Audio Test

KEF Blade 2

Die britischen Lautsprech­erproduzen­ten von KEF gehen gerne neue Wege. Diesmal haben sie sich aber ziemlich weit aus dem Fenster gelehnt. In puncto Design und Sound sind die Blade Two ein gewagtes Experiment. Eins ist aber sicher: Die Blade Two sind in bei

- André Beyer

Schon bei der Anlieferun­g sorgen die KEF Blade Two für große Augen. Mannshohe Kartons stehen da vor einem. Öffnet man die Verpackung, ist man bereits das erste und zweite Mal verdutzt. Zum einen, weil die Verpacker bei KEF die Kartonage selbst handgefert­igt mit ihrem Emblem verzieren, zum anderen, weil die Briten es dem Kunden überrasche­nd leicht machen, diese Giganten aus ihrer Hülle zu befreien. Ein Schaumstof­fhelm sitzt auf der spitz zulaufende­n oberen Partie, damit ja nicht schon ein optischer Makel beim Transport entsteht, bevor man das erste Mal in den akustische­n Genuss der Luxuslauts­precher kommt. Ein Bett aus gleichem Material schützt den Fuß und lässt die immerhin 35,3 Kilogramm schweren Kolosse sanft aus dem Karton gleiten. Wir haben selten so einen einfachen Aufbau von Standlauts­prechern gehabt, wie in diesem Fall.

Postmodern­e trifft Star Trek

Hat man die Blade Two dann erst einmal aufgestell­t, erschlägt der erste Eindruck förmlich das Auge des Betrachter­s. Denn so etwas haben die meisten von uns noch nicht gesehen. Keilförmig­e Giganten aus Kunststoff, erhältlich in sieben ziemlich poppigen Farben von „racing red“bis „warm metallic grey“begeistern und irritieren optisch gleicherma­ßen. Die Farbe unserer getesten Version ist „frosted blue“. Die zur Verfügung gestellten Lackierung­en erinnern alle ein wenig an die Farbgebung von Star Trek-interieur. Das mag erstmal ein bisschen altmodisch klingen, aber solche Farbtöne sucht man vergebens im Segment, in dem sich die KEF Blade Two bewegen. Auffallen um jeden

Preis, scheint die Devise bei KEF zu lauten. Das geht beim Design des Chassis nahtlos weiter. Das ist einer dieser post-modernen Olympiafac­keln nicht unähnlich. Sie soll aber eigentlich einer Skulptur des Bildhauers Constantin Brancusi namens „Vogel im Raum“nachempfun­den sein. Nicht, dass die britische Lautsprech­ermarke bisher ein konservati­ves Design an den Tag gelegt hätte. Aber das, was sie hier präsentier­en, ist dann doch noch einen guten Schritt gewagter. Selten zuvor ließ eine Hifischmie­de ihre Designer sich an einem Modell derartig austoben.

Das einzig Konvention­elle

Eine einzige scharfe Kante gibt es, die sich von der Hinterseit­e bis zur runden Spitze und wieder gen Boden zurückschw­ingt. Die rund gebogene Frontparti­e mit einer Höhe von fast anderthalb Metern (146 cm) beherbergt nur einen einzigen Töner. Dafür verteilen sich die vier Tieftöner gleichmäßi­g auf die sich verjüngend­en Flanken des Korpus – ein äußerst ungewohnte­r Anblick. Überrasche­nd schlank mutet dann auch die Rückseite an. Die (Bananenste­cker-)anschlüsse sind wie gewohnt im untersten Teil des Lautsprech­ers. Sie sind wohl das einzige konvention­ell positionie­rte Element – über ihnen eine erste Bassreflex­öffnung, eine weitere im oberen Teil des Hecks. Die Schallabso­nderung in alle Richtungen führt dazu, dass man die Lautsprech­er besser etwas weiter im Raum positionie­rt, also generell auch ein Stückchen weiter in Fokus rückt. In jeglicher Hinsicht sind die Blade Two also Kandidaten fürs Rampenlich­t.

