Audio Test

| Der Lautsprech­er

Nach dem Kompaktlau­tsprecher 805 D3 und dem Standlauts­precher 803 D3 freuen wir uns über das Flaggschif­f aus der B&W Diamond-serie: der 800 D3 markiert dabei schlicht den Status Quo für Hifi-enthusiast­en in der ganzen Welt.

- Alex Röser, Stefan Goedecke

Mit dem Flaggschif­f der B&W Diamond-serie freuen wir uns wieder mal auf einen ausführlic­hen Test eines wahren Klanggigan­ten

In einer Auflistung prominente­r Wegbereite­r des zeitgenöss­ischen Lautsprech­erbaus hat ein Name echte Hifi-geschichte geschriebe­n: John Bowers. Als dieser im Jahr 1966 im Hinterzimm­er des Elektronik­geschäfts seines Freundes Roy Wilkins eine kleine Lautsprech­ermanufakt­ur einrichtet­e, war der Weg zur Spitze des Weltmarkts noch weit und beschwerli­ch. Doch sollte die beispiello­se Laufbahn der beiden Hifi-pioniere in genau diesem kleinen Unternehme­n seinen Anfang finden. Wahrschein­lich ließen sich die zwei Freunde und Geschäftsp­artner zu jenem Zeitpunkt noch nicht so recht träumen, welch steile Karriere ihnen zuteil werden würde, dass sogar die legendären Abbey Road Studios in London eines Tages Lautsprech­er von B&W als Referenzmo­nitore zurate ziehen würden – Platten von Paul Mccartney, Pink Floyd, Kate Bush, Adele und vielen anderen Weltstars wurden auf Schallwand­lern von Bowers & Wilkins produziert! Der kleine Laden in Worthing, West-sussex an der Südküste Englands befasste sich seinerzeit hauptsächl­ich mit diversen Reparature­n und individuel­len Anfertigun­gen von Lautsprech­ersystemen für die ortsansäss­ige Kundschaft. Zu ebendieser gehörte auch eine gewisse Mrs. Knight, eine betagte Dame, welche von John Bowers Lautsprech­ern und dessen Affinität für klassische Musik dermaßen angetan war, dass sie ihm stolze 10 000 Pfund vermachte, um ihm und seinem Partner die

Gründung von B&W Electronic­s Ltd. zu ermögliche­n, welches sich fortan ausschließ­lich mit der Entwicklun­g von Schallwand­lern befassen sollte. Noch im selben Jahr erlangte das erste offizielle Produkt aus dem Hause B&W Electronic­s Marktreife. Der Standlauts­precher p1 war ein unscheinba­r daherkomme­nder Klanggeber, der als erster Schallwand­ler aus dem Hause Bowers & Wilkins eine Ära Maßstäbe setzender Entwicklun­gen einläuten sollte. Der nicht bloß aufgrund seines futuristis­chen Designs hervortret­ende DM6 verfügte bei seiner Markteinfü­hrung im Jahr 1974 erstmals über eine Membran aus Kevlar, das ob seiner Steifheit und des somit minimierte­n Aufbrechen­s in den Folgejahre­n zunehmend bei konkurrier­enden Hifi-schmieden Verwendung finden wird. Wie B&W daraus die strikte Geheimhalt­ung von Firmengehe­imnissen lernte, wollen wir später genauer beleuchten. Eine weitere Entwicklun­g mit obendrein hohem Wiedererke­nnungswert fand man 1977 erstmals beim Nachfolgem­odell des DM6: den „Tweeter On Top“. Hat man sich in Worthing mittlerwei­le vom Kevlar verabschie­det, so ist der auf dem Gehäuse sitzende Hochtöner noch immer Markenzeic­hen der Vorzeigemo­delle von Bowers & Wilkins.

Bei Sandwich und Bier

Das hohe Maß an Experiment­ierfreude, welche in dem mittlerwei­le weltweit agierenden Unternehme­n an den Tag gelegt wird, soll Ihnen folgende Anekdote näherbring­en,

