Nordisches Charisma
Primare I35 Prisma
Der schwedische Hifi-produzent Primare erfuhr hierzulande weitaus weniger Aufmerksamkeit als viele seiner skandinavischen Kollegen. Wir haben den neuen Stereovollverstärker mit Streaming-modul I35 Prisma auf den Prüfstand geholt.
Wenn man an die nordeuropäische Hifi-kultur denkt, kommt man am kleinen Königreich Dänemark nicht vorbei. Namen wie Scan-speak, Bang & Olufsen oder Dynaudio sind Hifi-jüngern auf der ganzen Welt ein Begriff. Richtet man den Blick jedoch noch weiter nördlich, so wird es rarer um namhafte Produzenten von Hifi-elektronik. Bei der Frage nach einem einzigen schwedischen Hifi-konzern zum Beispiel, werden wohl die meisten achselzuckend verneinen müssen. Limhamn, ein Vorort der südschwedischen Großstadt Malmö, ist tatsächlich nur eine Brückenüberquerung von Dänemarks Hauptstadt entfernt und beheimatet den schwedischen High-end-hersteller Primare. Während der frühen Achtziger Jahre war es der Däne Bo Christensen, welcher mit einem Team aus Designern und Ingenieuren die Firma Primare Sounds AB gründete. Teil seines Teams war damals bereits der Tüftler Bent Nielsen, welcher noch heute Tag ein Tag aus Verstärkermodelle der Reference 60-Serie von Hand zusammenbaut. Auch an der Fertigung der Serien 928 und 200 aus den Jahren 1986 und 1992, welche in Sachen Produktdesign ihrer Konkurrenz um Meilen voraus waren, war Bent Nielsen beteiligt. Vor allem diese ersten beiden Produktserien, welche glatt als Requisiten in einem 70er-jahre Sci-fi-streifen hätten herhalten können, definierten die Firmenphilosophie der Schweden, sich sowohl in Klangqualität, als auch in Design und Benutzerfreundlichkeit von den gängigen Akteuren der Zeit abzugrenzen. Somit verzichtete man bereits damals zum Beispiel auf Displays und Drucktaster, während sich billige Kunststoff-knöpfchen und die typisch rudimentären Flüssigkristall-bildschirme großer Beliebtheit erfreuten.
Lagom
Lagom lautet das Zauberwort im Hause Primare. Zu deutsch bedeutet es so viel wie „in Waage“ – nicht zu viel, nicht zu wenig. Mit diesem Wort versucht Primare den konzeptionellen Ansatz hinter seinen Geräten zu vermitteln - Das Gerät darf sich nicht in den Vordergrund drängen, muss allerdings auch mit Selbstbewusstsein auftreten, um eine bestmögliche Performance zu bewerkstelligen. Nun ja… Ein kleiner esoterischer Beiklang mag da vielleicht mitschwingen, aber im Grunde ist es nicht verkehrt – denken wir an die extravaganten Designs à la Bang & Olufsen, so haben diese nur in Proportion mit der technischen Kompetenz eine Daseinsberechtigung, welche den Geräten und somit auch dem Hersteller Glaubwürdigkeit verleiht.
Primare I35 Prisma
Unser erstes Testmuster aus dem Hause Primare hört auf den Namen I35 Prisma und gibt sich auf den ersten Blick als ein Vollverstärker mit High-end-anspruch. Das vorbildlich verarbeitete Gehäuse zeugt von Wertigkeit, das Frontpanel aus gebürsteten Alumi-
nium verleiht dem Gerät ein sehr elegantes Auftreten. Uns erreicht das Gerät in schwarz, erhältlich ist es außerdem in silber. An der Front rahmen zwei silberne Drehwahlschalter ein schwarzes Anzeige-panel, auf welchem obendrein vier silberne Drucktaster montiert sind. Der I35 Prisma vereint Primares analogen Vollverstärker I35 mit dem DM35 Wandler-modul. Das Attribut Prisma erhält das Gerät durch seine Netzwerksektion, welches aus dem reinen Verstärker einen Netzwerk-player mit Multi-room-ambitionen macht. Somit verfügt der I35 Prisma insgesamt über zwei symmetrische XLR- und vier optische Eingänge, sowie drei Cinch- und zwei Usb-inputs (USB-A und USB-B). Das eben erwähnte Wandler-modul arbeitet mit dem AK4497 D/a-wandler des japanischen Herstellers Asahi Kasei Microdevices. Dieser bewerkstelligt unter anderem die Umwandlung von PCM 768 khz und DSD 128 und unterstützt sonst alle gängigen Formate wie AIFF, FLAC, ALAC und so weiter. Die Netzwerk-abteilung des I35 verleiht ihm das Attribut Prisma, was laut Produktmanager Terry Medalen daher rührt, dass, so wie ein Prisma bei einem einzigen Lichtpunkt das gesamte Farbspektrum zum Vorschein bringt, der I35 Prisma das „ganze Spektrum an Systemmanagement-funktionen von einem einzigen Steuerpunkt aus“offenlege. Man versteht sich bei Primare schon mal auf gekonnte Formulierungen, so viel ist sicher. Im Grunde gibt man hier zu verstehen, dass durch das Netzwerkmodul Smart-home-konzepte wie Multiroom und die Ansteuerung über zeitgenössische Portale wie Spotify und vor allem Google Chromecast möglich sind. Aber dazu später mehr. Was die Signalverstärkung angeht, so arbeitet der I35 Prisma mit der hauseigenen Ufpd-verstärkung der zweiten Generation. UFPD steht hier für Ultra Fast Power Device, was zusammengefasst auf Primares eigene Schaltungstopologie in Class-d-bauweise hinweisen soll. Diese verspricht eine impulsfreudige, verzerrungsarme und lineare Verstärkung. Zudem sind Class-d-verstärker ob ihrer stromsparenden Arbeitsweise sehr begehrt. Ausgegeben wird das Signal über sehr solide, vergoldete Schraubklemmen, welche außen mit Kunststoff ummantelt sind. Bi-wiring, bzw. das Anschließen eines zusätzlichen Lautsprechers ermöglicht Primare uns leider nicht.