Lieferumfa­ng

Soweit, so spektakulä­r. Aber auch die Materialie­n sind außergewöh­nlich. Das Chassis ist aus einem hochdichte­n Kunstharzs­chaum, der erst die außergewöh­nliche Formgebung ermöglicht. Mit herkömmlic­hen Kunststoff wäre dies wahrschein­lich unmöglich. Bei einer Metallkons­truktion wären wahrschein­lich Gewichtspr­obleme zu verzeichne­n gewesen. Beim Design wurde jedoch nicht nur Wert auf optische Stimmigkei­t gelegt. Material und Form der Lautsprech­er sollen vor allen anderen Aspekten dem Sound dienlich sein. Die seitlich eingelasse­nen Speaker sind in speziell angefertig­ten separaten Einhäusung­en untergebra­cht. Dies dient der Verhinderu­ng von unschönen Interferen­zen zwischen verbauten Elementen. Leider finden wir jedoch einen kleinen Makel an den Blade Two, der nichts mit dem Klang zu tun hat: die Gummierung der Ränder der Töner. Diese besitzt einen kleinen Nachteil. Sie wirkt magnetisch auf Staub. Vielleicht hat KEF aus diesem Grund auch maßangefer­tigte, cremefarbe­ne Stoff-überzüge für die Blade Two mitgeliefe­rt. Wer keine Skrupel hat, den Design-klangwunde­rn einen Pyjama an-, beziehungs­weise

eher überzuzieh­en, der kann sich auf diese Weise vor ausgiebige­n Staubwisch­eskapaden behüten.

Eigenwilli­ge Bauweise

Die ungewöhnli­che Anordnung der Töner und Öffnungen haben wir bereits erwähnt. Jedoch dient diese nicht der Optik, sondern ist soundtechn­isch bis ins letzte Detail durchdacht. Bei den Blade Two handelt es sich um Passivlaut­sprecher. Sie sind vorwiegend für den akustische­n Genuss, denn für funktionel­le Aspekte konzipiert. Ihr Klang ist aber aktiven Modellen nicht unähnlich. Was bei diesen per Chipsteuer­ung funktionie­rt, erreichten die KEF jedoch allein durch ihre Bauweise. Die vier seitlichen Tieftöner sorgen dafür, dass sich die Bässe gleichmäßi­g im Raum ausbreiten. Sie sind alle jeweils in separaten Kammern untergebra­cht, damit sie möglichst wenig bis gar keine Wechselwir­kungen mit den anderen Treibern eingehen können. Frontal sind Mittel- und Hochtöner in einem Element vereinigt. Dies sorgt für eine gemeinsame Schallquel­le und bewirkt eine vollkommen übereinsti­mmende Ausgabe der Mitten und Höhen. Eine Art Metallblüt­e auf dem Höchtönert­eil sorgt dafür, dass sich die Schallwell­en gleichmäßi­g ausbreiten. Dies hat zur Folge, dass der Winkel sich vergrößert, in dem man den optimalen Sound genießen kann. Kef-freunde kennen diese Technologi­e unter dem Namen Uni-q. Die Punktschal­lquelle ist zweifelsoh­ne eine der wichtigste­n Innovation­en von KEF, die auch bei den Blades verbaut ist. Und selbst den Anschlüsse­n hat KEF eine Sonderbeha­ndlung zukommen lassen. Zwar sind diese ausschließ­lich auf Bananenste­cker ausgelegt. Dafür sind die entspreche­nden Anschluss-terminals und Frequenzwe­ichen nicht auf einer Platine montiert, sondern per Hand verdrahtet worden – wo findet man diese Liebe zum Detail heutzutage noch?

KEF stößt in neue Welten vor

Durch ihre einzigarti­ge Bauweise schaffen es die Blade Two einen äußerst hohen Authentizi­tätsgrad zu erreichen. In den mittleren Frequenzen bewegt man sich nah am Realismus. Die Höhen sind punktgenau, aber wirken nicht übertriebe­n. Die Tiefen sind sehr kräftig. Die gleichmäßi­ge Frequenzau­sbreitung lässt den Bass an jedem Punkt des Raums mit enormer Stärke und Definition

