VERFÄRBUNGEN
Auch im dritten Teil des AUDIO-Hörkurses geht es darum, eine HiFi-Anlage richtig und möglichst objektiv zu beurteilen. In Zusammenarbeit mit Andreas Spreer, Chef und Tonmeister des audiophilen Labels Tacet, will AUDIO diesmal helfen, aufnahmeseitigen Färbungen und wiedergabeseitigen Verfärbungen des Klanges auf die Schliche zu kommen – mit den ausgesuchten Klangbeispielen auf unserer Heft-CD.
Da geht’s ans Eingemachte: Der dreiteilige Hörkurs von AUDIO und Tacet vermittelt nicht nur trockene HiFi-Theorie, sondern steigt auch tief in die Praxis ein. Und zwar auf beiden Seiten, Aufnahme und Wiedergabe. Folge 1 ( AUDIO 5/16) widmete sich der oft misshandelten und weitläufig fehlinterpretierten Dynamik, Folge 2 ( AUDIO 9/16) dem uralten audiophilen Streitthema Analog/ Digital. Diesmal geht es Färbungen bei der Aufnahme und Verfärbungen bei der Wiedergabe. Wie immer möglichst objektiv, barriereund ideologiefrei, denn was Andreas Spreer am meisten am Herzen liegt: „Jeder mache seine eigenen Ohren auf!“So wie der Tonmeister einer klassischen Aufnahme einen charakteristischen Klang, der Produzent einer Pop- Produktion einen bestimmten Sound mitgeben kann, so kann auch eine HiFiAnlage dem Tonträger ihren Klangstempel aufdrücken. Ersteres ist toleriert, erbeten, gewünscht oder gewollt, Letzeres wird höchstens in Ausnahmefällen toleriert, ist selten erwünscht und praktisch nie gewollt. So hart das klingt – Färbungen hängen von Hunderten von Faktoren ab, Verfärbungen meistens von zweien: den beiden Arten von Verzerrungen, nicht- linearen (harmonischen) und linearen. Harmonische Verzerrungen bedeuten grob vereinfacht die Summe an Oberwellen, die eine Wiedergabe dem ursprünglichen Signal zugibt. Verzerrung und Klirr müssen übrigens bei weitem nicht so schrecklich klingen, wie sich das liest. Oberwellen sind die ganzzahligen Viel- fachen einer Grundfrequenz, genannt Harmonische. In der Natur gibt es keinen Klang ohne Oberwellen, sie machen in ihrer Zusammensetzung und Stärke die Klangfarbe aus. Die erste Harmonische ist die Grundfrequenz, die zweite ihre Verdoppelung, die dritte ihre Verdreifachung und so weiter. Nun nimmt das menschliche Ohr die geradzahligen Oberwellen h2, h4, h6 etc. genannt, eher als angenehm wahr, selbst wenn sie über die Aufnahme- und Wiedergabekette etwas über Gebühr zugegeben werden. Ungeradzahlige und erst recht grundtonfremde Oberwellen (unnatürliche, zum Beispiel Mischprodukte) nimmt es höchstens missbilligend in Kauf. Röhren sind bekannt für ihre Neigung, wenn sie schon verzerren, allenfalls geradzahlig draufzulöffeln.