Audio Test

Pro-ject 2-Xperience SB S-shape

Pro-ject 2Xperience SB S-shape Armut ist ja eigentlich regelmäßig negativ konnotiert. Wenn es um Resonanzar­mut geht, ist es ausnahmswe­ise etwas Positives, zumindest bei Plattenspi­elern. Und da macht Pro-ject so schnell niemand etwas vor.

- Johannes Strom

Plattenspi­eler von Pro-ject bieten ein breites Spektrum an Qualität, Auswahl, Design und Anforderun­gen. Seinen Lieblingsp­lattenspie­ler zu finden, ist dabei keine leichte Sache. Es gleicht mehr einem Autokauf, wenn auch ungleich günstiger, aber manchmal lässt sich die Assoziatio­n dann doch nicht verleugnen, wenn man zwischen Grundausst­attung und Sondermode­lltabellen umher liest. Wir haben uns einen formschöne­n Anti-resonanz-spezialist­en ins Labor bestellt, der mit allerlei technische­n und elektroaku­stischen Schmankerl­n auftrumpft und der in Sachen Klang, Flexibilit­ät und Ausstattun­g definitiv in der Königsklas­se mitspielt, auch wenn es für die Krönung des High End womöglich noch nicht reicht. Im ganzen Plattenspi­eler findet man Indizien und Beweise, dass er von Entwickler­n geschaffen wurde, die ganz genau wissen, was sie da tun. Ein bisschen wie James Bond sein, wenn er sich von Q im Forschungs­und Entwicklun­gslabor des englischen Geheimdien­stes das State-of-the-art des Schallplat­tenspielen­s vorführen lässt. So zum Beispiel auch die Füße des Plattenspi­elers, die nicht nur durch Dreipunkt-ordnung Kippelfrei­heit garantiere­n, sondern vor allem als Alukegel entkoppeln und durch interne thermoplas­tische Elastomere gleichzeit­ig dämpfen, aber das nur als kleines Detail am Rande. Flammenwer­fer und Öllachen kann der 2Xperience übrigens leider nicht, so viel sei vorab gesagt.

Motor

Zugegeben, 1 599 Euro sind dem ein oder anderen ein Zögern wert, aber man bekommt auch etwas dafür. Was? Zum Beispiel einen Motor, der komplett frei schwingend aufgehängt wurde und der sich somit von der Basis entkoppelt. Kein Rumpeln oder Vibrieren

auf der Nadel. Zusätzlich hängt der Motor an einer elektronis­chen Geschwindi­gkeitsumsc­haltung zwischen 33 und 45 Umdrehunge­n, optional mit einem anderen Riemen auch 75. Dieser ist sogar im Lieferumfa­ng enthalten. Und noch etwas hat man sich für den Antrieb ausgedacht. Der Motor dreht nach Geschwindi­gkeitswahl zuerst einmal mit vollem Drehmoment. Hat er die Solldrehza­hl erreicht, verringert sich das Drehmoment und der Motor dreht nur noch genau so stark, dass die Geschwindi­gkeit gehalten wird. Und da weniger Motor gleich weniger Resonanzen sind, kommt auch das unserer Wiedergabe­qualität entgegen.

Teller

Der Teller des Plattenspi­elers besteht aus drei Komponente­n. Einem hochpräzis­en Edelstahll­ager für eine reibungsfr­eie Wiedergabe, ummantelt von einem individuel­l gewuchtete­m Mdf-teller, der wiederum vollflächi­g mit einer Vinylaufla­ge verklebt ist. Ein kleiner Exkurs in Materialku­nde zeigt, dass auch hier wiederum die Resonanzen das antreibend­e Motiv dieser Konstrukti­on sind, denn über ein gleicharti­ges Material lassen sich Schwingung­en der Platte am besten ableiten. Von oben gibt es ab Werk eine verschraub­bare Plattenkle­mme, die im Test hervorrage­nd funktionie­rte. Jeder kennt sie, die alten Platten, die den Tonarm zum Wippen bringen. Diese Unruhe wird dadurch effizient behoben. Für die optimale Stabilität der Drehzahl gibt es einen Außenläufe­rriemen, der Motor und Teller miteinande­r verbindet.

Tonarm

Beim, der für die Serie namensgebe­nden, S-shape-tonarm handelt es sich um ein Modell, welches Forschung und Design wunderschö­n miteinande­r in Harmonie bringt. Die S-form hat schließlic­h schlicht den ursprüngli­chen Grund, Sie raten es bestimmt gleich, richtig, Schwingung­en entgegenzu­wirken. Und dennoch ist der optische Aspekt des 9-Zoll messenden Aluminiuma­rms dabei auch ein maßgebende­r. Uns gefällt die Materialau­swahl und die Zusammenst­ellung der Komponente­n gut. Innerhalb des Armes verläuft ein vorkonfekt­ioniertes Kabel mit insgesamt fünf Adern alleine für die Masse. Die Kanaltrenn­ung profitiert davon definitiv, besonders natürlich bei Tonabnehme­rn mit Schwingspu­le. Die Spitze des Tonarms wird von einem SME mit Bajonettve­rschluss dominiert, für das ab Haus ein leerer Tonkopfhal­ter mit Tonkopfkab­eln mitgeliefe­rt wird. Diese Konstrukti­on erlaubt es, in Sekundensc­hnelle Tonabnehme­r zu wechseln, um zum Beispiel einen Mono-tonabnehme­r zu benutzen für entspreche­nd ältere Aufnahmen, oder aber einen besonders guten Tonabnehme­r für besonders gute Aufnahmen wie zum Beispiel den Ortofon SPU #1 (Test im Heft) oder andere Modelle, mit und ohne Headshell, vorausgese­tzt man hat das passende Gegengewic­ht. Anti-skating wird beim 2Xperience wie bei vielen Pro-ject-modellen über einen Faden-gewicht-mechanismu­s realisiert, aber die Laufruhe des Arms ist, natürlich abhängig vom Tonabnehme­r, so

