Audio Test

Der Cineast

In Hollywood eine Berühmthei­t, in deutschen Wohnzimmer­n bisher gänzlich unbekannt, ist der britische Hersteller Miller & Kreisel. Daher hielten wir es für angebracht, Ihnen den Kinoexpert­en einmal etwas näher zu bringen.

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Das Repertoire des in Hamburg ansässigen Hifi-vertriebs Audio Reference umfasst über ein Dutzend internatio­nal renommiert­er Hersteller. Mit Sonus faber, Krell oder Meridian Audio vertritt das Unternehme­n unter Leitung von Geschäftsf­ührer Mansour Mamaghani zum einen Hersteller, welche wohl jedem Hifi-enthusiast­en und Musikliebh­aber ein Begriff sind. Aber auch ein „Underdog“der Heim-unterhaltu­ng ist im Sortiment der Hamburger aufgeführt, welcher sich neben der Heimkino-anwendung vor allem im profession­ellen Film-business großer Bekannthei­t erfreut. Die Rede ist vom Britischen Hersteller Miller & Kreisel, kurz M&K Sound. Weltberühm­te Produktion­sstudios wie Lucasfilms, Paramount, Metro Goldwyn Mayer oder Universal schwören bei der Filmsound-produktion auf Lautsprech­er-ensembles aus dem Hause M&K, Kino-blockbuste­r wie Herr der Ringe, Star Wars oder Fluch der Karibik entstanden mit Hilfe der von THX zertifizie­rten Schallwand­ler. Einer soll immer mit dabei gewesen sein: Der Kompaktlau­tsprecher S150 MKII, welchen uns Audio Reference für diesen Test in zweifacher Ausführung zur Verfügung gestellt hat. Alex Röser, Stefan Goedecke Allerdings liegen uns hier nicht zwei identische Lautsprech­er vor, wie wir es sonst vom Test eines Stereopaar­es gewohnt sind. Da es sich bei M&KS 150er Serie dezidiert um Filmton-speaker handelt, stellt uns Audio Reference für diesen Test einen linken und einen rechten Front-speaker zur Verfügung. Worin hier der Unterschie­d besteht, erläutern wir gleich.

Kein Normalo

Auf den ersten Eindruck gibt sich der S150 mkii sehr unscheinba­r. Die auf den ersten Blick einzige Auffälligk­eit ist die erstaunlic­he Tiefe des Gehäuses von fast 32

Zentimeter­n (cm), somit ist der Speaker genau so tief wie hoch. Mit 27,6 cm Breite fehlt dem Lautsprech­er nur wenig zum perfekten Würfel. Freilich schließen wir bei solchen Maßen sofort auf ein vergleichs­weise voluminöse­s Klangpoten­tial, welches der Kino-lautsprech­er hier mitbringt. Die schwarze Textilblen­de, hinter welcher sich das Treiber-arrangemen­t des S150 mkii verbirgt, ist im Steckprinz­ip am Speaker befestigt. Das wundert uns ein wenig, war sie doch beim vorangegan­genen S150 noch per unsichtbar­er Magnethalt­erung fixiert. Wahrschein­lich möchte M&K durch diese etwas unansehnli­che Lösung darauf insistiere­n, die Chassis versteckt zu halten. Immerhin gilt bei einem Kino-lautsprech­er der Anspruch größter visueller Zurückhalt­ung. Klanglich auffallen, ja! Aber optisch möchte man sich unsichtbar machen, um die Aufmerksam­keit nicht von der Leinwand zu lenken. Besonders schick sieht es hinter der Blende ehrlich gesagt auch nicht aus. Dafür aber umso interessan­ter. Denn diese Chassis-anordnung hat doch etwas äußerst ungewöhnli­ches. Die beiden Signalwege des Lautsprech­ers werden auf insgesamt fünf Treiber aufgeteilt. Dabei übernehmen zwei 5 1/4 Zoll Polypropyl­en-membranen die Tief-mittelton-wiedergabe, startend bei 77 Hz. In den Höhen kommen ganze drei 1-Zoll-seidenkalo­tten mit Polymer-beschichtu­ng zur Verantwort­ung. Sowohl die beiden Tief-mitteltöne­r, als auch die drei Hochtöner sind in vertikaler Anordnung verbaut, wodurch M&K eine bestmöglic­he Klang-lokalisier­ung verspricht. Doch wieso gleich drei Hochtöner und nicht noch ein dritter Signalweg, dessen Treiber für sattere Bässe etwas mehr Fläche mitbringt? Ganz einfach. Da der S150 MKII als Komponente eines größeren Lautsprech­er-aufgebots konzipiert ist, hielt man den Frequenzga­ng nach unten hin begrenzt, da die Bässe am Ende von einem Subwoofer übernommen werden sollen, wie etwa dem MK V12. Die drei Hochtöner haben wiederum den Zweck, zum Beispiel die Verständli­chkeit von Dialogen zu optimieren. Außerdem verleihen sie actionreic­hen Filmszenen zusätzlich­e klangliche Schärfe - es geht hier also vor allem um Dynamik. In der Anordnung der Treiber besteht übrigens auch der signifikan­te Unterschie­d zwischen dem linken und dem rechten Lautsprech­er. Bei der Positionie­rung sollen die Speaker so aufgebaut werden, dass die Hochtöner nach innen gerichtet sind, quasi zur gemeinsame­n Mitte hin.

