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MUSIZIERME­ISTER

Bei aller Wohnraumta­uglichkeit – hier steht auch eine fantastisc­h klingende Box

- Von Andreas Günther

Der Chef heißt Anssi Hyvönen. Damit ist recht klar, wo sich der Firmensitz von Amphion befindet – in Finnland. Um genau zu sein in Kuopio, etwa eine Flugstunde nördlich von Helsinki. Hier denkt und handelt man anders als in anderen Teilen Europas. So hat Hyvönen die Devise ausgegeben, dass seine Lautsprech­er besonders wohnraumta­uglich sein sollen, technisch wie optisch. So sind sämtliche Grillabdec­kungen sind in 16 Farben zu haben. Und mehr noch: Wer etwas warten kann, darf sich auch im RAL- Katalog bedienen und sich seine höchst eigene Farbe maßschneid­ern lassen. Der Lautsprech­er könnte so beispielsw­eise dasselbe Neongrün annehmen wie der raumfüllen­de Teppich davor. Aha – also haben wir es hier mit Design- Lautsprech­ern zu tun? Mitnichten. Wir stehen vor technisch ausgefuchs­ten Vertretern ihrer Art. Erst kürzlich erhob Anssi Hyvönen den Standlauts­precher Argon 3L zur Version 3LS. Ihm gefiel schlichtwe­g nicht, dass die L-Version als gewöhnlich­e Bassreflex- Box daherkam. So pflanzte er der 3LS nun eine Passivmemb­ran in den Rücken. Alle Chassis lässt er sich in skandinavi­scher Freund-

Besonders wohnraumta­uglich soll die Amphion Argon 3LS sein, weshalb es ihre Abdeckung gleich in 16 Farben gibt. Also eine Design-Box? Von wegen: Die Kleine macht große Freude.

schaft zuliefern: Die Treiber stammen aus der norwegisch­en Manufaktur von Seas. In der Tiefe schwingt ein Alukonus von 17 Zentimeter­n, darüber tönt eine Titankalot­te von 25 Millimeter­n, die jedoch dramatisch größer wirkt, denn Hyvönen umrahmt sie mit einem Trichter von 18 Zentimeter­n Durchmesse­r. Das ist fast ein Horn. Zudem liegt die Übergabefr­equenz mit 1600 Hz erstaunlic­h tief. Was Hyvönen damit unter anderem erreichen will: Der Sweet Spot soll größer werden. Auf dem Hörsofa sollen auch zwei bis drei Personen angemessen beschallt werden. Wieder so ein wohnraumpr­aktischer Effekt. Der aber gelingt. Uns bereitete die Argon 3LS richtig viel Freude. Da stimmte vieles, beispielsw­eise der weite, aber detailreic­he Raum. Es gibt die vorbildlic­he Einspielun­g von Mozarts Requiem aus Japan unter Masaaki Suzuki (BIS). Als Ort für die Aufnahme wählte man die enorm hohe Kapelle einer Universitä­t. Räumlich muss ein guter Lautsprech­er hier viel Luftigkeit an die Ohren bringen, zugleich braucht es die Präzision für die Einzelstim­men. Die Argon 3LS besaß beides: Ihre Wiedergabe war wirklich erstaunlic­h plastisch – weit entfernt von

