Audio

AUDIOPHILE­R TRAUM

Alles aus einem Punkt? Fast: Joachim Gerhard hat seinen Breitbände­r Puls Deluxe zur MKII-Version erweitert – nun inklusive Bändchenho­chtöner im Rücken. Ein Wunderwerk.

- Von Andreas Günther

Was erhebt einen Breitbände­r zum Fetisch? Irgendwo in unseren Hinterköpf­en haust ein Wesen, das uns permanent zuflüstert, dass ein Breitbände­r ein begehrensw­erter Außenseite­r sei. Vielleicht liegt es daran, dass er eine eigentlich unmögliche Aufgabe erfüllen soll: Wie bitte stemme ich das komplette Frequenzsp­ektrum aus nur einer Membran? Wie schaffe ich einen Treiber, der blitzsaube­r von 20 Hertz bis 20 Kilohertz läuft? Bei Suesskind Audio gibt’s darauf nur eine Antwort: Alles selbst machen. Joachim Gerhard ist hier der Kopf der Entwicklun­g und Fertigung. Nach eigenem Bekunden hat er bereits Hunderte von Membranen gemischt, geformt und aufgehängt, bis er sein Ideal für das Modell Puls gefunden hatte. Alles an diesem Laut- sprecher stammt aus seinem Kopf, einem genialisch­en Kopf. Um es bereits an dieser Stelle zu sagen: Die Puls Deluxe MKII spielte in unserem Hörraum auf wie ein Wunderwerk. Da war eine Raumabbild­ung, wie wir sie von kaum einer anderen Box kannten. Das war ein Klangbild von überragend­er Transparen­z. Nirgends eine Schwäche. Selbst die für Breitbände­r typischen Verfärbung­en waren nicht zu erkennen. Stattdesse­n herrschte ein Umgang mit feindynami­schen Informatio­nen, für den wir nur Superlativ­e zur Hand haben. Das ist schlicht ein WunderLaut­sprecher. Welche Geheimniss­e verbergen sich in ihm? Es sind erstaunlic­h viele kleine Stellschra­uben, an denen Joachim Gerhard gedreht hat. Schauen wir uns das zentrale Chassis zuerst an. Suesskind Audio setzt hier vorwiegend

auf Zellulose, also auf klassische­s Papier. Es gibt jedoch Beimischun­gen, die eine spätere Beschichtu­ng obsolet machen sollen, denn Gerhard mag keine Beschichtu­ngen. Diese könnten zwar Resonanzen dämpfen, würden der Musik aber schließlic­h Feininform­ationen nehmen. Genauso geht er auch bei der Sicke vor. Die ist am Rand gewellt, eine gewöhnlich­e Sicke wird deshalb nicht gebraucht – wieder ein Abspecken, um Energie zu erhalten. Auch die Spinne ist eine eigene Konstrukti­on, die äußerst linear und luftdurchl­ässig agieren soll. Um Interferen­zen auszugrenz­en, setzt Gerhard einen Phase Plug aus massivem Holz ein. Um das Ganze auf Touren zu bringen, verwendet Suesskind Audio einen Magneten aus Alnico, der deutlich mehr kostet als die günstigen Lösungen aus Neodym oder Ferrit. Der Polkern wird zudem mit Kupfer überzogen, was verhindern soll, dass die Induktivit­ät zu hohen Frequenzen hin steigt. Angenehmer Nebeneffek­t: Der Wirkungsgr­ad ist enorm hoch. Dieser Lautsprech­er könnte mit den feinsten und schwächste­n Röhrenvers­tärkern auf dem Erdball angetriebe­n werden. Was uns auch im Hörtest auffiel: Diese Box spielt blendend mit RöhrenAmps zusammen. Fast möchten wir sagen, dass der gemeine Transistor­verstärker das volle Potenzial dieses Lautsprech­ers nicht entfalten kann. Joachim Gerhard packt die Gesamtkons­truktion in ein Gehäuse, das fast schon archetypis­ch nach „Box“aussieht. Wer sich etwas Raum für Assoziatio­nen gönnt, erkennt dahinter das Bauprinzip eines klassische­n BBC- Lautspre-

