Pro-ject 2-Xperience SB S-shape
Pro-ject 2Xperience SB S-shape Armut ist ja eigentlich regelmäßig negativ konnotiert. Wenn es um Resonanzarmut geht, ist es ausnahmsweise etwas Positives, zumindest bei Plattenspielern. Und da macht Pro-ject so schnell niemand etwas vor.
Plattenspieler von Pro-ject bieten ein breites Spektrum an Qualität, Auswahl, Design und Anforderungen. Seinen Lieblingsplattenspieler zu finden, ist dabei keine leichte Sache. Es gleicht mehr einem Autokauf, wenn auch ungleich günstiger, aber manchmal lässt sich die Assoziation dann doch nicht verleugnen, wenn man zwischen Grundausstattung und Sondermodelltabellen umher liest. Wir haben uns einen formschönen Anti-resonanz-spezialisten ins Labor bestellt, der mit allerlei technischen und elektroakustischen Schmankerln auftrumpft und der in Sachen Klang, Flexibilität und Ausstattung definitiv in der Königsklasse mitspielt, auch wenn es für die Krönung des High End womöglich noch nicht reicht. Im ganzen Plattenspieler findet man Indizien und Beweise, dass er von Entwicklern geschaffen wurde, die ganz genau wissen, was sie da tun. Ein bisschen wie James Bond sein, wenn er sich von Q im Forschungsund Entwicklungslabor des englischen Geheimdienstes das State-of-the-art des Schallplattenspielens vorführen lässt. So zum Beispiel auch die Füße des Plattenspielers, die nicht nur durch Dreipunkt-ordnung Kippelfreiheit garantieren, sondern vor allem als Alukegel entkoppeln und durch interne thermoplastische Elastomere gleichzeitig dämpfen, aber das nur als kleines Detail am Rande. Flammenwerfer und Öllachen kann der 2Xperience übrigens leider nicht, so viel sei vorab gesagt.
Motor
Zugegeben, 1 599 Euro sind dem ein oder anderen ein Zögern wert, aber man bekommt auch etwas dafür. Was? Zum Beispiel einen Motor, der komplett frei schwingend aufgehängt wurde und der sich somit von der Basis entkoppelt. Kein Rumpeln oder Vibrieren
auf der Nadel. Zusätzlich hängt der Motor an einer elektronischen Geschwindigkeitsumschaltung zwischen 33 und 45 Umdrehungen, optional mit einem anderen Riemen auch 75. Dieser ist sogar im Lieferumfang enthalten. Und noch etwas hat man sich für den Antrieb ausgedacht. Der Motor dreht nach Geschwindigkeitswahl zuerst einmal mit vollem Drehmoment. Hat er die Solldrehzahl erreicht, verringert sich das Drehmoment und der Motor dreht nur noch genau so stark, dass die Geschwindigkeit gehalten wird. Und da weniger Motor gleich weniger Resonanzen sind, kommt auch das unserer Wiedergabequalität entgegen.
Teller
Der Teller des Plattenspielers besteht aus drei Komponenten. Einem hochpräzisen Edelstahllager für eine reibungsfreie Wiedergabe, ummantelt von einem individuell gewuchtetem Mdf-teller, der wiederum vollflächig mit einer Vinylauflage verklebt ist. Ein kleiner Exkurs in Materialkunde zeigt, dass auch hier wiederum die Resonanzen das antreibende Motiv dieser Konstruktion sind, denn über ein gleichartiges Material lassen sich Schwingungen der Platte am besten ableiten. Von oben gibt es ab Werk eine verschraubbare Plattenklemme, die im Test hervorragend funktionierte. Jeder kennt sie, die alten Platten, die den Tonarm zum Wippen bringen. Diese Unruhe wird dadurch effizient behoben. Für die optimale Stabilität der Drehzahl gibt es einen Außenläuferriemen, der Motor und Teller miteinander verbindet.
