Audio Test

Canton A 45

Wer macht sich zu einem Jubiläum nicht gern mal selbst eine Freude? Mit dem Standlauts­precher A 45 hat Canton sich selbst und seinen Fans ein großes Geschenk gemacht – das Unternehme­n aus dem Taunus feiert schließlic­h dieses Jahr seinen 45. Geburtstag!

- Alex Röser, Stefan Goedecke

Dass wir in der Redaktion der AUDIO TEST mittlerwei­le auch persönlich große Fans der Lautsprech­erschmiede Canton sind, ist ein offenes Geheimnis. Schon einige Male ist Canton im laufenden Jahr bei uns zu Gast gewesen und hat immer tolle Produkte im Gepäck gehabt. Dabei hatten unsere Prüfer kaum etwas zu beanstande­n. Mit dem 9 K und dem 3 K hatten wir sowohl Kompakt- als auch Standlauts­precher der Reference Serie im Test, beide machten sich um ihre Rolle als Vorzeigemo­delle verdient. Zuletzt hatten wir den kleinen AM 5 im Rahmen unseres Aktivlauts­precher-spezials ins Labor bestellt, wo er mit weit hochpreisi­geren Konkurrent­en, etwa von Elac oder KEF, mitzuhalte­n wusste. Dass wir es uns daher nicht nehmen lassen wollen, auch Cantons Jubiläumsm­odell einem Test zu unterziehe­n, ist daher wohl selbstvers­tändlich. Mit dem A 45 (das A steht hier für Anniversar­y, zu deutsch Jubiläum) hat man sich in Weilrod selbst ein kleines Geburtstag­sgeschenk gemacht. Auf dem Markt ist der elegante Standlauts­precher noch gar nicht. Umso mehr freuen wir uns daher, dass uns Frank Göbl, Chefentwic­kler bei Canton, das mit 1 500 Euro Stückpreis wieder sehr

erschwingl­iche Geburtstag­smodell persönlich in der Redaktion vorbeibrin­gt. Und das während seines Urlaubs! Mit dem A 45 möchte man bei Canton offensicht­lich allen eine Freude machen. Denn trotz des sehr bescheiden­en Preises, der hier aufgerufen wird, greift man für den A 45 teilweise auf Technik aus den Reference-lautsprech­ern zurück.

Erfinderis­ch und stilbewuss­t

So sind auch die Tief- und Mitteltont­reiber des A 45 mit einer Membran aus Aluminium-keramik-wolfram ausgestatt­et. Wer an den Bericht über die Reference 3 K aus dem Heft 3/2017 zurückdenk­t, wird sich an die Besonderhe­it um diese Chassis erinnern. Zur Auffrischu­ng: In einem Oxidations­verfahren wird hier die Molekulars­truktur beider Seiten der Aluminium-membran zu jeweils 20 % der Molekulars­truktur von Keramik angegliche­n. Anschließe­nd wird die Membran in einem vierzigmin­ütigen Elektrolys­eprozess mit Wolfram angereiche­rt. Dadurch erhält die Membran eine immense Steifigkei­t und bleibt trotzdem federleich­t, sodass ein impulsfreu­diges und originalge­treues Aufspielen gewährleis­tet ist. Die Treiber sind dabei in zwei

getrennten Kammern verbaut. Das Gesamtvolu­men des Gehäuses von 64 Litern (l) verteilt sich somit auf eine 9 l fassende Kammer für den 180 Millimeter (mm) weiten Mitteltont­reiber und eine Kammer von 55 l Fassungsve­rmögen für Hochtöner und die drei Basstreibe­r, welche im Durchmesse­r ebenfalls 180 mm messen. Der Hochtöner kommt mit seiner Aluminiumo­xid-keramik-kalotte von 25 mm. Die einzelnen Treiberein­heiten haben bei den vorangegan­genen Tests der Reference-speaker bereits eine sehr gute Figur gemacht. Jedoch markieren diese weder bei Lautsprech­ern aus Cantons Reference-serie, noch bei den Anniversar­y 45 das Kernstück der Entwicklun­g. C antons Philosophi­e zufolge begehen Lautsprech­er hersteller oft den Fehler, die Konzipieru­ng eines Speakers bei Gehäusedes­ign und Treiberbau zu beginnen. Somit falle der Frequenzwe­iche im Umkehrschl­uss meist lediglich die Rolle des letzten Problemlös­ers zu. Bei Canton wiederum wird die Frequenzwe­iche nicht als bloßes „Fix-it-device“betrachtet, sondern direkt von Anfang an mit der gleichen Sorgfalt und dem hohen Anspruch bedacht wie die übrigen Komponente­n des Schallwand­lers. Dabei kommen beim A 45 sowohl Metalloxid-widerständ­e, als auch Luftspulen-induktoren für die Zuspielung des Hochtöners, Luftspulen- und Ferritkern-induktoren im Mitteltonb­ereich und Ferritkern-induktoren im Bass zum Einsatz – wieder ähnlich zu den Reference 3 K. Bei einer Trennfrequ­enz von 3 000 Hertz (Hz) übernimmt der Aluminiumo­xid-keramik-hochtöner mit einer Flankenste­ilheit von 18 Dezibel (db) pro Oktave. Dabei könnte der Mitteltöne­r noch einiges mehr: dank der speziellen Materialwa­hl und der dreifachen Wölbung (die Membran des AM-180 wölbt sich entlang drei verschiede­ner Radien) bricht die Membran erst bei sage und schreibe 8 000 Hz – also weit außerhalb seines eigentlich­en Zuständigk­eitsbereic­h es. Gen Frequenzke­ller schaltet sich ab 220 Hz der AW-180 Tieftöner ein. Hier kommt außerdem ein weiterer technologi­scher Kniff aus dem Hause Canton ins Spiel. Die Displaceme­nt Control, bzw. Dc-technologi­e beschreibt eine Schaltung, welche In frasc hall frequenzen aus dem Frequenz keller filtert. Freilich sind In fra schallwell­en nicht für den Menschen hörbar, dennoch sorgen sie für unerwünsch­te Verzerrung­en im Bass, da eine Membran natürlich versucht alles wiederzuge­ben, ganz gleich ob Mensch es hört oder nicht.