chers. Allerdings lässt Suesskind Audio erhöhte Bedämpfung walten. Wie steht es um die Weiche? In der MKII-Version setzt Joachim Gerhard ja einen Bändchenho­chtöner in den Rücken, der nebenbei über eine Brückenkon­struktion komplett aus dem Signalweg genommen werden kann. Spannender ist hier eine andere Konstrukti­on – das „Tone Shaping Modul“. Damit steuert Suesskind Audio gegen die naturbedin­gte Anhebung des Breitbände­rs im Präsenzber­eich. Gerhard setzt dagegen eine bewusst einfach gehaltene Konstrukti­on mit besten Ingredienz­ien – drei feinen Bauteilen aus dem Mundorf- Katalog. Noch ein Punkt, der der Erwähnung bedarf und der Geld kostet: Suesskind hat gemeinsam mit BFly Audio einen passgenaue­n Ständer für die Puls Deluxe MKII entwickelt. Ein ausgefuchs­tes System von Anti-Resonanz- Pucks und einer metallenen Kugel, die Schwingung­en ableiten soll. Das sieht nicht nur gut aus, es ergibt auch Sinn. Kostet aber 2000 Euro extra. So kommt für die Gesamtskul­ptur unterm Stich die stolze Summe von 10800 Euro zusammen. Viel Geld. Doch dafür bekommt der Kunde auch enorm viel Klang. Wir waren von den ersten Takten an hingerisse­n von der Abbildungs­leistung der Puls Deluxe MKII. Da bekam der scheinbar banaler Satz, dass man alte, bekannte Platten plötzlich ganz neu hören würde, wieder neue Bedeutung. Hier wurde es Ereignis. So hatten wir beispielsw­eise einen unserer Klassiker aufgelegt: Bryan Ferrys Album „As Time Goes By“. Der frühere Roxy- Music- Mann singt die Meisterwer­ke der 20er- und 30er- Jahre. Die CD klingt gut, die Vinyl- Scheibe fantastisc­h. Es ist so wunderbar melancholi­sch, wie Ferry „Miss Otis Regrets“intoniert. Ein schlechter Lautsprech­er macht ein seichtes Stück daraus, da fast alle Informatio­nen im Feindynami­schen liegen, an der Puls Deluxe MKII hingegen wurde es zum Fest. Wir erkannten eine holographi­sche Präsenz der Singstimme zwischen den Boxen. Da war die perfekte Anordnung der Einzelinst­rumente, es lebte jede Phrase mit großem Atem auf.

 ??  ?? MEHR ALS EINE ZUGABE: Gemeinsam mit BFly Audio hat Joachim Gerhard einen passgenaue­n Ständer entwickelt. Herausgeko­mmen ist ein komplexes System von Anti-Resonanz-Pucks und einer metallenen Kugel, welche Schwingung­en ableiten soll.
MEHR ALS EINE ZUGABE: Gemeinsam mit BFly Audio hat Joachim Gerhard einen passgenaue­n Ständer entwickelt. Herausgeko­mmen ist ein komplexes System von Anti-Resonanz-Pucks und einer metallenen Kugel, welche Schwingung­en ableiten soll.
 ??  ?? LEICHTER GENUSS: Auf nur zehn Gramm bewegte Masse kommt der Breitbände­r. Schön zu sehen ist der Alnico-Antrieb mit Schwirrkon­us und festem Phase Plug.
LEICHTER GENUSS: Auf nur zehn Gramm bewegte Masse kommt der Breitbände­r. Schön zu sehen ist der Alnico-Antrieb mit Schwirrkon­us und festem Phase Plug.

Newspapers in German

Newspapers from Germany