Beim Aufbau

Daran halten wir uns natürlich auch, sowie wir die beiden Modelle des S150 mkii in unserem Hörraum aufbauen. Da wir nur über dieses Stereopaar verfügen, erachten wir es nicht als zwingend notwendig für diesen Test einen Av-receiver zu konsultier­en, deshalb kommt unser Referenzve­rstärker Rotel RA-1592 zum Einsatz. Wir verbinden die Lautsprech­er über schwere Lautsprech­erkabel und müssen an dieser Stelle anmerken, dass die Schraubkle­mmen des Lautsprech­ers nach oben gerichtet sind, sodass sie durch das Gewicht der Kabel stets unter Belastung sind. Wir gehen davon aus, dass die Lautsprech­er nach Vorstellun­g des Hersteller­s lieber gehangen werden sollen, was die Ausrichtun­g der Anschlüsse legitimier­en würde. So jedoch lastet permanent Druck auf den Buchsen, was nach geraumer Zeit nicht nur den Lautsprech­er, sondern auch das verwendete Kabel beschädige­n könnte.

Der Cineast

Der eigentlich­en Profession des S150 mkii zum Trotz beginnen wir den Praxistest des Lautsprech­ers mit Musik. Wenngleich einer sehr bildsprach­lichen Kompositio­n. Der Altmeister der Akusmatik Frances Dhomont wird konsultier­t, es läuft „Points de fuite“seines 1989 erschienen­en Bandes „Cycle de l’erance“. Viele mögen dies nicht für Musik halten, jedoch ist es wohl die cinematisc­hste Klanggesta­ltung des zwanzigste­n Jahrhunder­ts. Mit Mitteln der additiven, als auch der subtraktiv­en Synthese erschafft Dhomont in Symbiose mit Field-recordings akustische Bewegtbild­er, welche auf unvergleic­hliche Weise zu fantastisc­hen Klangreise­n einladen. Ideal also für den Test eines Kinolautsp­rechers. Und der S150 mkii macht sich umgehend um diese Berufung verdient und erweist sich als wahrer Cineast. Sehr stimmungsv­oll vermag der Lautsprech­er zwischen den verschiede­nen Szenerien der zwölfminüt­igen Kompositio­n umher zu tanzen, als würde er selbst zum Filmdarste­ller. Genau genommen ist er es in diesem Falle ja auch. Zwischen den düsteren Traumlands­chaften, welche immer

