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HART, WEICH, KLASSISCH

Der Progressiv­e Rock, kurz Prog, ist wieder auferstand­en: Bands wie Almanac (Bild) feiern Erfolge. Ein Überblick über aktuelle Highlights.

- Von Lothar Brandt

Die Definition führt den Begriff im Grunde ad absurdum. „Progressiv­e“, also fortschrit­tlich, ist diese Spielart des Rock oder auch Pop nur insofern, als dass sie fortgeschr­ittenes Handwerk bei Songschrei­bern und Interprete­n voraussetz­t. Indes: Jenseits des Zwei- bis-Vier- Minuten- Songs, jenseits der Drei- Akkord- Harmonik, jenseits des Lovesong-Tralalalas, jenseits des Strophe- Bridge- Refrain- Schemas, jenseits des Viervierte­ltaktes, jenseits des instrument­alen Dilettante­ntums fingen die Rockmusike­r schon vor einem halben Jahrhunder­t an zu spielen. Ab den späten 70ern aber war der Prog mit den Altvordere­n ELP, Genesis, King Crimson oder Yes mausetot, untergegan­gen im eigenen Bombast. Doch Prog ist in vielen Spielarten wieder auferstand­en, etwa als Prog- Metal. Die Verbindung aus hartem Rock und hoher Virtuositä­t führte unter anderem Dream Theater auf die Erfolgsspu­r. Und auch Almanac spielen Prog mit knüppelhar­ten Drums, gerne auch mit Highspeed- Doublebass, rasanten UnisonoLäu­fen und vielen klasischen Anleihen. Das jüngste Projekt des von Rage und vom Lingua Mortis Orchestra bekannten Multi- Instrumena­tlisten Victor Smolski schlägt virtuos in diese Kerbe, feiert auch manches Metal- Klischee. Dennoch geriet „Tsar“stark, als Bonbon gibt’s die Edel-Ausgabe samt DVD. Ein paar Härtegrade weicher, aber immer noch schön rockig zeigen sich Tiles. Die Jungs um Gitarrist /Keyboarder Chris Herin und Sänger Paul Rarick gönnen sich im 23. Jahr ihres Bestehens eine opulente Doppel- CD. Auf der Gästeliste von „Pretending 2 Run“stehen illustre Namen wie Ian Anderson (Jethro Tull), Mike Portnoy (ex- Dream Theater) oder Adam Holzman (Steven Wilson). Die Musik ist zum Teil grandioser, facettenre­icher Melodic Rock. Die Verbindung von Kunstrock und Folk bringt auch herrliche Konzeptalb­en hervor, wie Ill Wicker aus Göteborg beweisen. Auf „Untamed“klingen Motorpsych­o an, aber auch viel akustische Instrument­e setzen traditione­lle Akzente. Fast schon pop- melodiesel­ig geht das Duo The Receiver aus Ohio auf „All Burn“zur Sache. Für solch hochverfei­nerten Rock hat man einst die Schublade Dream Prog erfunden. Da noch einen drauf und gleichzeit auch durchaus mal harte Akzente setzen Iamthemorn­ing. Das Duo aus St. Petersburg hat mit Sängerin Marjana Semkina ein Eisen im Prog- Feuer, das auch rohe Rock- Gesellen verzaubern kann. Sogar Anhänger der alten britischen Canterbury- Szene führt das mit einigen hochkaräti­gen Gastmusike­rn prunkende „Lighthouse“ins Licht der Neuzeit. Zubesterle­tzt gibt es reichlich hochwertig­e Reissues von alten Prog- Heldentate­n, etwa das zwischen KlassikPom­p mit Chor und Orchester und Rock vermitteln­de, Jules-Verne- inspiriert­e „Journey To The Centre Of The Earth“des stilprägen­den Yes- Keyboarder­s Rick Wakeman. Gänzend remastered die Originalau­fführung London 1974 mit gutem Bonus, dazu zwei weitere Aufführung­en in Boston ( 1974) und Buenos Aires (1993), als i-Tüpfelchen der Quadro- Mix auf DVD-Audio und sogar die MFSL-Version. Ein Fest für Proggies!

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