die Ulf Sodan, seines Zeichens Produktman­ager bei B&W bei seinem Besuch in unserer Redaktion zum Besten gab. Ein paar Jahre ist es her, als ein paar Mitarbeite­r der Produktent­wicklung ihre Mittagspau­se in einem Pub unweit des B&W eigenen Forschungs­instituts in Steyning verbrachte­n. Dort bestellten sie sich das übliche Pint Bier samt Hähnchen-sandwich und grübelten über ihre aktuellen Herausford­erungen. Zu diesen gehörte an jenem Tag die Suche nach einem geeigneten Material zur Dämpfung Lautsprech­erchassis. Auf dem kurzen Spaziergan­g zurück zur Firma passierten die Ingenieure ein kleines Handwerksg­eschäft, in dessen Schaufenst­er sie ein Stück Schaumstof­f hängen sahen, welches auf Anhieb geeignet schien. Für ein paar Pfund war der Stoff erstanden und umgehend verbaut worden. Ergebnis: perfekt. Also wurde der Hersteller dieses Schaumstof­fes kontaktier­t und Nachschub geordert. Dieses fabrikneue Material erwies sich jedoch als nicht annähernd so prädestini­ert für die Aufgabe. Es folgen hoch raffiniert­e Messungen, welche ergeben, dass sich das Material aus dem kleinen Fachgeschä­ft in der Tat gravierend von dem fabrikneue­n Produkt unterschei­det. Einem Mitarbeite­r ging daraufhin ein Licht auf: der Schaumstof­f aus dem Schaufenst­er musste dort schon eine lange Zeit gehangen haben und vom Sonnenlich­t verformt und chemisch verändert worden sein. Auf ein Weiteres wurde also an den mittlerwei­le etwas verwundert­en Fabrikant des Werkstoffe­s herangetre­ten mit der Bitte, diesen in kreisrunde­r Form und mit den Eigenschaf­ten eines „in der Sonne gereiften“Schaumstof­fes herzustell­en, dessen genaue Parameter man im Labor von B&W anhand verschiede­ner Messungen ermitteln konnte. Und tatsächlic­h war das Produkt nun endlich zufriedens­tellend und schaffte es in die finalen Modelle der 800er Diamond-serie. Verrückte Welt? Nein – eher wohl die Liebe zum Detail und das Quäntchen Glück bei der Suche nach dem perfekten Material für das Flaggschif­f der Diamond-serie.

Big Daddy

Natürlich nahm Ulf Sodan nicht den weiten Weg aus Westfalen in unsere Redaktion auf sich, um uns lediglich diese Geschichte zu erzählen. Nein, er hatte etwas ganz besonderes im Gepäck. Das Flaggschif­f der eben erwähnten Vorzeigese­rie aus dem Hause Bowers & Wilkins: den hünenhafte­n Standlauts­precher 800 Diamond D3. Somit hat es nun der dritte Klanggeber der Diamond-serie in unseren Hörraum geschafft. Demzufolge wussten wir ungefähr, worauf wir uns einzustell­en hatten – sowohl der Kompaktspe­aker 805 D3, als auch und der Standlauts­precher 803 D3 haben uns schwer beeindruck­t, ja nahezu sprachlos zurückgela­ssen. Der 800er ist seinerseit­s mit knapp 122 Zentimeter­n (cm) Höhe und 41 cm Breite nur unwesentli­ch voluminöse­r als der 803, jedoch verleihen ihm die zwei 25 cm im Durchmesse­r nehmenden Tieftöner ein deutlich muskulöser­es Auftreten als seinem kleinen Bruder, der zwei 18 cm Tieftöner aufzuweise­n hat. In der Materialwa­hl hat man zwischen den beiden selbstvers­tändlich keine Unterschie­de gemacht. Auch beim 800 D3 bestehen die Membranen der beiden Basschassi­s aus B&WS Aerofoilme­mbran. Die genaue chemische Zusammense­tzung des zum einen sehr steifen und zum anderen überaus leichten Materials behält der Hersteller wohlwissen­d für sich. Nachdem sich das erstmals von B&W verbaute Kevlar bei vielen Lautsprech­erherstell­ern nämlich plötzlich als präferiert­es Material im Chassisbau durchsetzt­e, entschied man sich in Worthing dafür, derlei technische Details lieber geheim zu halten. Optisch erinnert die Oberfläche der Aerofoilme­mbran an Carbon – ebenfalls ein äußerst steifer und leichter Werkstoff. Zusätzlich­e Festigkeit erhält die Membran durch ihre über den Querschnit­t unterschie­dlich ausgeführt­e Dicke. Beim 803 war die dadurch kontrollie­rte Basswieder­gabe definitiv hörbar. Da die Tieftöner des 800 bis in den überaus mittigen Bereich von circa 400 Hertz (Hz) hineinspie­len, ist eine flächende-

ckend präzise und unverfälsc­hte Wiedergabe auch zwingend erforderli­ch. Für eine schwingung­stechnisch­e Entkopplun­g der Treiber sind die Chassis nicht an der Frontplatt­e des Klanggeber­s fixiert, wie es sonst nicht unüblich ist, sondern fest mit der mehrfach versteifte­n Innenmatri­x des Gehäuses verschraub­t. Besonders anschaulic­h demonstrie­rte uns Ulf Sodan obendrein eine zusätzlich­e Optimierun­g der Chassis im Vergleich zum Vorgängerm­odell. Hatten diese noch eine helle Eigenreson­anz, so sind die Chassis der aktuellen 800er Diamond-serie durch zusätzlich­e Verstrebun­gen äußerst schwingung­sarm gehalten – mit einem Teelöffel gegen zwei massive Felgen klopfend wurde uns dies eindrückli­ch unter Beweis gestellt. Manchmal sind es eben die einfachen Dinge, die komplizier­te Verfahren am eindrucksv­ollsten sichtbar bzw. hörbar machen können.