Tonarm
Beim, der für die Serie namensgebenden, S-shape-tonarm handelt es sich um ein Modell, welches Forschung und Design wunderschön miteinander in Harmonie bringt. Die S-form hat schließlich schlicht den ursprünglichen Grund, Sie raten es bestimmt gleich, richtig, Schwingungen entgegenzuwirken. Und dennoch ist der optische Aspekt des 9-Zoll messenden Aluminiumarms dabei auch ein maßgebender. Uns gefällt die Materialauswahl und die Zusammenstellung der Komponenten gut. Innerhalb des Armes verläuft ein vorkonfektioniertes Kabel mit insgesamt fünf Adern alleine für die Masse. Die Kanaltrennung profitiert davon definitiv, besonders natürlich bei Tonabnehmern mit Schwingspule. Die Spitze des Tonarms wird von einem SME mit Bajonettverschluss dominiert, für das ab Haus ein leerer Tonkopfhalter mit Tonkopfkabeln mitgeliefert wird. Diese Konstruktion erlaubt es, in Sekundenschnelle Tonabnehmer zu wechseln, um zum Beispiel einen Mono-tonabnehmer zu benutzen für entsprechend ältere Aufnahmen, oder aber einen besonders guten Tonabnehmer für besonders gute Aufnahmen wie zum Beispiel den Ortofon SPU #1 (Test im Heft) oder andere Modelle, mit und ohne Headshell, vorausgesetzt man hat das passende Gegengewicht. Anti-skating wird beim 2Xperience wie bei vielen Pro-ject-modellen über einen Faden-gewicht-mechanismus realisiert, aber die Laufruhe des Arms ist, natürlich abhängig vom Tonabnehmer, so
gut, dass wir kurzerhand ohne Hebelwirkung und Seilzüge auskommen. Viel wichtiger war es uns dann doch, über kleine Sechskantschrauben an der Basis die richtige Tonarmhöhe und den korrekten Azimuth des Kopfes über eine kleine Madenschraube einzustellen, denn das hat einen enormen Einfluss auf den Gesamtklang des Systems. Besonders die einfache Möglichkeit die Senkrechte der Nadel zu kalibrieren, hat uns gut gefallen. Anschlussseitig ist die Verkabelung durch die Tonarmbasis geführt, um an der Unterseite in eine kleine Box zu münden, die uns Stereo-cinch und eine Masseklemme zur Verfügung stellt. Das von Pro-ject mitgelieferte Kabel wurde extra im Haus für die Plattenwiedergabe entwickelt und erfüllt seinen Zweck daher fehlerund brummfrei.
Klang
Nun, was bleibt eigentlich bei all der Armut und Freiheit noch vom Charakter und Äther des Vinyl übrig? Kann eine klare und hochtechnologische Wiedergabe noch Lebensgefühl und Emotion abbilden? Ja, sie kann. Sehr gut sogar. Wir würden sogar so weit gehen und sagen, dass uns der 2Xperience mit Platten mit Herstellungsdatum vor den 1970ern und Klassik noch besser gefallen hat, als mit zeitgenössischer Musik. Rossinis Ouvertüren unter Leitung von Herbert von Karajan sind dem Pro-ject keine Hürde. Aber auch Filmmusik à la Star Wars „The Empire Strikes Back“vom ebenso legendären John Williams, gehört zu den guten Freunden des Plattenspielers. Auch für Jazz-experimente im Stile von Thomas Siffling And The Public Sound Office ist das breit ausgelegte Stereopanorama gut geeignet. Die Bühne, die der Plattenspieler zur Verfügung stellt, ist die Luft, die das Vinyl atmet, ein bisschen wie beim Dekantieren eines Rotweins. Und das fördert die ein oder anderen ungehörten Schätze wieder ans Tageslicht. Und diese Bühne ist bei Pro-jects 2Xperience SB S-shape tatsächlich eine saubere Sache. Volle Entfaltungsmöglichkeit für Ihre Plattensammlung. Für uns ist der Pro-ject definitiv ein heißer Tipp der Redaktion. Bei diesem Paket sollte man unbedingt zugreifen.