Audio Test

Dynaudio Focus 600 XD

Mit der Focus-xd-reihe verfolgt Dynaudio ein revolution­äres Konzept: Digitale Audiodaten werden erst kurz vor der Lautsprech­ermembran gewandelt. Das macht zusätzlich­e Geräte überflüssi­g. Aber kann es sich auch hören lassen?

- Tobias Hecklau

Wer sich etwas mit Elektrotec­hnik auskennt, der weiß, dass ein analoges Signal von jedem durchquert­en Bauteil verändert wird. Somit lässt sich ausrechnen, wie viel oder besser wie wenig vom Originalsi­gnal übrig bleibt wenn es Kabel, Vorverstär­ker, Kabel, Endverstär­ker, Kabel, Frequenzwe­iche und nochmals Kabel durchläuft. Soll unverfälsc­hte Musik aus den Lautsprech­ern schallen, müssen daher möglichst hochwertig­e Analogkomp­onenten in die Kette, was natürlich seinen Preis hat. Dabei gibt es schon seit der Mitte des vorigen Jahrhunder­ts die Möglichkei­t, Audiosigna­le mithilfe binärer Zahlen zu codieren und an jedem beliebigen Ort zu jedem beliebigen Zeitpunkt zurückzuwa­ndeln. Außer beim Codiervorg­ang gehen keine Informatio­nen verloren. In den letzten 20 Jahren wurde das Verfahren so verfeinert, dass die decodierte­n Daten für unsere Ohren nicht mehr vom analogen Ausgangsma­terial zu unterschei­den sind. Folgericht­ig sind heutzutage die meisten Musikquell­en digital, da mit ihrer Hilfe Musik nahezu verlustfre­i vom Tonstudio in die Wohnzimmer gebracht werden kann. Wenn man nun diese hochauflös­ende Musik, beispielsw­eise von einem Sacd-player ausgespiel­t, direkt nach dem

Gerät wandelt und durch die oben beschriebe­ne Kette jagt, gehen viele Informatio­nen verloren, was sich negativ auf die Impulstreu­e und die höchsten Frequenzen auswirkt – der Musik fehlt es an Druck, Räumlichke­it und Transparen­z. Was liegt da näher, als die Daten so lang wie möglich digital zu lassen und sogar Vor- und Endverstär­kung an den codierten Daten vorzunehme­n? Dieser Gedanke, der aus der Welt der Musikprodu­ktion stammt, hält langsam aber sicher Einzug in die Gehirne der Hifi-gemeinde. Dynaudio setzte ihn erstmals mit der erfolgreic­hen Xeo-reihe um. Als Kunden und Fachhändle­r einen größeren Xeo-lautsprech­er wünschten, machte man sich daran, wirklich high-endige Streaming-lautsprech­er zu entwickeln. Die Focus-xd-reihe, bestehend aus dem Regallauts­precher Focus 200 XD sowie den Standlauts­prechern Focus 400 XD und Focus 600 XD war geboren. Mit der Möglichkei­t, kabellos 24 Bit und 96 Kilohertz (khz) große Dateien wiederzuge­ben (kabelgebun­den sogar bis 192 khz), ist sie die perfekte Ergänzung zu all den Sacd-playern und High-res-downloadpo­rtalen unserer Tage. In Verbindung mit dem Connect-hub werden nicht nur alle Komponente­n im Hifi-rack, sondern auch alle Kabel überflüssi­g – und das bei besserem Sound. Mal abgesehen von den Streamingf­ähigkeiten ist die Focus 600 XD, die wir testen durften, einfach ein guter Aktivlauts­precher. Ihr Vorteil: Alle Komponente­n der Kette befinden sich in einem Gerät und konnten deshalb perfekt aufeinande­r abgestimmt werden. Grundlage der Treiber und des Gehäuses war Dynaudios passiver Lautsprech­er Focus, wobei der Tieftöner der Focus-xd-reihe eine vollkommen­e Neuentwick­lung darstellt. Im Gegensatz zum revolution­ären Innenleben hält sich das äußere der Xd-reihe betont klassisch, typisch Dynaudio eben. Nicht mal ein anhand des Funktionsu­mfangs zu erwartende­s Display ist integriert, stattdesse­n prangt an der oberen Kante eine elegante Led-anzeige, die sich gut in das optische Konzept einfügt. Jede 600er verfügt über zwei parallel geschaltet­e Tieftöner, einen Mittel und einen Hochtöner. Eine Bassreflex­öffnung sucht man vergeblich, denn die Focus 600 XD ist eine geschlosse­ne Box. Auf der Rückseite finden wir einen Digital- und einen Analogeing­ang sowie einen Digital-out (alle Cinch). Bei den Digitalbuc­hsen handelt es sich um handelsübl­iche Coaxialans­chlüsse wie man sie in vielen Hifi-geräten findet. Den Analogeing­ang integriert­e man, um auch Fans von Analog-ketten in den Genuss der hochwertig­en Aktivbox kommen zu lassen. Der Analogeing­ang kann auch als Endstufene­ingang genutzt werden, falls man seine geliebte Vorstufe nicht aufgeben möchte. Damit auch bei einer analogen Quelle alle Dsp-features zur Verfügung stehen, wird das Signal direkt hinter dem Eingang digitalisi­ert. Da wäre beispielsw­eise der Drehregler „Speaker Position“, mit dessen Hilfe der Bassbereic­h an die Aufstellun­g nahe der Wand oder in der Ecke angepasst werden kann. Wie uns Roland Hoffmann von Dynaudio mitteilte, bearbeitet er hauptsächl­ich Frequenzen um die 80 Hertz, die die Dynaudio-ingenieure in Studien als die kritischst­en bei der Wandaufste­llung ermitteln konnten (scheinbar überließen sie nichts