Einrichtung
Ohne Weiteres ist der smarte Stereovollverstärker I35 Prisma aufgebaut und an unsere Referenzlautsprecher Dynaudio Contour 30 angeschlossen, die ja ebenfalls aus dem Norden kommen. Auch die Einbindung des Geräts ins Redaktions-netzwerk geht ohne Hindernisse von statten. Hierfür muss sich lediglich zuerst ins vom Prisma bereitgestellte Netzwerk eingewählt werden, bevor dann die entsprechenden Zugangsdaten eingegeben werden können. Die Einrichtung des Primare I35 Prisma erfolgt zum größten Teil über die Applikation Google Home, welches das Gerät binnen Sekunden erkennt und den Nutzer sehr charmant durch die Konfiguration des Gerätes führt. Dies impliziert auch die Einbindung in ein Multiroom-system, wobei dem Prisma seiner Verortung entsprechend auch ein neuer Name gegeben werden kann. Mit Hilfe von Googles Chromecast kann man dann auch über den Prisma auf das riesige Angebot diverser Online-dienste zugreifen, welche neben dem Klassiker Tunein auch Streaming-dienste wie Spotify umfassen. Bisher zeichnet sich die Einrichtung des Testmusters also durch Einfachheit und Bequemlichkeit aus. Einzig die geräteinterne Menüführung über das Display muss etwas Kritik entgegen nehmen. Denn hier fällt vor allem die Navigation etwas schwerer, da hier auf sehr kleine Schriften zurückgegriffen wurde, welche man nur aus kurzer Distanz mit gutem Auge entziffern kann. Während die Anzeige des ausgewählten Eingangssignals noch von der Couch bequem lesbar ist, muss man bei
der Menüstruktur schon die Lesebrille konsultieren.
In der Praxis
Johannes Brahms erste Symphonie in C-moll „Ein Deutsches Requiem“, gespielt von den Wiener Philharmonikern unter Wilhelm Furtwängler präsentiert Primares I35 Prisma mit viel Transparenz und Feinauflösung. Dabei zeichnet er durch das gesamte Spektrum hinweg ein glasklares Klangbild, die Pauken sind voluminös und können sehr frei resonieren, die Streicher sind auch in höchsten Lagen noch brillant, ohne überspitzt zu klingen. Dem Verstärker gelingt eine hervorragende räumliche Separation und er vermag dynamische Entwicklungen sehr schwungvoll zu transportieren. Wir wechseln Zeit und Raum und streamen „This Is America“des Us-amerikanischen Musikers Childish Gambino, dem Alter-ego des Entertainers Donald Glover. Die Bedienung des I35 funktioniert dabei kinderleicht, mit App und Fernbedienung lässt sich intuitiv und bequem zwischen Eingängen und zuspielenden Quellen hin- und herwechseln. Der Song, dem zuletzt vor allem wegen seines gesellschaftskritischen Musikvideos viel Aufmerksamkeit zuteil wurde, lebt von einem massiven Bass, welchen unser Prüfling mit viel Reaktionsfreude zu übersetzen weiß. Auch sind die Texturen der Percussions sehr präzise gezeichnet, während den Vocals ein sehr organisches Timbre innewohnt. Primare ist mit dem I35 Prisma ein vielseitig einsetzbarer Alleskönner gelungen, welcher dank hervorragender Netzwerksteuerung vor allem in Sachen User-experience ganz oben mitspielt.
FAZIT
Im Jahre 2018 wird User-experience groß geschrieben. Einfache, schnelle Bedienung und intuitiver Zugriff auf verschiedene Online-dienste – am besten im ganzen Haus. Diese Maxime meistert Primares I35 Prisma mit Leichtigkeit und wartet obendrein mit einer großen klanglichen Klasse auf. Mit einem Marktwert von 4 500 Euro ist der I35 Prisma zwar alles andere als ein Schnäppchen, aber auf seine Kosten kommt der Nutzer hier allemal!