| Traumhaft
Alleine beim Anblick der 803 D3 schlagen viele Hifi-herzen höher. Sich neu erfinden und doch treu bleiben. B&W weiß, wie das geht.
Bowers & Wilkins haben mit der Diamondserie zweifelsohne die Messlatte des Hifi-standards ein gutes Stück gehoben. Der Stereovollverstärker Sigma 2200i unterstützt die 803 D3. Wir sind gespannt.
Ist man einmal in den großen Genuss gekommen, einen Lautsprecher der Diamond-serie der britischen Hifi-gurus Bowers & Wilkins in Aktion zu erleben, ist es ehrlich gesagt nicht leicht, unbefangen an den Test eines anderen Schallwandlers dieser Produktlinie heranzutreten. Vor genau einem Jahr berichtete AUDIO TEST über den Kompaktlautsprecher 805 D3 und war zu Recht voll des Lobes über den schneeweißen Klangkünstler (AT 02/16). Daher ging das Entpacken des wuchtigen Vetters 803 nicht ohne Ehrfurcht vonstatten. Und auch nicht ohne die eine oder andere Schweißperle. Die Reiseverkleidung des Lautsprechers ist durchaus clever konzipiert: die einzelnen Elemente des Kartons sind per Stecksystem verbunden
und werden von einem quadratischen Deckel gehalten. Sind dieser und die Seitenwände entfernt, kann der massive 803 über eine beigelegte Schiene von seinem Sockel gerollt werden. So weit die Theorie. Wartet der Speaker nach Anlieferung, wie zum Beispiel in der At-redaktion, auf einer Palette und nicht ebenerdig, so bedarf es kurz etwas Muskelschmalz und festen Griff, um den 65,5 Kilogramm schweren Hünen hinunter zu heben. Sehr zum Vorteil des glücklichen Besitzers lässt er sich von nun an jedoch auf seinen Hörplatz rollen, wobei sich empfiehlt, kurvenreiche Manöver zu vermeiden. Der kanadische Begleiter des Standlautsprechers, der Stereovollverstärker Sigma 2200i ist da im Vergleich natürlich eindeutig schneller und ohne große Umstän-
de entpackt und aufgebaut. In einem Abstand von etwa drei Metern zu seinem Zwilling und leicht auf den Hörplatz eingedreht vermittelt der 803 mit seinem kennzeichnenden Turbinen-aufsatz rein visuell ein klares Statement: „Ich bin da und ich hab Power!“. Ohne weitere Sperenzchen sind die Wandler aus West Sussex mit dem Verstärker aus Quebec verbunden. Doch bevor die Musikalität des Duetts auf den Prüfstand gestellt wird, interessiert Sie vielleicht erst einmal, was in den Geräten steckt.
803 Diamond mit Raffinesse
Nicht erst bei der technischen Konzipierung der 800er-diamond-serie hat Bowers & Wilkins wieder und wieder neue Ideen in den Ring geworfen, um die Lautsprecher gegenüber ihrer Konkurrenz aufzuwerten. Nachdem Bowers & Wilkins zum Beispiel mit Blick auf den Tiefmitteltontreiber als Pioniertat festes Kevlar zur Fertigung der Membranen verwendete, wurde das typisch goldgelbe Material mit Einführung der 800er-diamond-serie durch beschichtetes Gewebe ersetzt, dessen genaue Zusammensetzung ein wohlbehütetes Firmengeheimnis bleibt. Diese Continuum-membran nahm ganze acht Jahre Forschungszeit in Anspruch und löste nach über 70 verschiedenen Beta-versionen die Kevlar-membran ab, deren beeindruckende Festigkeit vom silbrig schimmernden Nachfolger wohl noch übertroffen wird. Vorteil dieses steifen Materials ist, dass die Schwingung des Magnettreibers fast eins zu eins auf die Membran