MUSIZIERMEISTER
Bei aller Wohnraumtauglichkeit – hier steht auch eine fantastisch klingende Box
Der Chef heißt Anssi Hyvönen. Damit ist recht klar, wo sich der Firmensitz von Amphion befindet – in Finnland. Um genau zu sein in Kuopio, etwa eine Flugstunde nördlich von Helsinki. Hier denkt und handelt man anders als in anderen Teilen Europas. So hat Hyvönen die Devise ausgegeben, dass seine Lautsprecher besonders wohnraumtauglich sein sollen, technisch wie optisch. So sind sämtliche Grillabdeckungen sind in 16 Farben zu haben. Und mehr noch: Wer etwas warten kann, darf sich auch im RAL- Katalog bedienen und sich seine höchst eigene Farbe maßschneidern lassen. Der Lautsprecher könnte so beispielsweise dasselbe Neongrün annehmen wie der raumfüllende Teppich davor. Aha – also haben wir es hier mit Design- Lautsprechern zu tun? Mitnichten. Wir stehen vor technisch ausgefuchsten Vertretern ihrer Art. Erst kürzlich erhob Anssi Hyvönen den Standlautsprecher Argon 3L zur Version 3LS. Ihm gefiel schlichtweg nicht, dass die L-Version als gewöhnliche Bassreflex- Box daherkam. So pflanzte er der 3LS nun eine Passivmembran in den Rücken. Alle Chassis lässt er sich in skandinavischer Freund-
Besonders wohnraumtauglich soll die Amphion Argon 3LS sein, weshalb es ihre Abdeckung gleich in 16 Farben gibt. Also eine Design-Box? Von wegen: Die Kleine macht große Freude.
schaft zuliefern: Die Treiber stammen aus der norwegischen Manufaktur von Seas. In der Tiefe schwingt ein Alukonus von 17 Zentimetern, darüber tönt eine Titankalotte von 25 Millimetern, die jedoch dramatisch größer wirkt, denn Hyvönen umrahmt sie mit einem Trichter von 18 Zentimetern Durchmesser. Das ist fast ein Horn. Zudem liegt die Übergabefrequenz mit 1600 Hz erstaunlich tief. Was Hyvönen damit unter anderem erreichen will: Der Sweet Spot soll größer werden. Auf dem Hörsofa sollen auch zwei bis drei Personen angemessen beschallt werden. Wieder so ein wohnraumpraktischer Effekt. Der aber gelingt. Uns bereitete die Argon 3LS richtig viel Freude. Da stimmte vieles, beispielsweise der weite, aber detailreiche Raum. Es gibt die vorbildliche Einspielung von Mozarts Requiem aus Japan unter Masaaki Suzuki (BIS). Als Ort für die Aufnahme wählte man die enorm hohe Kapelle einer Universität. Räumlich muss ein guter Lautsprecher hier viel Luftigkeit an die Ohren bringen, zugleich braucht es die Präzision für die Einzelstimmen. Die Argon 3LS besaß beides: Ihre Wiedergabe war wirklich erstaunlich plastisch – weit entfernt von
sämtlichen Klischees über angebliche Design- Lautsprecher. Doch wie hält es die Amphion mit den höchsten Feinheiten? Wir griffen wieder zu einer unserer Lieblingsaufnahmen: Lorin Maazel dirigiert die Sinfonien von Jean Sibelius, die Wiener Philharmoniker spielen auf. Die Tontechniker der Decca haben enorm viel feindynamische Informationen in dieses Remaster eingebettet. Das kann einen Lautsprecher schon mal an seine Grenzen bringen – nicht jedoch die Argon 3LS. Ihr Umgang mit Sibelius besaß Format und auch die hier unverzichtbare Sensibilität. Sie stellte das Klangbild auf einen satten Oberbass, es schimmerten die Celli und Kontrabässe mit dunklem Samt. Dazu kam ihre unverkennbare Freude an Impulsen wie den feinen Einwürfen der Holzbläser; schließlich der ganz große Gestus im Finale mit den Blechbläsern. Was uns an diesem Auftritt auch gefiel, war der Umstand, dass die Argon 3LS nicht zum Komprimieren neigte – wir erlebten auch ein Fest der Grobdynamik. Wie hält sie es mit schwererer Moderne, mit Pop und Rock? Wir haben die „Pipes Of Peace“von Paul McCartney in den Player geschoben. Das Stück beginnt mit Kriegsgewirr und Detonationen, es geht ultratief in den Basskeller hinab. Und es war erstaunlich, welchen Punch der doch eher kompakte 17-Zentimeter- Bass in den Raum stemmte. Auch beim Einsatz der Musik stimmte der Spaßfaktor. Dazu die kleinen StereoPing-Pong- Spielereien im Mix – dieser Lautsprecher liegt auf einer Wellenlänge mit gutem Pop. Als Gegenprogramm ließen wir die letzte Aufnahme von Leonard Cohen rotieren. „You Want It Darker“ist ein einziges großes Abschiedswerk. Der Meister singt nicht, er deklamiert mit dem schönsten Bass. Das geht zu Herzen – wenn die Stimmabbildung passt. Genau hier liegen weitere Meriten der Argon 3LS. Das war schlichtweg die Fülle des Wohllauts, die die Amphion Cohens Stimme zuteil werden ließ. Perfekt dazu die Abbildung in der Mitte der Stereobühne, deutlich vor der Boxenachse. Die Grenzen liegen hoch, uns ist keine offen hörbare Schwäche an der Argon 3LS aufgefallen. Sie beherrscht sogar das ganz Große, beispielsweise Mahlers achte Symphonie in der Einspielung von Mariss Jansons. Diese SACD wirft manch’ größere – und teurere – Standbox aus der Bahn. Die Argon 3LS hielt sich blendend. Da stimmte viel in der räumlichen Präsenz. Wobei sie sich nicht als reinrassiger Analyse- Lautsprecher zu erkennen gab, sie mochte vielmehr den Sog guter Musik. In diesem Sinne: Wer die Hyper-Analyse- Box sucht, liegt hier falsch. Wer ein schönes, erschwingliches Stück lustvollen Musikgenusses sucht, kommt eher auf seine Kosten. Dieser Lautsprecher ist ein kompakter Schönling – man könnte ihn als Designwerk missverstehen. Doch bei aller Wohnraumtauglichkeit steht hier auch eine fantastisch klingende Box, die nicht seziert, sondern sich auf lustvolles Musizieren versteht. Die räumliche Analyse ist da, der Punch im Bass ebenfalls. Sehr dynamisch, sehr stimmig.