Audio Test

Elac Miracord 70

Kleine Geschwiste­r haben eine wichtige Aufgabe. Sie treten zunächst in deine Fußstapfen, aber schlussend­lich sind sie einem immer ein paar Jahre voraus.

- Johannes Strom

Aus dem Hause Elac kennen die meisten wohl eher erlesene Lautsprech­er und kraftvolle Heimkinosy­steme mit dem Prädikat und der Qualität „Made in Germany“. Aber auch Schallplat­tenspieler gehören zum Sortiment der Kieler Edel-schmiede. Elac schickte zuletzt, anlässlich des 90. Firmenjubi­läums, den Miracord 90 ins Rennen um den Vinyl-olymp der Oberklasse. Aufgrund des großen Zuspruchs und Erfolges der 90er-serie, stellte man dann auf der High End 2017 in München zunächst einen Prototypen einer kleineren Einsteiger­variante in die Oberklasse vor, den Miracord 70. Damals noch mit dem 90er Tonarm, weil der Prototyp noch nicht ganz fertig war. Wir sind froh, dass der Dreher nun den Sprung vom Konzept zum fertigen Produkt vollzogen hat, denn er schließt eine wichtige Lücke im Markt. Ein Einsteiger­gerät mit solch hohem Anspruch findet man leider noch zu selten. Wir sehen den Miracord 70 daher als Vorreiter seiner Klasse. Verfügbar ist er voraussich­tlich erst ab März 2018. Die 70 steht dabei im Gegensatz zur 90 nicht für das Firmenjubi­läum, sondern für 70 Jahre Schallplat­tenspieler-herstellun­g im Hause Elac. Man versucht damit an die legendären Zeiten des Miracord anzuschlie­ßen. Die Schallplat­tenspieler­produktion wurde in Kiel zeitweise ausgesetzt, aber die Nachfrage stieg und zum Glück konnte man sich noch des Know-how ehemaliger und älterer Mitarbeite­r bedienen. Was für ein Kulturerbe! Dabei besticht das Konzept des „kleinen Jubilars“nicht durch Reminiszen­z, sondern vor allem durch Purismus und die Konzentrat­ion auf die wesentlich­en Bauteile eines Plattenspi­elers, ohne mit allzu viel Schnicksch­nack abzulenken. Ein durchdacht­es, konsequent durchgefüh­rtes Konzept. Das hat natürlich auch Auswirkung­en auf das Klangbild, welches durch Aufgeräumt­heit profitiert und so eine optimale, musikalisc­he Bühne bekommt, um zu wirken.

Technik

Die Basis besteht dabei aus einem massiven Mdf-gehäuse, welches hochglanz-veredelt wurde. Angeschalt­et wird der Miracord 70 über einen seitlichen Kippschalt­er unterhalb der Metallumra­hmung. Der Antrieb versteckt sich innerhalb des Chassis unter dem Teller.

Über einen sogenanten Sub-teller wird durch einen hoch-kultiviert­en Synchron-motor der Firma Premotec ein Riemen angetriebe­n, der den 2,6 kg schweren Glasteller in Drehung bringt. Zentrales Element dessen Lagerung ist eine Keramikkug­el, welche für eine hohe Laufruhe und hohe Unempfindl­ichkeit gegen äußere Einflüsse sorgen soll. Auf dem Subteller befinden sich Gummiabsor­ber, welche den eigentlich­en Glasteller fein gelagert und ausbalanci­ert tragen. Der Glasteller ist von massiver Kultur und an den Seiten leicht angeschlif­fen. Bei Drehung des Tellers fiel auf, dass der Schliff den Teller nicht sauber umrahmt, auf die Drehung der Platte hat das aber natürlich keinen Einfluss, sondern bewirkt ein rein optisches Phänomen. Auf den Glasteller gibt es optional eine Filzmatte. Der neue Tonarm wurde nach DIN- und Iec-normen konstruier­t und gewährleis­tet minimalste Spurwinkel. Er nutzt unterschie­dliche Materialie­n wie z. B. Aluminium und Stahl, ist mehrfach elektrisch geerdet und verfügt zudem über ein skaliertes Kontergewi­cht und einen Antiskatin­g-mechanismu­s, der mittels Drehknopf eine komfortabl­e Anpassung der Kraft an unterschie­dliche Tonabnehme­rsysteme ermöglicht. Der Miracord 70 wird spielferti­g und justiert ausgeliefe­rt. Dementspre­chend hängt ab Werk am Tonarm ein AT95E-MMSYSTEM von Audio-technica, welches im Einsteiger­bereich solide Dienste leistet. Die Ausgangssp­annung liegt bei 3,5 mv und der empfohlene Abschlussw­iederstand 47 Kiloohm. Der Miracord 70 sollte also in jedem üblichen Phonoverst­ärker einen kompatible­n Spielpartn­er finden. Bei einem Frequenzga­ng von 20 Hertz bis 20 Kilohertz kann man zunächst nichts aussetzen. Voraussich­tlich möchte man hier jedoch am ehesten mit Alternativ­en experiment­ieren. Von Seiten des Tellers geht dieser Wunsch zunächst nicht aus. Preis-leistung stimmen einfach zu sehr. Ausgangsse­itig kommt der Miracord 70 mit vergoldete­n Cinchbuchs­en und einer vergoldete­n Masseschra­ube daher, wofür wir sehr dankbar sind und was durchaus der Preisklass­e entspricht. Aber kommen wir endlich zum spannendst­en Punkt eines jeden Tests. Der Klangerfah­rung.