übersetzt werden kann. Die Continuum-membran befindet sich fest im Turbine-head, welcher auf der nach vorn abfallenden Oberseite des Gehäuses sitzt. Dieses ist an allen Seiten gerundet, sodass lästige Gehäusereflexionen im Innern des Speakers vermieden werden. Das Gehäuse ist mittels der B&W eigenen Gehäuse-matrix solide versteift. Mehrere Kaskaden aus verschiedenen Verstrebungen hindern das Gehäuse am Mitschwingen, was einer Verfälschung des Klanges vorbeugt. Im Innenleben des Gehäuses versteckt sich übrigens auch der sogenannte Flowport – ein Bassreflexkanal, der nach dem Downfire-prinzip Schwingungen nach unten hin abstrahlt, wo sie auf den Sockel treffen und sich von dort ausbreiten. Dieser Flowport birgt allerdings auch eine Besonderheit. Im Vergleich zu den meisten Bassreflexöffnungen ist dieser Flowport ähnlich einem Golfball mit flachen Kuhlen übersät. Diese Maserung verursacht winzige Luftwirbel, über welche die Luft sanft und vor allem geräuscharm ausströmen kann. Doch das wohl imposanteste technische Schmankerl thront ganz auf der anderen Seite, oben im Nautilus-kopf eingelassen: der Hochtöner mit Diamant-kalotte. Wer sich hier einen Diamanten vorstellt, der in einem Stück in das Chassis eingelassen ist, irrt jedoch. Hauchdünne Schichten des überaus leichten, aber gleichzeitig verblüffend harten Materials werden in einem komplizierten Prozess aufgedampft, bis die Kalotte eingesetzt werden kann. Die Eigenschaften dieses Werkstoffs qualifizieren ihn perfekt für die Verwendung als Hochtöner, da Diamant schnell in Bewegung versetzt werden kann, ohne eine Eigenresonanz mitzubringen. Die strikte Trennung der Treibereinheiten anhand der authentischen Bauweise der 800er-diamond-serie hat auch einen klangtechnischen Hintergrund. Durch die Entkopplung der Chassis voneinander
wird eine Einflussnahme des einen Treibers auf die anderen reduziert. Außerdem kann durch diese „Tweeter-on-top“-technologie die Laufzeit des Hochtöners an die des Mitteltontreibers angepasst werden, sodass es nicht zu Verzögerung und folglich Klangverzerrungen kommt. Wahrscheinlich könnte ein ganzes Heft nur mit den findigen Details in der hohen Ingenieurskunst á la Bowers & Wilkins gefüllt werden. Schreiten wir jedoch weiter zur genaueren Betrachtung des Stereovollverstärkers Sigma 2200i.
Ist das alles?
Classé, die wie unter anderem auch Rotel, zur B&w-firmengruppe gehören, präsentierten letztes Jahr erstmalig ihren neuen Stereovollverstärker Sigma 2200i auf CES in Las Vegas. Seitdem schallen landauf, landab die Lobeshymnen auf das 5 000 Euro schwere Gerät. Auf den ersten Blick macht der Sigma eine zurückhaltende und durchaus lässige Figur. Das mattschwarz gebürstete Frontpanel verzichtet auf verspielte Schnörkeleien. Über dem breiten Grill, der wohl der Frischluftzufuhr dient, sitzt zentriert ein Bildschirm, eingelassen in einen hochglanzlackierten Kunststoffrahmen. Zu dessen linken findet man den Einschalter, eine 3,5 Millimeter Kopfhörerbuchse und einen Usb-a-eingang. Am Rechten Ende der Vorderseite ist der schlichte Drehregler für die Lautstärkeeinstellung, der bündig zum Panel im Gerät versenkt ist. Dies schindet schon mal Eindruck. Auch ist der Volumenregler ohne