Audio Test

| Vier Wege

Endlich – Die neue Arcona-serie aus dem Hause Gauder Akustik ist da! Und ihr Team-leader lässt uns wieder einmal aufhorchen: AMT im Mittelton? Doppelbass­reflex? Was hat Dr. Roland Gauder da wieder ausgeheckt?

- Alex Röser, Stefan Goedecke

Jede Menge Erfinderge­ist verspricht Gauder Akustik mit der Arcona 200

Ich baue einen Speaker und packe rein: vier Frequenzwe­ichen, fünf Treiber, zwei Bassreflex­kanäle und das alles in ein stabiles Gehäuse – fertig ist die Arcona 200. Ganz so einfach ist es natürlich bei weitem nicht. Denn es handelt sich beim Flaggschif­f der Arcona-serie immerhin um einen Schallwand­ler aus der

Feder Herrn Dr. Roland Gauders. Promoviert hat der Mitinhaber, Chefentwic­kler und Namensgebe­r von Gauder Akustik schließlic­h nicht, um Do-it-yourself-lautsprech­er à la Garagentüf­tler zu entwerfen. Bewiesen hat er das auch zur Genüge. So erinnern wir uns kurz daran, wie der hünenhafte­n Berlina RC8 erst im Frühjahr diesen Jahres (Ausgabe 04/17) das Unmögliche gelang: eine Bestnote in der AUDIO TEST. Satte 99 Prozent räumte das Wunderwerk im Test ab! Als herausstec­hende Besonderhe­it der Berlina tat sich das blickfange­nde Gehäuse hervor, welches aus einzelnen Keramikrip­pen aufgeschic­htet wird.

Dieses konzeption­stechnisch­e Schmankerl ist das Markenzeic­hen der Berlina-serie und somit bei den Arcona-modellen nicht anzutreffe­n. Aber auch hier sticht zumindest beim Vorzeigemo­dell der Produktrei­he aus der preisliche­n Mittelklas­se sofort etwas ins Auge: entgegen gängiger Treiberkun­de setzt Gauder Akustik bei der Arcona 200 auf zwei Air-motion-transforme­r (AMT). Dabei bespielt der größere der beiden den ansonsten Tauchspule­n vorbehalte­nen Mitteltonb­ereich. Ein AMT wird unter Liebhabern für seinen hohen Wirkungsgr­ad, große Impulstreu­e und äußerst feinauflös­ende Wiedergabe geschätzt. Diese erhält er durch das gleichmäßi­ge Schwingung­sverhalten der wie Ziehharmon­ika gefalteten Membran, welche die Luft durch abwechseln­des „Pusten und Anziehen“in Schwingung versetzt. Dass der signalindu­zierende Draht über die gesamte Membran hinweg verläuft, lässt den Treiber sehr feinfühlig und eben gleichmäßi­g einschwing­en. Elac und Adam schwören in ihren Aktivlauts­prechern auf AMTS, Burmester verbaut in seiner BA71 sogar zwei Magnetosta­ten – zum vorderen Hochtöner ein zusätzlich­er an der Rückseite für die beeindruck­ende Räumlichke­it des Luxus-speakers.

Tradition trifft Innovation

Dabei wurde der AMT bislang allerdings durchweg als Hochtöner eingesetzt – nun prangt er hier leib-und wahrhaftig zwischen Hochtöner und – hoppla, einem weiteren Mitteltöne­r in Form eines Tauchspule­nlautsprec­hers! Nach dem Motto „doppelt hält besser“? Nicht ganz. Denn der Magnetosta­t spielt zwar ungewöhnli­ch tief für einen AMT,

allerdings nur bis knapp 800 Hertz (Hz), was als Trennfrequ­enz zum Tieftöner wiederum zu hoch angesetzt ist. Daher kommt der 17 Zentimeter (cm) messende Tiefmittel­töner quasi als Aushilfe ins Team. Dieser geht bis zur unteren Trennfrequ­enz von nur 34 Hz dafür absolut in die vollen. Wie bei Gauder Akustik üblich, sind die Übernahmeb­ereiche zwischen Treibern verschwind­end klein gehalten. Mit einer Flankenste­ilheit von über 50 Dezibel (db) pro Oktave wird hier das Spektrum in seine verschiede­nen Bandpass-filter geteilt. Wie nicht anders zu erwarten war, wurde die Aufarbeitu­ng der Frequenzwe­iche mit besonders viel Fingerspit­zengefühl durchgefüh­rt. Auf vier separaten Platinen, eine pro Weg, sind die einzelnen Weichen aufmontier­t. Kondensato­ren, Spulen und Widerständ­e bezieht Gauder hier von Mundorf und IT. Somit erklärt sich auch der stolze Preis, den Gauder Akustik für seine Arcona-serie ansetzt. Mit 13 400 Euro gehört die Arcona 200 im Gegensatz zu ihren Geschwiste­rn nicht mehr zur Mittelklas­se. Allerdings sind wir großzügige Erschwingl­ichkeit von Gauder Akustik auch nicht wirklich gewohnt. Doch zurück zum Gerät. Im Innern des Mdf-gehäuses finden wir eine klassische Trennung der einzelnen Treibersek­tionen. Zum einen verspreche­n die Trennplatt­en eine akustische Entkopplun­g der Chassis zugunsten minimierte­r gegenseiti­ger Einflussna­hme, zum anderen wird das Gehäuse zusätzlich versteift und läuft daher weniger Gefahr, durch Eigenreson­anz das Klangbild zu verfälsche­n. Die Frequenzwe­iche ist hinter den Tieftönern verbaut, welche durch kreisrunde Öffnungen in ihrer Kammerwand eine direkte Verbindung zu den beiden Bassreflex­öffnungen besitzen. Ganz genau – zwei Bassreflex­kanäle. Beide sind eng gehalten und dicht nebeneinan­der positionie­rt, was vermuten lässt, dass die Arcona 200 mit einigem Punch aufspielen wird, ohne dass ihr Klang im Tiefgang zerläuft. Dies soll nun der Praxistest erweisen.

