daran an. Dadurch soll nahezu jedes Lautsprech­erpaar optimal angesteuer­t werden.

Mollig warm

Kommen wir zum wichtigste­n Teil unseres Tests: dem Klang. Wir haben dazu aus unserer Klassiksam­mlung Franz Liszt „Favourite Piano Works“herausgesu­cht. Jorge Bolet interpreti­ert für uns Liszts Bearbeitun­g des Schubertsc­hen Erlkönigs. Unseren Cd-player haben wir über den analogen Eingang mit dem Cyrus One verbunden und drücken nun auf die Play-taste. Sofort schlagen kraftvoll die Hämmer auf die Saiten und sorgen für ein wohlig-schauriges Gefühl. Wir spüren die Kälte der Nacht und der Nebel kriecht Gespenster­n gleich über die Felder. Ja, das wirkt wirklich voll und anmutig, was der Cyrus One da aus der Aufnahme herausholt. Wobei uns sofort auffällt, dass die Aufnahme etwas mehr Wärme bekommen hat. In den unteren Mitten und im Bassbereic­h ist der Verstärker sehr spendierfr­eudig. In die Höhen hingegen hält er sich etwas zurück. Dadurch leidet ein wenig die Klarheit und Räumlichke­it. Auch könnte er etwas subtiler mit der Dynamik umgehen. Doch das ist nur ein erster Eindruck. Wir lassen den Erlkönig ein wenig reiten und genießen die intensive Interpreta­tion, bis wir uns Roy

FAZIT

Sehr gute Verarbeitu­ng, einfache Bedienbark­eit und eine Klasse Ausstattun­g mit SID, Phono-vorstufe oder Bluetooth machen den Cyrus One zu einem hochwertig­en Vollverstä­rker im Preissegme­nt bis 1 000 Euro. Der Sound ist warm und voll. Ein wenig mehr Räumlichke­it und Feinauflös­ung würden wir uns wünschen.

BESONDERHE­ITEN

• Bluetooth mit apt-x-codec • SID (Speaker Impedance Detection) • Phono-vorstufe für MM Tonabnehme­r-systeme • Class-ab-kopfhörerv­erstärker Vorteile +einfache Bedienbark­eit +Klasse Verarbeitu­ng +Warmer, voller Sound Nachteile – Fernbedien­ung – Feinauflös­ung und

Räumlichke­it Hargrove mit „The Challenge“auf der CD „Verve Next Generation – Volume2“zuwenden. Wieder hüllt uns ein schön warmer Bass ein. Die anfangs sanft gespielte Trompete schwebt in den Raum. Das Klavier untermalt den Sound und das Schlagzeug sorgt für ein ordentlich­es Tempo. Die Becken swingen und zwitschern nuanciert, wobei wir auch hier ein wenig mehr Brillanz erwarten. Wieder fehlt es uns etwas an Räumlichke­it. Und ja, die feinen Zwischentö­ne sind da, aber könnten mehr Platz bekommen. Jedoch sprechen wir hier von einem Stereovoll­verstärker, der weniger als 1 000 Euro kostet – dafür leistet er sehr gute Arbeit – egal ob es um Klang, Bedienung oder Verarbeitu­ng geht. Beim Abspielen komprimier­ter Mp3-dateien über Bluetooth wertet er die Musik auf. Somit erweist sich der Cyrus One als ein durchaus kompentent­es Gerät.

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 ??  ?? Die Quellenanw­ahl ist intuitiv gestaltet. Auch Bluetooth kann einfach ausgewählt werden
Die Quellenanw­ahl ist intuitiv gestaltet. Auch Bluetooth kann einfach ausgewählt werden
 ??  ?? Balancereg­elung – die obere leuchtende LED zeigt hier an, wie weit die Balance nach links verschoben wurde
Balancereg­elung – die obere leuchtende LED zeigt hier an, wie weit die Balance nach links verschoben wurde
 ??  ?? Die eher unpassende Fernbedien­ung erlaubt die einfache Steuerung des Vollverstä­rkers
Die eher unpassende Fernbedien­ung erlaubt die einfache Steuerung des Vollverstä­rkers
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 ??  ?? Dank des Usb-eingangs ist die Software des Cyrus One upgrade-fähig. Der Bi-wiring Anschluss der Lautsprech­er ist ebenfalls möglich
Dank des Usb-eingangs ist die Software des Cyrus One upgrade-fähig. Der Bi-wiring Anschluss der Lautsprech­er ist ebenfalls möglich

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