viel Widerstand und „rollt aus“, wenn er einmal in Schwung versetzt wird. Auf der gesamten Oberfläche des Sigma findet sich keine einzige sichtbare Schraube, auch das gibt Pluspunkte in Sachen Verarbeitung. Ein Blick auf die Rückseite informiert über die Einsetzbarkeit des Verstärkers. Ein symmetrischer Xlr-input, zwei analoge Cinch-eingänge, sowie zwei Koaxial und zwei optische Eingänge bieten mehr als genügend Verwendungsoptionen. Außerdem verfügt das Gerät über eine handvoll Hdmi-eingänge mit HDMI 2.0 und HDCP 2.2, was eine kompetente Eingliederung
FAZIT
Der 803 D3 der Diamond-serie von Bowers & Wilkins ist ein von vorne bis hinten stimmiges Produkt. Seine technische Aufmachung ist ohne Zweifel einwandfrei und voller Cleverness. Das spiegelt sich auch in seinen spielerischen Qualitäten wieder: Neutralität, Brillanz, Tiefgang, Räumlichkeit und Dynamik – der 803 kann wohl in all diesen Kategorien mit Bestnoten rechnen. ins Heimkinosystem ermöglicht. Des Weiteren befindet sich an der Rückseite ein Usb-b-anschluss und eine Lan-buchse für die Kopplung mit dem heimischen Netzwerk. DLNA und Airplay sind somit auch keine vom Sigma spielbar. Ausgeben kann der Kanadier das Signal leider nur an ein Lautsprecherpaar und einen Sub-woofer. Der Sigma 2200i funktioniert von vorne bis hinten Digital. So sind der Dsp-ausgang der Vorstufe und der Dsp-eingang der Endstufe direkt mit einander verbunden. Das birgt den Vorteil, dass der Signalweg durch Vermei-
dung von DA- und Ad-wandlern, durch welche die Informationen schleift werden müssten, kurz bleibt und wenig Gefahr läuft, auf dem Weg zum Lautsprecherkabel manipuliert zu werden. Trotz der rein digitalen Arbeitsweise fährt der Sigma stolze 400 Watt an 4 Ohm, bzw. 200 Watt an 8 Ohm pro Kanal. Es steckt also einiges an Power unter der Haube. Dafür schluckt der Sigma großzügige 185 W, mit welchen er jedoch als Gegenwert unabhängig vom Spannungsverlauf durch eine Mischung aus Schaltnetzteil und PFC (Power Factor Correction) versorgt wird. Um genau zu sein, versorgt das Schaltnetzteil den Sigma mit einer konstanten Leistung von mehr als 1 kw – für viele andere Verstärker ein sicherer Nackenschlag. Um herauszufinden, was man noch so alles mit dem Sigma anstellen kann, erwecken wir ihn zum Leben und sind gleich zu Beginn verwundert über die etwas überholt wirkende optische Aufmachung des Lcd-touchscreens, an dessen Seiten jeweils ein Menü- und ein Mute-button eingelassen sind. Beim Stöbern durchs Menü fühlt man sich direkt an frühe Navigationssysteme erinnert. Behäbig reagiert der Touchscreen auf Berührungen, an den Rändern kommt es sogar zu den Lcd-typischen Verfärbungen. Auch die Farbgebung aus hellem blau und grau für angewählte Optionen erscheinen nicht sehr zeitgemäß. Auch nicht ganz auf dem Stand der Zeit ist der Verzicht auf einen Bluetooth-input. Auf den zwei Seiten im Quellenverzeichnis finden sich viele Eingänge, nur leider kein blauer Zahn. Das ist bei einem Preis von 5 000 Euro sehr bedauerlich. Dafür verfügt der Sigma 2200i über die Möglichkeit, per Neunband-eq Anpassungen des Klangbilds vorzunehmen. Außerdem kann über das Bassmanagement der Subwoofer dem Raum entsprechend feinjustiert werden.