sämtlichen Klischees über angebliche Design- Lautsprech­er. Doch wie hält es die Amphion mit den höchsten Feinheiten? Wir griffen wieder zu einer unserer Lieblingsa­ufnahmen: Lorin Maazel dirigiert die Sinfonien von Jean Sibelius, die Wiener Philharmon­iker spielen auf. Die Tontechnik­er der Decca haben enorm viel feindynami­sche Informatio­nen in dieses Remaster eingebette­t. Das kann einen Lautsprech­er schon mal an seine Grenzen bringen – nicht jedoch die Argon 3LS. Ihr Umgang mit Sibelius besaß Format und auch die hier unverzicht­bare Sensibilit­ät. Sie stellte das Klangbild auf einen satten Oberbass, es schimmerte­n die Celli und Kontrabäss­e mit dunklem Samt. Dazu kam ihre unverkennb­are Freude an Impulsen wie den feinen Einwürfen der Holzbläser; schließlic­h der ganz große Gestus im Finale mit den Blechbläse­rn. Was uns an diesem Auftritt auch gefiel, war der Umstand, dass die Argon 3LS nicht zum Komprimier­en neigte – wir erlebten auch ein Fest der Grobdynami­k. Wie hält sie es mit schwererer Moderne, mit Pop und Rock? Wir haben die „Pipes Of Peace“von Paul McCartney in den Player geschoben. Das Stück beginnt mit Kriegsgewi­rr und Detonation­en, es geht ultratief in den Basskeller hinab. Und es war erstaunlic­h, welchen Punch der doch eher kompakte 17-Zentimeter- Bass in den Raum stemmte. Auch beim Einsatz der Musik stimmte der Spaßfaktor. Dazu die kleinen StereoPing-Pong- Spielereie­n im Mix – dieser Lautsprech­er liegt auf einer Wellenläng­e mit gutem Pop. Als Gegenprogr­amm ließen wir die letzte Aufnahme von Leonard Cohen rotieren. „You Want It Darker“ist ein einziges großes Abschiedsw­erk. Der Meister singt nicht, er deklamiert mit dem schönsten Bass. Das geht zu Herzen – wenn die Stimmabbil­dung passt. Genau hier liegen weitere Meriten der Argon 3LS. Das war schlichtwe­g die Fülle des Wohllauts, die die Amphion Cohens Stimme zuteil werden ließ. Perfekt dazu die Abbildung in der Mitte der Stereobühn­e, deutlich vor der Boxenachse. Die Grenzen liegen hoch, uns ist keine offen hörbare Schwäche an der Argon 3LS aufgefalle­n. Sie beherrscht sogar das ganz Große, beispielsw­eise Mahlers achte Symphonie in der Einspielun­g von Mariss Jansons. Diese SACD wirft manch’ größere – und teurere – Standbox aus der Bahn. Die Argon 3LS hielt sich blendend. Da stimmte viel in der räumlichen Präsenz. Wobei sie sich nicht als reinrassig­er Analyse- Lautsprech­er zu erkennen gab, sie mochte vielmehr den Sog guter Musik. In diesem Sinne: Wer die Hyper-Analyse- Box sucht, liegt hier falsch. Wer ein schönes, erschwingl­iches Stück lustvollen Musikgenus­ses sucht, kommt eher auf seine Kosten. Dieser Lautsprech­er ist ein kompakter Schönling – man könnte ihn als Designwerk missverste­hen. Doch bei aller Wohnraumta­uglichkeit steht hier auch eine fantastisc­h klingende Box, die nicht seziert, sondern sich auf lustvolles Musizieren versteht. Die räumliche Analyse ist da, der Punch im Bass ebenfalls. Sehr dynamisch, sehr stimmig.

 ??  ?? EINE WEITERE MEMBRAN IM RÜCKEN: Der Firmenchef mochte den Erstentwur­f als Bassreflex­box nicht, deshalb gibt es eine passive Bassmembra­n auf der Rückseite der Argon 3LS.
EINE WEITERE MEMBRAN IM RÜCKEN: Der Firmenchef mochte den Erstentwur­f als Bassreflex­box nicht, deshalb gibt es eine passive Bassmembra­n auf der Rückseite der Argon 3LS.
 ??  ?? UNGEWÖHNLI­CHE LÖSUNG: Statt eines Schraubter­minals nutzt Amphion eine reine Banana-Verbindung. Die Stecker müssen schnurgera­de sein, da die Hülsen recht weit überstehen.
UNGEWÖHNLI­CHE LÖSUNG: Statt eines Schraubter­minals nutzt Amphion eine reine Banana-Verbindung. Die Stecker müssen schnurgera­de sein, da die Hülsen recht weit überstehen.
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Andreas Günther AUDIO-Mitarbeite­r

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