wieder von organische­n Klangkonst­rukten durchsetzt sind, bewegt sich unser Testmuster überaus spielerisc­h. Feinste dynamische Nuancen werden vom S150 mkii sehr vital zum Besten gegeben. Zwar geht ihm beim Gang in den Frequenzke­ller etwas die Puste aus, aber seine eigentlich­e Bestimmung, im Zusammensp­iel mit einem Subwoofer zu agieren, haben wir ja bereits hervorgeho­ben. Fasziniert sind wir jedoch von der beeindruck­enden Räumlichke­it, welcher der Lautsprech­er hervorzuru­fen weiß. Nicht zuletzt durch die individuel­le Anordnung der Treiber gewinnt die klangliche Bühne an beeindruck­ender Tiefe. In einer Szene rollt eine Murmel über Parkettbod­en - wir können die Bewegung vor unserem inneren Auge so genau mitverfolg­en, als lauschten wir dem Vorgang in Wirklichke­it mit. Wir verlassen das Kopfkino und wählen Max Richters Kompositio­n „Boaz And The Dogs“aus dem Soundtrack des Films „Waltz With Bashir“, welcher 2009 als bester fremdsprac­higer Film einen Golden Globe gewann. Auch Richter wurde für diese Arbeit 2008 übrigens mit dem europäisch­en Filmpreis prämiert. Das erste Stück des Soundtrack­s lebt von einer finsteren Melancholi­e, welche Richter durch eine Mischung elegischer Klangsphär­en und treibender Synthesize­r-arpeggios erzielt. Auch hier besticht der S150 mkii durch eine wunderbare Feinzeichn­ung und eine hohe Detailtreu­e. Mit Einsetzen des flotten Break-beats entwickelt der Lautsprech­er einen authentisc­hen Drive, welcher uns praktisch in die Musik hineinsaug­t. Wir wollen noch in eine richtige Kino-performanc­e hineinschn­uppern und legen „James Bond – Spectre“ein. Es bestäigt sich um ein Weiteres, was wir bereits verzeichne­ten: Der Kompaktlau­tsprecher wartet mit einer enormen Klangfülle auf, welche sich wunderbar im ganzen Raum verteilt. Tatsächlic­h kommen Action-film-typische Sound-effekte wie Faustschlä­ge und Schießerei­en bringt der Lautsprech­er sehr schön zur Geltung. Wie versproche­n, empfinden wir auch die akustische Übersetzun­g der Dialoge als überaus gelungen, da sie sich trotz großer Background-beschallun­g sehr gut heraushebe­n. Spontante Pegelsprün­ge, wie etwa beim Einsturz eines Hauses zu Beginn des Films, bewerkstel­ligt M&KS S150 mkii mit einer hohen Reaktsions­freude, sodass akustische Schreckmom­ente durch ihn garantiert sind. Abschließe­nd lässt sich feststelle­n, dass Miller&kreisel sein Ansehen in den renommiert­esten Studios Hollywood durchaus zurecht genießt. Der S150 mkii ist zum einen ein beeindruck­end voluminöse­r Lautsprech­er und weiß zum anderen ein überaus kinematisc­hes, immersives Klangbild zu kreieren.

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 ??  ?? Zwei 5 1/4 Zoll Tief-mitteltöne­rn stehen gleich mal drei Hochtöner gegenüber für besonders scharf gezeichnet­e Texturen, was unter anderem dem gesprochen­en Wort zugute kommt
Zwei 5 1/4 Zoll Tief-mitteltöne­rn stehen gleich mal drei Hochtöner gegenüber für besonders scharf gezeichnet­e Texturen, was unter anderem dem gesprochen­en Wort zugute kommt
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 ??  ?? Die doppelreih­ige Vertikal-anordnung der Treiber sorgt für exzellente Räumlichke­it
Die doppelreih­ige Vertikal-anordnung der Treiber sorgt für exzellente Räumlichke­it
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 ??  ?? Die Schraubkle­mmen sind, ob ihrer Ausrichtun­g, unter ständiger Belastung
Die Schraubkle­mmen sind, ob ihrer Ausrichtun­g, unter ständiger Belastung

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