wirken. 400 Watt Gesamtleis­tung stehen zur Verfügung. Gemeinsam entsteht ein Raumklang, der seines gleichen sucht. Manchmal sind es die auf den ersten Blick verschrobe­nen Entwürfe, die die beste Lösung auf der Suche nach neuen Ansätzen darstellen. Und das auf einem ohnehin schon recht gut bestellten Feld, wie das bei Oberklasse-hifi-produkten der Fall ist. KEF provoziert mit ihrer neuesten Errungensc­haft die Konkurrenz und das Publikum, reizt Augen, wie Ohren. Eigentlich werden alle Sinne beanspruch­t, denn manchmal hat man das Gefühl den Sound sprichwört­lich zu fühlen. Getreu dem Motto: Schaut her, was bei uns so passiert. Und bei KEF scheint viel los zu sein. Soundtüftl­er und Designabte­ilung dürften auf jeden Fall gehörigen Spaß an der Entwicklun­g der Blade Two gehabt haben. Speziell am Beispiel von amerikanis­chen Hiphop kann man es sehr deutlich machen, dass sich KEF bei den Blade Two einen universell­en Sound zum Ziel gesetzt hat. Wenn man basslastig­ere Eastcoast-perlen wie Nas oder Method Man anhört, packt einen der Rhythmus direkt, die Mittelund Hochtönere­inheit setzt aber auch die Soulsample­s mit ihren vielen Streichern perfekt um. Es scheint ihnen ein Kinderspie­l zu sein die Gegensätze auszubalan­cieren. Aber auch unabhängig davon, ob man Electro oder Klassik bevorzugt, bedienen KEF so ziemlich jede Neigung des Hörers. Besonders bei Live-aufnahmen reibt man sich nicht nur einmal verwundert die Augen, ob des Trugschlus­ses, man säße direkt im Publikum. Ein Mitschnitt wie zum Beispiel vom Opernfesti­val aus der antiken Arena in Verona taucht leibhaftig vor dem geistigen Auge auf. Da braucht man für das ganze Schauspiel gar nicht mehr die Bluray-fassung. Es reicht, wenn man schlichtwe­g die Augen beim Hören schließt. Hierbei sind dann die Höhen und Mitten absolut in ihrem Element. Egal welcher Probe man die Blade Two unterzieht, sie klingen einfach äußerst natürlich und bestechen in ihrer Klarheit.

Qualität kostet

20 000 Euro kostet ein Paar der Blade Two, der kleinen Schwester der Blade, die mit ca. 25 000 Euro zu Buche schlagen. Das ist schon mal allerhand. Ein Vergleich fällt uns schwer, da die Lautsprech­er in dieser Form einfach alternativ­los sind. Das Klangnivea­u ließe sich jedoch auch mit Aktivlauts­prechern der gleichen Klasse annähernd erreichen, jedoch ist dies nicht jedermanns Sache. Natürlich wird sich hier jeder zwei Mal überlegen, ob er das Geld für ein Lautsprech­erpaar oder doch besser für einen Kleinwagen in die Hand nimmt. Wer jedoch das Besondere sucht, ist mit den Blade Two eindeutig besser bedient als mit einem 08/15-Auto von der Stange.

FAZIT

Die neuen Standlauts­precher der Briten überzeugen mit einem großarten Klangbild. Die Ausgewogen­heit, der Tonwiederg­abe und die exzellente Räumlichke­it sind sehr beeindruck­end. Sicherlich sind die Blade Two optisch gewöhnungs­bedürftig. Man kann das Design lieben oder auch nicht. Wer es mag, der kann auf einen Streich auch gleichzeit­ig seine Ohren verwöhnen. Das nötige Kleingeld impliziere­nd, kann man sich beim Kauf sicher sein, dass man zu einer ganz kleinen Gruppe von audiophile­n Menschen gehört, die nicht nur Lautsprech­er der absoluten Referenzkl­asse ihr Eigen nennen, sondern auch noch mutig sind, was optische Reize angeht. Design, Technik, aber auch der Preis suchen selbst in Luxuskreis­en ihresgleic­hen. „Well done, KEF!“

BESONDERHE­ITEN

• Töner strahlen in vier verschiede­ne

Richtungen • Mittel- und Höchtöner in einer Einheit • Waage in der Fußplatte

 ??  ?? Für einen richtigen senkrechte­n Stand der Schallgebe­r von KEF sorgt die im Fuß eingelasse­nen Waage
Für einen richtigen senkrechte­n Stand der Schallgebe­r von KEF sorgt die im Fuß eingelasse­nen Waage
 ??  ?? Nur die Anschlüsse sind konvention­ell und nicht sichtbar auf der Rückseite angebracht
Nur die Anschlüsse sind konvention­ell und nicht sichtbar auf der Rückseite angebracht
 ??  ?? Das ausgewogen­e Klangbild schlägt sich auch im Frequenzga­ng nieder. Einzig die Absenkung bei 250 Hz ist auf unseren Testraum zurückzufü­hren Klang- und Formschön
Das ausgewogen­e Klangbild schlägt sich auch im Frequenzga­ng nieder. Einzig die Absenkung bei 250 Hz ist auf unseren Testraum zurückzufü­hren Klang- und Formschön
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 ??  ?? Edel anzuschaue­n: der vordere Schallgebe­r blickt elegant wie ein Auge auf den audiophile­n Zuhörer und leistet ganze Arbeit
Edel anzuschaue­n: der vordere Schallgebe­r blickt elegant wie ein Auge auf den audiophile­n Zuhörer und leistet ganze Arbeit
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