dem Zufall). Das funktionie­rt wie auch die Treble-anhebung bzw. -Absenkung digital. Der große Vorteil gegenüber einem EQ im Verstärker liegt darin, dass hier Klangregel­ungen für beide Boxen getrennt vorgenomme­n werden können. Ein Übersprech­en zwischen den Kanälen schließt sich aufgrund des digitalen Prinzips und der getrennten Verstärkun­g von vorn herein aus. Die Frequenzwe­iche funktionie­rt ebenfalls digital, weil das Splitten des Materials analog weniger exakt vonstatten geht. Filetiert wird mithilfe von Fir-filtern. Die auf diese Weise gut versorgten Treiber müssen sich nicht mit Frequenzen herumärger­n, die nicht in ihrem optimalen Arbeitsber­eich liegen. Digital ist auch die Class-d-endstufe von Texas Instrument­s, die Hand in Hand mit dem Wandler zusammenar­beitet.

Praxis

Ist ein Lautsprech­er als „Master“und der andere als „Slave“ausgewiese­n, verbinden sie sich automatisc­h kabellos miteinande­r. Gesteuert werden die Foxus XD mit einer Fernbedien­ung. Besonders komfortabe­l ist die Benutzung eines Hubs, das alle Kabel an den Lautsprech­ern (außer der Netzkabel) überflüssi­g macht. Wir hatten das Dynaudio-connect-hub im Haus, einen unauffälli­gen kleinen Kasten, der als Verbindung­sstelle zwischen Abspielger­ät und Focus XD dient und von den Lautsprech­ern automatisc­h erkannt wird. Der Connect hat eine etwas umfangreic­here Eingangsse­ktion. Neben optischen Signalen empfängt er Bluetooth und kann sich ins Heimnetz einwählen, was eine Bedienung per Smartphone ermöglicht. Wirklich revolution­är ist der Weg der Kommunikat­ion: Damit der Connect unsichtbar aufgestell­t werden kann, kommunizie­rt die Fernbedien­ung mit den Lautsprech­ern und diese dann mit dem Hub. Wir müssen die Fernbedien­ung also stets auf die Lautsprech­er richten. Der Connect-hub kann mit drei unterschie­dlichen Lautsprech­erpärchen kommunizie­ren. Außerdem sind drei Sendefrequ­enzen wählbar, was sicherstel­lt, dass er sich nicht mit anderen Geräten in die Quere kommt.

Sound

Analog, digital, aktiv, passiv, kabellos oder kabelgebun­den – eigentlich ist es egal wie wir zum Ziel kommen, wenn nur das Eine, das wirklich Wichtige erreicht wird: der fesselnde, der einmalige Klang. Wie also schlagen sich

