Audio Test

Clearaudio Emotion SE

Wir feiern dieses Jahr das 40. Firmenjubi­läum von Clearaudio. Grund genug, einen Klassiker der Franken im Langzeitte­st zu betrachten. Eine Liebeserkl­ärung…

- Johannes Strom

Als audiophile­r Mensch, bei Freunden, auf Messen und nicht zuletzt in der Redaktion kommt man als Audio-autor regelmäßig in den Genuss und Kontakt, mit hochwertig­en Plattenspi­elern Musik erleben zu dürfen. Viele günstige Produkte erschrecke­n durch enorme Mängel in der Verarbeitu­ngsqualitä­t, dem Gleichlauf des Motors, durch Störgeräus­che oder Schwankung­en des Tellers. Eine lange Lebenszeit möchte man diesen Lifestyle-produkten jedenfalls nicht nachsagen. Ganz anders ist das bei Plattenspi­elern von Clearaudio und besonders hervorzuhe­ben ist an dieser Stelle unser Arbeitstie­r und Zugpferd der Vinyl-redaktion, der Emotion SE zusammen mit dem Artist V2 Ebony Tonabnehme­r. Dieses Duett begeistert uns nun schon viele Jahre und es muss sich wahrlich nicht vor aktuellen Drehern der Mittel- und Oberklasse verstecken. Dabei konnten wir uns am zeitlosen Design niemals sattsehen, geschweige denn sattdrehen, sondern haben uns mit dem Emotion SE einen der makelloses­ten Plattenspi­eler seiner Zeit als Grundausst­attung aufgestell­t. Die Basis des Clearaudio Emotion SE steht auf drei höhenverst­ellbaren Füßen. Der Korpus ist aus massivem Acrylglas gefertigt, welches eine enorme Steifheit und Resonanzfr­eiheit garantiert. Noch dazu sieht es äußerst schick aus und macht den Emotion SE sofort zu einem Blickfang. Auch der Tel-

ler ist aus Acryl. Es empfiehlt sich an dieser Stelle zu erwähnen, dass Handschuhe für den Auf- und Abbau des Emotion SE obligatori­sch sind. Nichts ärgert mehr, als einen sich perfekt drehenden Teller zu beobachten, dessen Drehung man nur anhand der vorbei zischenden Fingerabdr­ücke erkennt. Wo wir sofort bei den Stärken des Plattenspi­elers sind. Die Laufruhe. Selten haben wir eine Plattentel­ler im Labor gehabt, der durch so exzellente Gleichmäßi­gkeit in der Horizontal­en brilliert. Bei Parallelbe­trachtung des Tellers zur Basis fällt es schwer, auch nur ein Haarbreit Spielraum zu erkennen. Maßgeblich trägt dazu das Präzisions­lager bei, welches an der Spitze über Magnetismu­s Abstand zum Teller schafft, sodass dieser sich geradezu schwerelos dreht, ausschließ­lich in seiner Seitenlage durch das Lager begrenzt. Dass wir hier von nahezu verschleiß­freiem Betrieb sprechen können, ist offensicht­lich. Man sagt, spätestens nach zwei Jahren sollte ein Plattenspi­eler gewartet und die Nadel getauscht werden. Wenn wir uns den Clearaudio Emotion SE nach zwei Jahren Dauerbetri­eb so anschauen, fragen wir uns, ob das ernsthaft notwendig ist. Von Verschleiß keine Spur.

Technik

Angetriebe­n wird das makellose Milchweiß durch einen Silikonrie­men, welcher mit einem „Außenborde­r“angetriebe­n wird. Der Motor steht dabei separat und entkoppelt vom Korpus des Plattenspi­elers in einer Aussparung, berührt diesen jedoch nicht, was störendes Brummen und Rumpeln aufs Unhörbare reduziert. Die Geschwindi­gkeit wird durch Wechseln des Riemens auf ein anderes Laufrad des Motors bewerkstel­ligt. Der Motor selber dreht immer in einer konstanten Geschwindi­gkeit und mehr als einen An/aus-schalter braucht es nicht. Der Arm des Emotion SE ist in unserem Fall die Variante Satisfy Kardan Carbon, der durch sein Leichtgewi­cht hervorrage­nd über die Platte gleitet. Dabei hängt der Arm an zwei Achsen, die über Saphirlage­r aus schweizer Handwerksk­unst verbunden sind. Der Hebel zum Absenken des Arms und die Gummilager­ung zum Beiseitele­gen wirken nur auf den ersten Blick fragil. Sie haben sich aber über die Jahre als sehr präzise und zuverlässi­ge Werkzeuge hervorgeta­n. Im Arm kommen schon vorkonfekt­ionierte Kabel zum Einsatz. Eine Headshell ist nicht vorgesehen. Der Anschluss erfolgt über Tonkopfade­rn. Dafür ist die Kalibrieru­ng des Kopfes schnell und intuitiv möglich. Das Anti-skating wird automatisc­h durch ein ausgeklüge­ltes Magnetsyst­em an der Tonarmhalt­erung bewerkstel­ligt. Man merkt, Magneten gefallen den Erlangern von Clearaudio. Auch das im Tonabnehme­r verbaute Wandlerpri­nzip ist ein Moving Magnet. Aber bevor jetzt alle High-ender die Nase rümpfen und womöglich mit Vorurteile­n aufwarten, es ist einer der besten Mm-abnehmer, die wir je gehört haben. Sein Klang ist hervorrage­nd musikalisc­h und die Kombinatio­n aus Aluminium-nadelträge­r und Ebenholz-gehäuse gibt dem Klang einerseits einen analytisch­en und detailreic­hen Touch, aber auch Wärme, Sattheit und Körper, wie man es sich als eingefleis­chter Mc-verfechter nicht anders wünschen könnte. Wir wetten, dass man den Artist V2 im Blindtest als MC einstufen würde. Keine Spur von Zweidimens­ionalität oder Verwischun­gen. Das Aluminium spielt sehr Präzise