Ein spielfreudiges Duo
Wir beginnen den Test der akustischen Kompetenzen mit einem Klassiker der Popgeschichte: „Personal Jesus“von Depeche Mode erklingt muskulös und scharf gezeichnet aus den britischen Schallwandlern. Uns fällt schnell der kräftige Tiefgang positiv auf – die zwei Basschassis und der Flowport-downfire-woofer verhelfen dem 803 zu deutlich stärkerem Low-end, als wir es von den 805 in Erinnerung haben. Insgesamt zieht sich über das ganze Spektrum eine bemerkenswerte Ausformulierung der einzelnen Frequenzbänder. Die triolisch repetitiven Synthesizer-klänge fügen sich wunderbar in den Mix, die Drums klingen satt und kantig im Attack. Quellenwahl und Lautstärkeeinstellung lassen sich übrigens bequem vom Sofa aus vornehmen. Der Sigma reagiert dabei ein wenig behäbig auf die beigelegte Fernbedienung, welche aus Kunststoff gefertigt ist und daher einen nicht ganz so wertigen Eindruck macht, wie man es sich in dieser Preisklasse zu erwarten wagt. Wir bewegen uns übrigens um die -27 Dezibel in der Volumenregelung des Sigma und sind schon gut bedient. Von -93 db bis +14 db kann die Lautstärke in 0.5 db-schritten angehoben werden. Doch im Zusammenspiel mit den 803 D3 ist bei -19 db bereits die Grenze der Erträglichkeit erreicht. Alle Achtung! Scheinbar könnte man mit dem Sigma 2200i von Classe sogar eine Diskothek beschallen, so viel Druck birgt der rein digital arbeitende Stereoverstärker. Nach dem düsteren Wave-popstück der britischen Synthpop-helden nun etwas belustigenderes: „Intoxication“, einer der Four Rags von John Novacek mit Violinistin Leila Josefowicz. Eine schöne Aufgabe für den Diamant-kalotten-hochtöner. Vergnügt quietscht Josefowicz‘ Violine durch den schnellen Ragtime. Immer wieder bis an die Grenzen ihres Tonumfangs getrieben, wird sie vom 803 stets detailliert
abgebildet und behält auch am obersten Ende des Frequenzspektrums ihr volles Maß an Wärme und dem Stück entsprechender Verruchtheit. Auch wenn sich das Piano hin und wieder ins selbe Abteil des Spektrums schummelt, kommen sich die beiden nicht in die Quere, der Raum ist klar geteilt und die Klangfarben werden sehr originalgetreu wiedergegeben, sodass sich die beiden nicht gegenseitig auf die Saiten steigen. In leisen Momenten, in Stücken wie etwa „Kyrie Eleison“des libanesisch-französischen Musikers Bachar Mar-khalifé, bleibt Stille auch wirklich still, einem Signal-rausch-verhältnis von 97 db sei Dank. So hört man Mar-khalifé die Lippen aufeinander legen und wieder öffnen, so real, als stünde er selbst im Hörraum, nur eben um ein gutes Stück verstärkt. Jede Bewegung seiner Mundmuskulatur artikuliert das sehr vokallastige Stück mit einem fast schon bedrückenden Maß an Authentizität. Als das Lied verstummt, lässt sich aus der Richtung des Verstärkers ein leises, aber klar vernehmliches Rauschen orten. Eine genauere Untersuchung zeigt, dass sich die Lüftung offensichtlich am Ensemble beteiligen möchte. Rekordverdächtig schnell, wie wir finden. Nichtsdestoweniger verrichtet der Sigma einen beeindruckenden Job, den 803 mit solch einer Leichtigkeit anzutreiben, dabei Stabilität und Impulsfreude zu wahren und obendrein noch einiges mehr an Pferdestärken in petto zu haben. Der 803 selbst erfüllt mit Bravur die an ihn gestellten Erwartungen. Er zählt, wie sein kleiner Bruder 805 und wohl die ganze Diamond-serie von B&W, zweifelsohne zu den besten Lautsprechern, die der Markt zu bieten hat. Bravo!
FAZIT
Der Sigma 2200i von Classé hat vor allem eines: jede Menge Power! Man wird wohl nicht in die Versuchung kommen, den kanadischen Verstärker einmal bis an seine Grenzen zu treiben. Bei einem Wert von 5000 Euro sollten jedoch auch andere Standards eines Hifi-liebhabers erfüllt werden. So ist leider die Aufmachung des Lcd-touchscreens etwas überholt und das Gerät verfügt nicht über Bluetooth und reagiert etwas träge auf die eigene Fernbedienung. Unterm Strich aber digitale Verstärkung par excellence.