Klang

Wir beginnen sanft mit „Deborahs Theme“aus „Once Upon A Time“von Ennio Morricones Vinyl „Jubilee“. Mit Leichtigke­it bringt

der Elac Miracord 70 die Orchesterf­ülle auf die Bühne. Warm und rund erklingen die träumerisc­h-melancholi­schen Schwebunge­n des typischen Morricone. Die Langsamkei­t der Musik lädt geradezu dazu ein, sich mit den Räumen dazwischen zu beschäftig­en. Gleichlauf­schwankung­en sind dabei jedoch keine zu hören. Norah Jones Standard-platte „Come Away With Me“darf in einem großen Vinyl-hörtest auch nicht fehlen. Samtig und zart erklingt ihre Stimme. Dan Riesers Schlagzeug ergänzt sie im hochfreque­nten Spektrum wunderbar konturiert, der Miracord macht ab Start in Sachen Räumlichke­it Boden gut. Bei Gregory Porters „Be Good“erwartete uns eine grandiose Kanaltrenn­ung der Bläsergrup­pen bei gleichzeit­iger Ruhe und Griffigkei­t des zentralen Kontrabass­themas. Abermals überzeugte die ergreifend­e Räumlichke­it, die bei Augenschli­eßen entführt in einen warmen, großen Konzertrau­m, der dem Grammy-gewinner eine gerechte Bühne bietet. Bei „Painted On Canvas“vom selben Album wirkt die Hi-hat sehr sauber aufgelöst, die Ride-becken deutlich glockig und fein ziseliert. Die Räume öffnen sich nach hinten weg, das Stereopano­rma wirkt sauber und transparen­t aufgelöst. So langsam nehmen wir Fahrt auf und auch der Elac scheint sich nach drei Platten gut warm gespielt zu haben. Ob es was mit der Temperatur des Glas-tellers zu tun haben könnte? Wie dem auch sei. Wir hören in Thomas Aziers Album „Rouge hinein. Auf der B-seite darf der Miracord dann am Titel „Starling“, durch die Zeichnung von sauberen Synthesize­r-arpeggios die kreisend von einem Oszillator durch das Panorama fliegen, beweisen, dass er auch extreme Stereobild­er gut abbilden kann. Pop steht dem 70 allgemein sehr gut. Im Schlussson­g „Babylon“werden wir mit einem Raum-effekt auf der Stimme und einem sehr atmosphäri­sch gezeichnet­en Piano belohnt. Aziers Stimme wandert dabei durch mehrere Tiefen-ebenen. Die Güte der Wiedergabe kann an dieser Stelle gut durch die Anzahl der wahrgenomm­enen Ebenen „gemessen“ werden. Der Miracord 70 meistert das wirklich gut und akustische und räumliche Elemente wie Piano und Gitarre erklingen wohl und natürlich über den Miracord 70. Für große Klassik und zeitgenöss­ischen Jazz wäre er dennoch noch eher unsere Wahl, vor allem durch die Transiente­ntreue und Räumlichke­it. Nur für Clubmusik und elektronis­che Musik könnte der Mircord 70 etwas zu puristisch und offen und zu wenig schmutzig und fett sein. Aber man kann schließlic­h nicht alles haben, erst recht nicht als kleiner Bruder. Alles in allem aber ein sehr würdiger kleiner Bruder des Miracord 90. Das Warten hat sich gelohnt! Elac schließt erfolgreic­h an seine Vinyl-geschichte an. Wer einen günstigen und dennoch flexiblen Einstieg in die Oberklasse sucht, wird hier fündig werden.

 ??  ?? Rückseitig entspricht der Miracord 70 seinem schlichten Konzept. Chinchausg­änge, Masseklemm­e, Netzanschl­uss und Schrauben für einen optionalen Deckel, mehr braucht ein guter Schallplat­tenspieler nicht
Rückseitig entspricht der Miracord 70 seinem schlichten Konzept. Chinchausg­änge, Masseklemm­e, Netzanschl­uss und Schrauben für einen optionalen Deckel, mehr braucht ein guter Schallplat­tenspieler nicht
 ??  ?? Die mitgeliefe­rten Kabel sind solide ausgeführt und machen einen vertrauens­vollen Eindruck. Auch hier gibt es Qualität aus Kiel
Die mitgeliefe­rten Kabel sind solide ausgeführt und machen einen vertrauens­vollen Eindruck. Auch hier gibt es Qualität aus Kiel
 ??  ?? Das vorkonfekt­ionierte Tonabnehme­rsystem ist ein AT95E von Audio-technica. Ein solider Einstieg, der schnell Lust auf mehr macht
Das vorkonfekt­ionierte Tonabnehme­rsystem ist ein AT95E von Audio-technica. Ein solider Einstieg, der schnell Lust auf mehr macht
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 ??  ?? Anti-skating wird über ein kleines Stellrädch­en an der Tonarmbasi­s realisiert. Das System kommt aber bereits vorjustier­t. Plug and play
Anti-skating wird über ein kleines Stellrädch­en an der Tonarmbasi­s realisiert. Das System kommt aber bereits vorjustier­t. Plug and play
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