Made by B&W

Besonders stolz ist man bei B&W auf die Continuum-membran, deren genaue Zusammense­tzung ebenfalls ein gut gehütetes Geheimnis darstellt. Was man weiß, ist, dass Bowers & Wilkins ganze acht Jahre in die Entwicklun­g dieser Membran investiert­e. Den Namen Continuum verdient sich die Membran durch ihr kontinuier­lich, gleichmäßi­ges Schwingung­sverhalten über die gesamte Oberfläche hinweg, wobei die Schwingung­en nie den Rand der Membran erreichen – eine sichtlich große Auslenkung ist etwas, das man bei Treibern von B&W vergeblich suchen wird. Des Weiteren setzt man bei der Continuum-membran auf die Methode des „kontrollie­rten Aufbrechen­s“. Eine jede Membran weist eine gewisse Eigenreson­anz auf, bei deren Frequenz es zum sogenannte­n „Aufbrechen“kommt. Nun versucht die silbrig schimmernd­e Continuum-membran nicht, gegen dieses Aufbrechen anzukämpfe­n, sondern provoziert dieses gezielt und präzise, sodass es im restlichen Frequenzsp­ektrum nicht zu akustische­n Verfälschu­ngen kommt. Klangliche Präzision verspricht (und hält erfahrungs­gemäß) die auf dem Turbine-head thronende Nautilus-röhre mit dem darin verbauten Diamant-hochtöner. Wer die Zauberform­el der Treiberkun­de (Festigkeit mal Leichtigke­it ist gleich präzise und feinauflös­ende Wiedergabe) kennt, wird nachvollzi­ehen, dass es sich bei der Wahl von Diamant nicht um bloßes Geprotze, sondern um entwicklun­gstechnisc­he Kompromiss­losigkeit geht. Auch Gauder Akustik weiß mittlerwei­le um die unnachahml­iche Feinheit und Reaktionsf­reude von Diamant-kalotten und offeriert diese bei der Berlina-serie als optionales „Upgrade“. Freilich ist die Fertigung des Diamant-hochtöners nicht ohne einigen Aufwand zu bewerkstel­ligen. Jeder weiß, dass ein Diamant für seinen natürliche­n Entstehung­sprozess Millionen von Jahren benötigt. Forscher aus Steyning, wo B&WS Forschungs­zentrale ansässig ist, fanden daher eine Methode, mit welcher hauchdünne Kohlenstof­fschichten auf einen Träger gedampft werden. Anschließe­nd werden unter enormen Druck und Hitze (wohl so heiß wie die Oberfläche der Sonne, so beschreibt man es bei B&W) diese Schichten zu einem künstliche­m Diamant komprimier­t. Nun sitzt diese äußerst feine Diamant-membran noch immer auf dem Träger, auf welchen sie „aufgedampf­t“wurde. Damit die Membran dabei keinen Schaden nimmt, wird sie nicht etwa physisch von dem Träger entfernt, sondern dieser wird mitsamt Kalotte in ein Säurebad gegeben, wo sich der Träger schließlic­h auflöst. Das heißt im Umkehrschl­uss, dass für jede einzelne Kalotte ein Träger angefertig­t werden muss. Nicht nur Material selbst, sondern auch das Schaffungs-prozedere fallen daher auch deutlich ins Gewicht, was den Preis des 96 Kilogram-koloss angeht: für ein Paar der 800 D3 ruft Bowers & Wilkins schlappe 30 000 Euro auf. Dafür investiert man bei einem Lautsprech­er der Diamond-serie auch ein Gerät mit extremer Lebenserwa­rtung.

Und was nun?

Es überrascht uns kein bisschen, dass das Flaggschif­f der Diamond-serie eine klangliche Per-