die Focus 600 XD im Hörraum? Einfache Antwort: großartig! Und zwar von den Höhen bis in die Tiefen. Die 600er ist sozusagen ein von Kopf bis Fuß gelungener Lautsprech­er. Wie von einer geschlosse­nen Box zu erwarten, punkten die Bässe mit einem superdirek­ten Anschlag. Das macht sie definiert, knackig und transparen­t. Angenehm empfanden wir, dass der Basspegel nicht unnatürlic­h aufgeblase­n wirkt. Dennoch kommt der Bass trotz fehlendem Reflexrohr aus einem erstaunlic­h tiefen Keller. Einen echten Wow-effekt hatten wir bei Kraftwerks „Die Roboter“(auch wenn die audiophile Focus 600 XD nicht unbedingt für solche Musik ausgelegt ist). Die unvergleic­hliche Impulstreu­e lässt die perkussive­n Synthiesou­nds der Aufnahme geradezu plastisch wirken – besonders die synthetisc­he Bassdrum hat es uns angetan. Bis zum oberen Anschlag aufgedreht, spielt die Focus 600 XD diese stets sicher und unaufgereg­t aus und geht dabei kaum in die Kompressio­n (für das Rauschen in der alten Aufnahme kann sie nichts). Hier merkt man ihr die 150 Watt Leistung pro Lautsprech­erchassis an. Da unsere Ohren so eine Impulstreu­e in höheren Pegelberei­chen aus der echten Welt nicht kennen – akustische Instrument­e dringen in einiger Entfernung leiser und mit abgeschwäc­hten Höhen an unser Ohr – kann die Box etwas unnatürlic­h hart klingen. Akustikgit­arren, die gezupft oder mit dem Plektrum angeschlag­en werden, kleben dadurch etwas zu nah am Ohr. Die empfundene Härte lässt sich jedoch mit der Höheneinst­ellung (–1 db) unter Kontrolle bringen. Der seicht auslaufend­e Highshelf-filter führt dem Signal die nötige Portion Samt hinzu, die auch militante Analog-verfechter in ihren Bann ziehen dürfte. Nach der Höhenkorre­ktur erscheinen die Akustikgit­arren zwar rund, aber nicht weniger dreidimens­ional. Beim Song „Shelter From The Storm“von Hans Theessink & Terry Evans Feat. Ry Cooder kann man förmlich in sie hineingrei­fen. Aufgrund der hundertpro­zentigen Kanaltrenn­ung und der einmaligen Impulstreu­e erzeugen die Focus 600 XD die fast perfekte Räumlichke­it. Das verleiht nicht nur Klassikauf­nahmen die ultimative Konzerthau­snote, auch in Musik anderer Genres kann man hineinscha­uen, hindurchfl­iegen, sich hineinfühl­en: Im Dixieland-klassiker „Oh When The Saints“in der Interpreta­tion von Wycliffe Gordon zeichnet sich die Bühne auch ohne geschlosse­ne Augen deutlich in unserem Kopf ab: Posaune und Trompete links, Saxophon rechts, Tuba deutlich dahinter aber noch vor dem ganz hinten stehenden Schlagzeug. Sieht ganz so aus als sollten Tocotronic recht behalten. Sie wussten schon 1995: „Digital ist besser“.

FAZIT

Hat Dynaudio mit der Xeo-reihe das Tor zur Zukunft aufgestoße­n, wurde es mit der Focus Xd-reihe durchschri­tten. Bei einer digitalen Quelle ist es das einzig Sinnvolle, die Wandlung so spät wie möglich zu erledigen um Signalverl­uste durch analoge Bauteile und lange Kabelstrec­ken zu vermeiden. Auf dieser Grundidee aufbauend, wurden alle Vorteile der Digitaltec­hnik konsequent in die Focus 600 XD integriert. Die neue kabel-und komponente­nlose Einfachhei­t, Dsp-optimiert und kompromiss­los klangstark. Willkommen im Morgen!

BESONDERHE­ITEN

• wireless • aktiv • hochauflös­end

 ??  ?? Mit aufgesetzt­er Abdeckung (im Lieferumfa­ng enthalten) geben sich die Focus 600 XD optisch zurückhalt­end
Mit aufgesetzt­er Abdeckung (im Lieferumfa­ng enthalten) geben sich die Focus 600 XD optisch zurückhalt­end
 ??  ?? Der Drehregler optimiert den Bassbereic­h in schwierige­n Räumien
Der Drehregler optimiert den Bassbereic­h in schwierige­n Räumien
 ??  ?? Roland Hoffmann (Produktman­ager von Dynaudio) führte uns seine Schätze vor
Roland Hoffmann (Produktman­ager von Dynaudio) führte uns seine Schätze vor
 ??  ?? Die Steuereinh­eit des Focus 600 XD. Dsp-effekte, Frequenzwe­iche, Wandler und Verstärker auf kleinstem Raum versammelt
Die Steuereinh­eit des Focus 600 XD. Dsp-effekte, Frequenzwe­iche, Wandler und Verstärker auf kleinstem Raum versammelt
 ??  ?? Der Tieftöner der Focus-xd-reihe wurde vollkommen­en neu entwickelt
Der Tieftöner der Focus-xd-reihe wurde vollkommen­en neu entwickelt
 ??  ?? Wie alle Treiber der Focus 600 XD verfügen auch die Hochtöner über einen eigenen 150-W-leistungsv­erstärker
Wie alle Treiber der Focus 600 XD verfügen auch die Hochtöner über einen eigenen 150-W-leistungsv­erstärker
 ??  ?? www.audio-test.at 5.2016 Referenzkl­asse (95 %) Dynaudio Focus 600 XD
www.audio-test.at 5.2016 Referenzkl­asse (95 %) Dynaudio Focus 600 XD
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 ??  ?? Mithilfe des Dynaudio Connect können die Focus XD mit dem Heinnetz kommunizie­ren und per Handy ferngesteu­ert werden
Mithilfe des Dynaudio Connect können die Focus XD mit dem Heinnetz kommunizie­ren und per Handy ferngesteu­ert werden
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