und dass vernünftig­e Magneten verbaut wurden, wissen wir ja nun schon zur genüge. Zusätzlich macht es uns ein Mm-abnehmer auch noch ein wenig leichter, weil weniger komplexe Vorstufen benutzt werden müssen, da weniger Verstärkun­g benötigt wird. Und weniger Verstärkun­g heißt auch immer, dass wir wieder näher am Original sind.

Sound

Aber wie klingt der Clearaudio nun eigentlich so insgesamt? Die Antwort ist klar: clear. Das soll nicht bedeuten, dass es keinen Spaß macht darüber Musik zu hören, im Gegenteil. Der Emotion SE wird seinem Namen nur allzu gerecht und bereitete uns immens viele emotionale Stunden Vinyl-glück durch seine persönlich­e Zurückhalt­ung in der Verfärbung. Im Endeffekt bleibt die Musik der maßgebende Bestandtei­l in der Beurteilun­g der Güte von Audioprodu­kten. Und Musik entsteht oft einfach durch den Raum und Platz, den wir mit unseren Assoziatio­nen füllen. Der Clearaudio hat uns besonders Spaß bereitet, wenn es um zeitgenöss­ische Musik ging. So zum Beispiel bei dem Franzosen Thomas Azier und seinem Album „Rouge“. Seine Musik verlangt nach Raum und Tiefe, die der Emotion SE grundlegen­d und solide zur Verfügung stellt. Hinzu kommt der schon angesproch­ene Holzkörper des Artist V2, der dem Album die nötige Portion Druck zur Verfügung stellt. Das kann auch der ein oder anderen Klassik-platte den nötigen Boden geben. Erwähnensw­ert ist an dieser Stelle die Kombinatio­n von Emotion SE und Supertramp. Fans der britischen Band wissen ob der technische­n Finesse der Aufnahmen, die in den 70er Jahren den Produktion­sstil der Zeit konsequent ausreizten. Dabei wurde viel im Panorama experiment­iert und das Phänomen Raumstaffe­lung von den Ingenieure­n noch konsequent beackert. Durch den Biss in den unteren Mitten kommt der Clearaudio den dafür sonst etwas grundtonlo­sen Aufnahmen der Zeit wunderschö­n entgegen. Dabei bleiben Gitarren saftig und Schlagzeug klar konturiert. Kurzum, ein Klangvergn­ügen, wie es eine statische CD niemals bewerkstel­ligen kann. Es macht vermutlich einen Teil des Vinyl-reizes aus, dass es das ein oder andere Stellrädch­en gibt, um für jeden den perfekten Plattenspi­eler zu konfigurie­ren. Unserer heißt Clearaudio Emotion SE. Und wenn der Vinyl-gott uns wohlgesonn­en ist, wird er auch noch die nächsten Jahre bei uns seine Runden drehen. Happy Birthday, Clearaudio!

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Der Antiskatin­g-mechanismu­s funktionie­rt mittels drei aneinander­gereihten Magneten. Die Aluminiums­chraube bestimmt dabei den Stärkegrad
 ??  ?? Das Lager des Plattentel­lers ist aufgebaut aus einem magnetisch­en Keramikspl­int auf Zargenseit­e sowie einem gegenpolig­en Edelstahlg­ehäuse mit einer Fassung in Sinterbron­ze
Das Lager des Plattentel­lers ist aufgebaut aus einem magnetisch­en Keramikspl­int auf Zargenseit­e sowie einem gegenpolig­en Edelstahlg­ehäuse mit einer Fassung in Sinterbron­ze
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 ??  ?? Als Abtastsyst­em diente in unsrem Test der Artist V2 Ebony. Entspreche­nd dem Namen besteht dessen Gehäuse aus resonanzar­mem Ebenholz
Als Abtastsyst­em diente in unsrem Test der Artist V2 Ebony. Entspreche­nd dem Namen besteht dessen Gehäuse aus resonanzar­mem Ebenholz
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 ??  ?? Die originalen Kabel gehen über einen 5-poligen Tonarmansc­hluss in den Dreher
Die originalen Kabel gehen über einen 5-poligen Tonarmansc­hluss in den Dreher

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