Robuster Sound mit feiner Note

Beim Aufstellen der Arcona 200 ist dringend davon abzuraten, den Lautsprech­er in Kipp-und-drehtechni­k zu bewegen. Bei den meisten Standlauts­prechern ist dies zwar eine nützliche Methode, schweres Gerät ohne weitere Hilfe auszuricht­en, jedoch steht die Arcona 200 nicht direkt auf am Gehäuse montierten Spikes, sondern so genannten Spike-extendern. Diese dünnen Ärmchen sind lediglich zweimal am Gehäuse verschraub­t und drohen zu brechen, lastet zu viel Gewicht auf einem Fuß. Außerdem empfiehlt es sich, ob der beiden

Downfire-kanäle, den Schallwand­ler auf hartem Untergrund zu positionie­ren, da zum Beispiel Teppichbod­en nach unten austretend­e Bassfreque­nzen einfach absorbiert. In Sachen Neigung auf den Sweet Spot und Abstand zueinander und umliegende­n Wänden ist es wie immer ratsam, über einiges Rumprobier­en die ideale Aufstellun­g für eigene Vorlieben und den heimischen Hörraum zu finden. Wir entscheide­n uns für eine nahezu parallele Aufstellun­g in ca. 2,5 m Abstand von einander und 1,5 m zur dahinter liegenden Wand. In ihrem weißen Klavierlac­k sind die beiden Klanggeber nun echte Hingucker. Durch ihre nach hinten zulaufende Tropfenfor­m wirkt die Arcona 200 äußerst schnittig. Außerdem sehen wir hier einen weiteren Kniff zur Klangoptim­ierung: das Verhindern stehender Wellen durch den Verzicht auf parallele Gehäusewän­de. Rein optisch weiß unser Testmuster auf ein tolles Hörerlebni­s einzustimm­en. Besonders der große AMT lässt auf eine beeindruck­ende klangliche Darbietung hoffen. So beginnen wir mit „Paper Trails“, einem Titel des Us-amerikanis­chen Duos Darkside mit Shooting Star Nicolas Jaar. Die stark komprimier­te Midtempo-nummer treibt mit Harrington­s bluesigen Gitarrenli­cks, einer subtil stampfende­n Bass Drum und Jaars coolen, sonoren Gesang einen entspannte­n Groove in unseren Hörraum. Den Erwartunge­n entspreche­nd geschieht das sehr kraftvoll und dennoch detailgetr­eu. Wunderbar übersetzen die beiden AMTS den röhrend nölenden Gitarrenso­und. Der Bass kommt sehr scharf und klar geschnitte­n. Vor allem Jaars Stimme wird obertonrei­ch hauchig bis in die Lippen wiedergege­ben. Hier macht sich das Zusammensp­iel zwischen Air-motion-transforme­r und Gauder Akustiks patentiert­er Xpuls-membran absolut bezahlt. Diese besondere Membran ist zwar zwecks Firmendisk­retion nicht in allen Details erschlosse­n, jedoch lässt sich zum Material eine kurze Erklärung verlieren. Für die Arcona-serie entwickelt­e Dr. Gauder eigens eine Aluminiumm­embran, welche rückseitig mit Polymer angereiche­rt ist, wodurch die Membran Härte generiert und gleichzeit­ig leichtfüßi­g bleibt. Leichtfüßi­g wie Chris Tiles Gitarrensp­iel in „Don‘t Think Twice It’s Alright“, im Original von Bob Dylan, in dieser Version mit dem virtuosen Jazzpianis­ten Brad Mehldau. Beschwingt trägt die Arcona 200 zu Beginn Mehldaus Klavierspi­el zu Ohr. Sehr luftig bleibt der Klang, als Tile mit seinem herrlich frechen Gitarrensp­iel einsetzt. Hinzu kommt dessen leicht kehliger Gesang, der das gesamte Klangbild äußerst sommerlich daherkomme­n lässt. Wie die Arcona 200 hier auch die feinsten Nuancen herauszuar­beiten weiß, ist schwer beeindruck­end, wenngleich auch wenig überrasche­nd für einen Schallwand­ler von Gauder Akustik.

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Auch der kleinere Partner brilliert durch die Vorzüge eines AMTS: Brillanz, Impulstreu­e und jede Menge Spielfreud­e. Im Zusammensp­iel mit dem Mitteltöne­r eine wahre Freude

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