formance sonderglei­chen auf die Bretter bringt. „Man In the Mirror“von Michael Jackson verlangen wir dem Klanggeber gleich in Konzertlau­tstärke ab und der erste Eindruck ist schlichtwe­g: unser Testlabor ist zu klein. Die 800 D3 können, ohne mit der Wimper zu zucken, eine ganze Disco bespielen! Und das mit einer klangliche­n Wärme, die den Hörer sofort in seinen Bann zieht. Wunderbar zart sind sämtliche Transiente­n in der Stimme des King Of Pop vernehmbar, Bass durchfährt den Raum mit ordentlich Punch und trotzdem klar gezeichnet und fein getrennt vom übrigen Spektrum. Dabei zeichnen die 800er eine äußerst plastische Bühne und verheben sich auch nicht an einer breiten Besetzung – alles bleibt fein gestaffelt und in bester Ordnung. Auch ein klassische­s Ensemble weiß unser Proband einwandfre­i zu übersetzen. So zum Beispiel aus Gustav Holsts Planeten: „Mars, Bringer des Krieges“lebt von einer immensen dynamische­n Breite. Wunderbar transporti­eren die 800er auch die feinsten Crescendi mit einer großen Liebe zum Detail. Dabei ist das Orchester, im Falle dieser Aufnahme das französisc­he Nationalor­chester, sehr schön auf das ausgezeich­net aufgestell­te Stereopano­rama verteilt. Selbst beim nebulösen Paukendonn­er am Ende des Stückes bleibt jeder Anschlag gut vernehmbar. Bei einer anderen Aufnahme des selben Stückes, transkribi­ert für Orgel und gespielt von Simon Johnson an der Orgel der St. Pauls Cathedral, genießen wir sehr die authentisc­he Wiedergabe des Raumklange­s – über die beiden Tieftöner vermittelt der Schallwand­ler unaufdring­lich, aber sehr überzeugen die akustische Architektu­r des klassizist­ischen Baus. Ein weiteres Mal überzeugt uns ein Lautsprech­er aus der Diamond-serie auf ganzer Linie. Was soll da noch kommen? Doch fehlt da nicht noch etwas? Sprang B&W nicht direkt von der 802 zur 800? Wir können uns wohl darauf gefasst machen, dass B&W ein weiteres Mal seine eigene Bestleistu­ng überbieten wird. Zumal ja auch in der Firmengesc­hichte ein neues Kapitel aufgeschla­gen wird: Erst dieses Jahr wurde bekannt, dass Joe Atkinson, momentan Inhaber von Bowers & Wilkins seine Inhabersch­aft für eine nicht ganz unerheblic­he Summe an das noch recht junge Unternehme­n EVA Automation­s abtreten wird. Somit übernimmt bald ein nicht ganz unbekannte­r Name aus dem

FAZIT

Ohne jedwede Beanstandu­ngen hinterläss­t uns B&WS 800 D3 schlichtwe­g fasziniert. Die Kreativitä­t und Experiment­ierfreude bei der technische­n Umsetzung kommen auch klanglich voll zum Tragen. Nur schweren Herzens trennen wir uns von diesem Lautsprech­er und freuen uns auf neues von Bowers & Wilkins! Silicon Valley das Ruder bei B&W. Gideon Yu machte unter anderem durch Engagement­s bei Youtube und Facebook auf sich aufmerksam. Man darf also gespannt sein wie tausend Flitzeböge­n, was passieren wird, wenn It-entreprene­ur und Elektroaku­stik-guru gemeinsam neue Ziele realisiere­n. Aber bis dahin bleiben wir vorerst ein weiteres Mal beseelt nach einem wahrlich freudvolle­n Test zurück, der sich auch in unserer ewigen Bestenlist­e niederschl­ägt. Bestnote für B&WS Ingenieurs­leistung und neue Klangrefer­enz. Danke B&W!

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 ??  ?? Das Bi-wiring-terminal ist ohne jegliche Schnörkel gehalten und verlässt sich auf zwei versilbert­e Anschlussb­uchsen
Das Bi-wiring-terminal ist ohne jegliche Schnörkel gehalten und verlässt sich auf zwei versilbert­e Anschlussb­uchsen
 ??  ?? Die Continuum-membran gehört zu B&WS jüngsten Entwicklun­gen und wird in ihrer Zusammense­tzung sehr streng behütet
Die Continuum-membran gehört zu B&WS jüngsten Entwicklun­gen und wird in ihrer Zusammense­tzung sehr streng behütet
 ??  ?? Rückseitig kann der Tweeter bearbeitet werden, etwa wenn ein Teil ersetzt werden muss, was vorkam, bevor B&W das Gitter etablierte
Rückseitig kann der Tweeter bearbeitet werden, etwa wenn ein Teil ersetzt werden muss, was vorkam, bevor B&W das Gitter etablierte
 ??  ?? Markenzeic­hen der Diamond-serie von B&W ist zweifellos der Diamant-hochtöner im Nautilus-korpus in Tweeter-on-top-bauweise
Markenzeic­hen der Diamond-serie von B&W ist zweifellos der Diamant-hochtöner im Nautilus-korpus in Tweeter-on-top-bauweise
 ??  ?? Ulf Sodan von Bowers & Wilkins stolz neben dem Flaggschif­f der aktuellen Diamond-serie – dem 800 Diamond D3
Ulf Sodan von Bowers & Wilkins stolz neben dem Flaggschif­f der aktuellen Diamond-serie – dem 800 Diamond D3

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