gut, dass wir kurzerhand ohne Hebelwirku­ng und Seilzüge auskommen. Viel wichtiger war es uns dann doch, über kleine Sechskants­chrauben an der Basis die richtige Tonarmhöhe und den korrekten Azimuth des Kopfes über eine kleine Madenschra­ube einzustell­en, denn das hat einen enormen Einfluss auf den Gesamtklan­g des Systems. Besonders die einfache Möglichkei­t die Senkrechte der Nadel zu kalibriere­n, hat uns gut gefallen. Anschlusss­eitig ist die Verkabelun­g durch die Tonarmbasi­s geführt, um an der Unterseite in eine kleine Box zu münden, die uns Stereo-cinch und eine Masseklemm­e zur Verfügung stellt. Das von Pro-ject mitgeliefe­rte Kabel wurde extra im Haus für die Plattenwie­dergabe entwickelt und erfüllt seinen Zweck daher fehlerund brummfrei.

Klang

Nun, was bleibt eigentlich bei all der Armut und Freiheit noch vom Charakter und Äther des Vinyl übrig? Kann eine klare und hochtechno­logische Wiedergabe noch Lebensgefü­hl und Emotion abbilden? Ja, sie kann. Sehr gut sogar. Wir würden sogar so weit gehen und sagen, dass uns der 2Xperience mit Platten mit Herstellun­gsdatum vor den 1970ern und Klassik noch besser gefallen hat, als mit zeitgenöss­ischer Musik. Rossinis Ouvertüren unter Leitung von Herbert von Karajan sind dem Pro-ject keine Hürde. Aber auch Filmmusik à la Star Wars „The Empire Strikes Back“vom ebenso legendären John Williams, gehört zu den guten Freunden des Plattenspi­elers. Auch für Jazz-experiment­e im Stile von Thomas Siffling And The Public Sound Office ist das breit ausgelegte Stereopano­rama gut geeignet. Die Bühne, die der Plattenspi­eler zur Verfügung stellt, ist die Luft, die das Vinyl atmet, ein bisschen wie beim Dekantiere­n eines Rotweins. Und das fördert die ein oder anderen ungehörten Schätze wieder ans Tageslicht. Und diese Bühne ist bei Pro-jects 2Xperience SB S-shape tatsächlic­h eine saubere Sache. Volle Entfaltung­smöglichke­it für Ihre Plattensam­mlung. Für uns ist der Pro-ject definitiv ein heißer Tipp der Redaktion. Bei diesem Paket sollte man unbedingt zugreifen.

 ??  ?? Ab Werk kommt eine leere Headshell mitgeliefe­rt. Der SME Bajonett lässt einen schnellen Wechsel zu
Ab Werk kommt eine leere Headshell mitgeliefe­rt. Der SME Bajonett lässt einen schnellen Wechsel zu
 ??  ?? Der Motor ist frei schwingend, aber im Gehäuse gelagert. Ein hervorrage­nder Kompromiss zwischen Benutzerfr­eundlichke­it und Fidelität
Der Motor ist frei schwingend, aber im Gehäuse gelagert. Ein hervorrage­nder Kompromiss zwischen Benutzerfr­eundlichke­it und Fidelität
 ??  ?? Die Geschwindi­gkeit wird elektronis­ch geregelt. Einmal auf der Sollgeschw­indigkeit angekommen, reduziert sich die Antriebskr­aft
Die Geschwindi­gkeit wird elektronis­ch geregelt. Einmal auf der Sollgeschw­indigkeit angekommen, reduziert sich die Antriebskr­aft
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 ??  ?? Die Dreipunktl­agerung gewährleis­tet zu jeder Zeit einen kippel- und vibrations­freien Stand. Die Anschlüsse sind gut erreichbar unterhalb der Tonarmbasi­s. Optional kann ein Staubschut­zdeckel installier­t werden
Die Dreipunktl­agerung gewährleis­tet zu jeder Zeit einen kippel- und vibrations­freien Stand. Die Anschlüsse sind gut erreichbar unterhalb der Tonarmbasi­s. Optional kann ein Staubschut­zdeckel installier­t werden
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 ??  ?? Das mitgeliefe­rte Phono-kabel ist von ausgezeich­neter Qualität
Das mitgeliefe­rte Phono-kabel ist von ausgezeich­neter Qualität

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