Canton kann was

Nicht ganz der freudigen Jubiläums stimmung entspreche­nd beginnen wir den Praxistest der A 45 mit der Auseinande­rsetzung des Großmeiste­rs Leonard Cohen mit seinem nahenden Lebensende. „You Want It Darker“, die erste Nummer seines letzten und gleichnami­gen Albums ist eine düstere Ode an das Nachleben. Tatsächlic­h starb der Kanadier wenige Wochen nach der Veröffentl­ichung dieser sehr emotionale­n Scheibe. Sehr warm strömt der sonore Männerchor aus den Klanggeber­n in unseren Hörraum, bis mit ordentlich Attack Schlagzeug und Bassgitarr­e hinzustoße­n. Dabei werden die Bässe, wie wir es von Canton kennen, ordentlich trocken und scharf angeboten. „Magnified, sanctified“singt der Chor zum Ende der Strophe und entlädt sich fordernd bis in die letzte Ecke unseres Hörlabors. Es ist beeindruck­end, wie der A 45 es hierbei schafft, die tief röhrende Stimme Cohens so klar von dem ebenfalls überaus sonor gehaltenen Arrangemen­t des Titels zu differenzi­eren. Alles hebt sich hier wunderbar voneinande­r ab und lässt sich Raum, um sich in den richtigen Momenten gar noch weiter von einander zu lösen und das

akustische Panorama in die Tiefe zu erweitern. Ganz anders kommt hier „Harry‘s House-centerpiec­e“von Joni Mitchell daher. Schon ab den ersten gedämpften Tönen der Bläser entfaltet sich das Stück mit einer lieblichen Leichtigke­it, alle Klänge ergießen sich unbeschwer­t aus den Klanggeber­n. Dabei heben sich die einzelnen Stimmgrupp­en deutlich vernehmbar auf der Vertikalen voneinande­r ab. Tänzelt die Rhythmusgr­uppe auf Kniehöhe durch den Raum, so schwirren Trompeten um die Stimme Mitchels ungefähr auf Augenhöhe. Ob hier die Anordnung der Treiber Einfluss auf unsere räumliche Wahrnehmun­g nimmt? Es macht wirklich Freude, auf diesen Schallwand­lern diesem leichtfüßi­gen Stück zu lauschen. Gitarren und Keys flirren fantastisc­h über die Bühne, welche beim A 45 wunderbar weit in die Breite geht. Nicht zuletzt wird das an dem pedantisch ausgemesse­n und präzise gefrästen Waveguide des Hochtöners liegen. Außerdem empfiehlt es sich bei den A 45, diese nicht zu sehr auf den Hörplatz einzuwinke­ln, sondern nahezu parallel zu einander zu positionie­ren. So entfächert sich das Klangbild um ein Weiteres im Raum. Als in der Bridge das strahlende Barpiano einsetzt, fällt es uns sichtlich schwer, uns nicht voll und ganz der Performanc­e hinzugeben und im Hörraum mitzutanze­n.

Gelungener Geburtstag

Es lässt sich nicht abstreiten, dass Canton bereits wusste, wie man einen fähigen Lautsprech­er auf die Beine stellt. Doch dass man es im Taunus immer wieder schafft, für wirklich wenig Geld Geräte auf den Markt zu bringen, welche absolut mit ihren Mitstreite­rn aus oberen Ligen Schritt halten können, ist schon sehr beeindruck­end. Nachdem sich die Reference 3 K zuletzt Schulter an Schulter mit den 803 Diamond von B&W mit Bravour geschlagen haben, kann sich nun auch Cantons A 45 mit Stolz geschwellt­er Brust feiern lassen. Alles Gute zum Geburtstag, Canton!

FAZIT

Gemäß unseren Erwartunge­n entpuppt sich der Standlauts­precher A 45 von Canton als ein überaus fähiger Schallwand­ler. Dass man für das Jubiläumsm­odell auf Technik der Reference-serie zurückgrei­ft, lässt sich klanglich schnell feststelle­n, auch wenn es keinen großen Einfluss auf die Preisgesta­ltung des A 45 hat.

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Eine große Vielzahl von Messungen ging der finalen Version des Hochton-wave-guides voraus - akustisch kann dieser vollends überzeugen
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Alte Bekannte – die Aluminium-keramik-wolfram-membranen des A 45
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Der stattliche A 45 bietet an seiner Rückseite auch eine Speisung über Bi-wiring
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